Hans Kloss - Spion zwischen den Fronten (Blu-ray)
- Regie:
- Patryk Vega
- Jahr:
- 2012
- Genre:
- Action
- Land:
- Polen
- Originaltitel:
- Hans Kloss. Stawka wieksza niz smierc
1 Review(s)
15.08.2014 | 17:33Action, Romantik, Zeitenreise: Sekunden entscheiden
Königsberg, 1945. Getarnt als Agent der deutschen Abwehr ist Hans Kloss, Codename J-23, einem der größten Geheimnisse des Dritten Reiches auf der Spur: dem von den Nazis gestohlenen Bernsteinzimmer, das von Königsberg aus verschifft werden soll. Doch in den Irrungen der letzten Tage des Krieges interessieren sich viele für die unschätzbar wertvolle Fracht, unter ihnen auch Hans´ alter Gegenspieler, SS-Hauptsturmführer Hermann Brunner. Ein tödliches Duell beginnt ... (Verleihinfo)
Filminfos
O-Titel: Hans Kloss. Stawka wieksza niz smierc (PL 2012)
Dt. Vertrieb: Pandastorm/Ascot Elite
VÖ: 22.07.2014
EAN: 4048317475568
FSK: ab 16
Länge: ca. 108 Min.
Regisseur: Patryk Vega
Drehbuch: Przemyslaw Wos, Wladyslaw Pasikowski
Darsteller: Stanislaw Mikulski (Hans Kloss), Emil Karewicz (Hermann Brunner), Daniel Olbrychski (Günter Werner), Patryk Vega (Manfred), Marta Zmuda Trzebiatowska (Elsa Krause), Anna Szarek (Ingrid), Michal Breitenwald (Dr. Krause, Elsas Vater) u.a.
Handlung
Madrid, 1975. Otto Skorzeny, der Top-Agent des Führers (er befreite Mussolini aus einer Festung), ist gestorben und wird im faschistischen Franco-Spanien zu Grabe getragen. Viele alte Nazis sind gekommen, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. "Heil Hitler" wird gebrüllt. SS-Oberführer Günter Werner begrüßt Leutnant Hans Kloss - und lässt ihn gleich darauf entführen. Während der anschließenden Folter wirft er ihm vor, im Jahr 1945, als die Russen das ostpreußische Königsberg einnehmen wollten, ein polnischer Spion gewesen zu sein. Kloss bestreitet alle Vorwürfe, obwohl ihn die Stromstöße quälen.
Dann tritt ein Zeuge auf, den Kloss nicht erwartet hat: Hans Brunner galt als tot und verschollen, doch da steht er, frisch aus Argentinien eingeflogen. Obersturmbannführer Brunner arbeitete damals für den Sicherheitsdienst (SD), also für die Spionageabwehr, genau wie der damalige Kloss.
|Rückblende|
Königsberg war am 12. März 1945 bereits von der Roten Armee eingekesselt worden. Nur der Militärhafen Pillau und der Weg über das vereiste Haff standen Flüchtlingen etc. noch frei. Brunner, so erzählt der Argentinier, hat von ganz oben den Auftrag erhalten, das legendäre Bernsteinzimmer vor den "slawischen Barbaren" in Sicherheit zu bringen, egal wie. Die Einzelteile sind in vernagelten Särgen versteckt. Bei einem Fliegerangriff wird einer der Särge beschädigt und Brunner klaut ein Stück. Er ist nicht der einzige...
Am nächsten Tag erfährt Kloss von der supergeheimen Fracht. Die blonde Ingrid will für diese Information seine Hilfe, um dem Kessel zu entkommen. Sie weiß, was die Russen mit deutschen Frauen anstellen. Kloss schließt sich der "Operation Königstein" an und will vereiteln, dass das Bernsteinzimmer das Reich erreicht. Er hat keine Sympathien für die Nazis oder die Preußen.
Er erhält unerwartete Hilfe von Elsa Krause, der schönen, antifaschistisch eingestellten Tochter des Stadtkommandanten Dr. Krause. Sie liebt Kloss, und dieser verspricht, ihr zu helfen. Sie besteht darauf, in das Geschehen direkt einzugreifen und begibt sich in höchste Gefahr. Unterdessen hat Ingrid es nicht geschafft: Brunner hat sie unter der Folter gestanden, was sie schon Kloss verraten hat. Brunner heftet sich an die Fersen des polnischen Spions...
|1975, Madrid und West-Berlin |
Martin Bormann, der ehemalige Reichsminister, den man ebenfalls in Argentinien tot glaubte, gibt Kloss persönlich den Auftrag, das von dem Schnellbootkommandanten im März 1945 versteckte Bernsteinzimmer zu finden und für mindestens 350 Mio. Dollar zu verkaufen.
Doch dafür muss Kloss erst einen Geheimcode knacken. Den Schlüssel dazu hat Erich Koch, der seinerzeitige Gauleiter für Königsberg. Koch sitzt in einem Gefängnis des polnischen Geheimdienstes ein. Der fordert zwar einen hohen Preis, doch Kloss' eigentlich Ziel ist ein ganz anderes: Er will sein altes Versprechen einlösen und Elsa Krause aus dem sowjetischen Straflager befreien, in dem sie seit 30 Jahren leidet...
Mein Eindruck
Das legendäre und bis heute verschollene Bernsteinzimmer hat schon für einen deutschen Thriller den MacGuffin abgegeben: einen Schatz, hinter dem alle her sind, der aber selbst nichts zur Handlung beiträgt. Dies verhält sich im Remake der polnischen TV-Serie aus den sechziger Jahren etwas anders. Sowohl Werner als auch Brunner klauen je ein Stück vom Schatz. Fügt man die beiden Stücke - grandioser Zufall! - zusammen, ermöglichen sie die Identifizierung und Beglaubigung des Überbringers. Dieser ist der dubiose Hans Kloss. Fällt der inhaftierte Gauleiter Koch auf einen Trick herein?
|Showdown|
Wie auch immer: 30 Jahre, nachdem es verschwand, beginnt die Jagd nach dem verfluchten Zimmer von neuem. Weitere verkappte Nazis tauchen auf, so etwa Günter Werner, der es sich mitten in der Stasi gemütlich gemacht hat. Wahrscheinlich hat man seine Foltermethoden benötigt... Die Spuren der Geheimcodes führen zu einem Leuchtturm an der Dünenküste nahe Rostock, also auf dem Gebiet der DDR.
Eine Falltür führt zur nächsten, und endlich lassen die Mitspieler die Masken fallen, um ihre wahren Absichten zu enthüllen. Hitchcock, der Regisseur von "Saboteure" und "Vertigo" (beide Filme enden an einem erhöhten Ort), hätte das Finale kaum besser inszenieren können. Er hätte aber auf die Pyrotechnik verzichtet.
|Zeitebenen|
Bis es zu diesem explosiven und bleihaltigen Showdown kommen kann (mehr zu dieser Szene in den Interviews), verschränkt der Film kunstvoll die beiden Zeitebenen 1975 und 1945. Während das Jahr 1945 in seiner Weltuntergangsstimmung voller Action (für Männer) und Not (für Frauen) ist, baut sich die Spannung des Jahres 1975 erst ganz allmählich auf, immer unterbrochen durch Rückblenden.
Da die beiden Ebenen auch optisch grundverschieden dargestellt werden, fiel es mir leicht, mich zurechtzufinden. Eingeblendete Untertitel informieren den Zuschauer über den Schauplatz. Man sollte sich also zurechtfinden können.
|Schimäre|
Ob es Hans Kloss gelingt, Elsa Krause wiederzufinden und aus dem Gulag zu befreien, darf hier nicht verraten werden. Aber vorher ist die wichtige Frage zu klären, wer dieser Hans Kloss überhaupt ist. Ist er jener polnische Spion namens Janek, der sich 1945 und später J-23 nennt? Oder ist er der echte Hans Kloss, den die Polen 1975 gefangennehmen und zur Kooperation zwingen?
Diese knifflige Frage hat mich zeitweilig verwirrt. Die Lösung darf nicht verraten werden. Aber die Antwort ist ausschlaggebend für die Wertung von Kloss' Handeln Elsa und den Polen gegenüber. Ist der vermeintliche Deutsche ein Rächer oder ein Versöhner? Das ist nicht ganz unwichtig, finde ich.
Die Blu-ray
Technische Infos
Tonformat: DTS HD Master Audio 5.1 in Deutsch, DTS HD Master Audio 5.1 in Polnisch
Untertitel: Deutsch, Englisch
Bildformat: Widescreen (2,10:1)
Bildnorm: HD 1080p
Bonusmaterial:
1) Interviews
2) Originaltrailer
3) Trailershow
Mein Eindruck: die Blu-ray
Bild und Ton sind technisch einwandfrei und kommen auf der Blu-ray bestens zur geltung. Endlich wird auch der Surroundton von DTS 5.1 voll ausgenutzt. Das macht sich besonders in den groß angelegten Actionszenen am Hafen von Pillau und im Leuchtturm bemerkbar. Da ballert "Hans Kloss" doch tatsächlich mit einem Flakgeschütz auf ein Schnellboot und angreifende Infanteristen. Klar, dass dabei einiges zu Bruch geht.
Die Explosion im Leuchtturm ist ebenfalls akustisch und optisch recht beeindruckend. Wer also die Stabilität seiner Wohnzimmerwände auf die Probe stellen will, dreht hier die Lautstärke bis zum Anschlag auf.
Das Bildformat ist mit 2,1:1 etwas ungewöhnlich, denn üblich ist 2,35:1. Aber moderne TV-Geräte dürften damit kein Problem haben. Polen dürften es etwas merkwürdig finden, dass die Blu-ray neben deutschen Untertiteln keine polnischen, sondern englische Untertitel anbietet.
EXTRAS
1) Interviews (Spoiler!)
a) Stanislaw Mikulski (Hans Kloss) (9:30 min)
Mikulski, bis heute ein Offizier der polnischen Reserve, trat "vor 42 Jahren" , nämlich 1967, in der Originalserie "Sekunden entscheiden" in der gleichen Rolle als Hans Kloss auf. Er findet die Produktionsbedingungen heute viel besser als damals, als Zelluloid rationiert war. Die Szene am Leuchtturm bei Rostock, die in der Neuauflage am Schluss steht, stand damals am Anfang der ersten Folge. Seinen Mitspieler Karewicz (s.u.) traf er erstmals vor über 50 Jahren in Andrzej Wajdas Film "Kanal" und ist ihm seit damals ein Freund.
Der Clou des Remakes besteht nun darin dass Spion J-23 keineswegs Hans Kloss ist. Hier werde der Pole J-23 durch einen Deutschen ersetzt, anders als in der damaligen TV-Serie. Die Umkehrung komme für das polnische Publikum ziemlich überraschend und sei der Clou des Remakes.
b) Emil Karewicz (Hermann Brunner) (4:50 min)
Karewicz ist 88 Jahre alt, sieht aber noch aus wie 70. Auch er vergleicht damals und heute. Anno 1967ff., also vor fast 50 Jahren, spielte er in fünf Folgen mit, erzählt er. Sein aktueller Brunner ähnele der damaligen Figur des Brunner noch sehr. Interessant ist, dass es für das Remake drei oder vier abgelehnte Drehbücher gab.
c) Daniel Olbrychski (Günter Werner) (6:27 min)
Auch er muss über 70 Jahre alt sein, denn er macht sein Abitur vor über 50 Jahren, wie er sagt. Ulkig ist, dass er in der alten TV-Serie nie mitspielte, sondern nur Zuschauer war. Wenigstens war er in der Theatergruppe seines Gymnasiums. Er beschreibt Günter Werner als absolut skrupellos: ein "stiller, gefährlicher Mann mit einem Dolch, der nur eine Schwäche hat: Ischias", sagt Olbrychski. Dieser Ischias sei seine eigene Idee gewesen.
Von Regisseur Vega weiß er zu berichten, dass dieser einen Film namens "Pitbull" gedreht habe und über viel technisches Wissen übers Filmemachen verfüge. Aber er sei "zärtlich" zu den Schauspielern gewesen.
2) Originaltrailer (1:42 min)
Der Appetithappen erzählt grob den Story-Faden und unterlegt diesen einerseits mit dem Rätsel um Hans Kloss' Identität wie auch mit reichlich Action: Man könnte ihn auch "International Man of Mystery" nennen, wenn dieser Titel nicht schon vergeben wäre. Natürlich geht der Trailer in keinster Weise auf die Verwicklungen in der Story des Jahres 1975 ein.
3) Trailershow
a) Sekunden entscheiden: Die Serien-Vorlage aus dem TV des Jahres 1967.
b) Die letzte Front (über Riga 1919 und den Freiheitskampf der Letten gegen die Rote Armee)
c) The Floating Castle (siehe meinen Bericht)
d) Wings of Honour (Bomberangriffe im 2. Weltkrieg)
e) Battle of Empires (die Eroberung Konstantinopels 1453; s. meinen Bericht)
f) Battleground (1. Weltkrieg, s. meinen Bericht)
g) Sturm auf Festung Brest (Invasion der Sowjetunion Juni 1941; s. meinen Bericht)
h) Gagarin - Wettlauf ins All
Unterm Strich
"Hans Kloss" ist alles andere als dumme Heldenverehrung von polnischer Seite aus, nur um Agenten des 2. Weltkriegs auf den Sockel zu heben. Durch die Verschränkung der Zeitebene von 1945 mit der von 1975, als die alten Nazis einen neuen Anlauf nehmen, um das Bernsteinzimmer - Wert: 350 Mio. Dollar - in die Hände zu kriegen, ergeben sich nämlich ironische und kritische Effekte.
|Kritik|
30 Jahre sind vergangen, seit die Rote Armee über die Nazis siegte (mit ein wenig Hilfe von den polnischen Partisanen). Doch was hat sich seitdem geändert? Rein gar nichts. Die Nazibonzen leben noch, die Gefangenen, wie etwa Elsa Krause, schmachten immer noch im Gulag - und die Geheimdienste spielen immer noch ihr fieses Spiel, wie es Hitchcock in "Topas" vorgeführt hat. Im Vergleich zu den Nazis hat sich freiheitsmäßig nichts verändert: Das ist die indirekte Kritik an der kommunistischen Herrschaft Moskaus und seiner Vasallenstaaten DDR und Polen.
|Ironie|
Ironisch fand ich die Rolle des "Hans Kloss", sei er nun weiter der russische Spion J-23 oder der echte aus dem Jahr 1945, falls es ihn je gegeben hat. Die beiden sehen sich verblüffend ähnlich. Kein Wunder, denn sie werden vom gleichen Schauspieler dargestellt. Wo aber ist nun die "Umkehrung", die Stanislaw Mikulski im Interview (s.o.) so lobt? Sie erfolgt in Warschau, und der Zuschauer ist gut beraten, genau aufzupassen, was da passiert. Ist es ein Pole oder ein Deutscher, der nun die alten Nazis aufs Kreuz legt - das macht einen ebenso großen Unterschied wie die Antwort auf die Frage, ob es ein Pole oder ein Deutscher ist, der Elsa Krause aus dem Gulag befreien will.
|Action|
Was auf den ersten Blick aussieht wie ein polnischer James-Bond-Verschnitt - siehe das Marketing und die Optik - weist mehrere Ebenen auf, über die das Nachdenken durchaus lohnen könnte. Andererseits brauchen Actionfreunde nicht zu befürchten, sie kämen zu kurz: Hier kommen Pyromanen ebenso auf ihre Kosten wie die Fans bleihaltiger Luft. Wer auf weibliche Reize und Romantik wartet, wird nicht enttäuscht werden: Ingrid, das blonde Gift, und Elsa, die treue Seele, tragen ihr Scherflein an tragisch gefärbter Romantik bei.
|Die Blu-ray|
Das Bonusmaterial der optisch und akustisch ausgezeichneten Blu-ray ist recht bescheiden. Einfach mal ca. 20 Minuten Interviews an den Trailer zu kleben, grenzt an eine Frechheit. Nicht mal der Regisseur ließ sich befragen - er hatte wohl Wichtigeres zu tun. Weibliche Darsteller glänzen durch Abwesenheit.
Auch eine Doku über die zahlreichen visuellen Spezialeffekte (VFX) aus dem Computer sucht man vergebens. Die offensichtlich digitalen Kampfflugzeuge etc. dürften ein Heidengeld gekostet haben. Eine B-Roll von den Dreharbeiten kann man sich gleich an die Backe kleben.
Michael Matzer (c) 2014ff
- Redakteur:
- Michael Matzer