THE ANCESTRY PROGRAM - Tomorrow
Mehr über The Ancestry Program
- Genre:
- Progressive Rock
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Freibad / Just For Kicks
- Release:
- 03.04.2020
- Silver Intro
- Silver Laughter
- Pun Intended
- Another Way To Fly
- Easy For Us
- Tomorrow
- More To This
- Tangerine Parties
- Human Key
- No Chorus No Home
- Ship To Shore
Komplexer, abgedrehter Prog aus München.
Unverhofft flattert eine Eigenpressung ins Haus, die sofort meine Aufmerksamkeit erregt: Ein aufweniges Media-Book mit zwanzigseitigem Booklet mit auffälligem Cover und einer Seriennummer an der Seite? Da die Scheibe im Vertrieb von Just For Kicks ist, steht das Wort Progressive Rock natürlich gut leserlich unsichtbar auf der Veröffentlichung, was sich dann auch bewahrheitet und wie bei JFK so häufig eine absolute Qualitätsscheibe ist.
Allerdings ist diese Qualität von der komplexen Art. Zugegeben, bei den ersten Spins hatte ich mehr Fragezeichen auf dem Kopf als Aha-Elemente im Hirn. Zwar vermögen gewisse Parts kleine Widerhaken in den Gehörgängen zu verankern, aber was die Band wohl als 'Easy For Us' bezeichnet, ist es ganz sicher für den Hörer nicht. Rhythmisch bewegen sich die vier Musiker auf hohem Niveau, dazu bewegt sich die Band zwar oft auf Pfaden von KING CRIMSON oder auch mal PINK FLOYD, in neoproggigen Gefilden mit der typischen seichten Lässigkeit, nur um dann plötzlich mit Growls wie in 'Pun Intended' oder Screams wie bei 'Easy For Us' aufzuwarten. So viel Abwechslung sorgt für Spannung und lässt einen den ersten Durchgang gar nicht genießen, weil man so gespannt ist, was da noch kommen mag. Aber dann wird "Tomorrow" ein echter Prog-Grower!
Was ich bisher noch verschwiegen habe, sind die Protagonisten hinter THE ANCESTRY PROGRAM, die alle aus der bayerischen Landeshauptstadt und Umgebung stammen und eigentlich als Studiomusiker tätig sind. Hier ist nämlich proggig-krautiges Namedropping angesagt: Sänger Ben Knabe dürfte den meisten von AMON DÜÜL bekannt sein, Schlagzeuger Andy Lind war bei JACUZZI, SCHIZOFRANTIC und den FREAKY FUCKIN' WEIRDOS, Gitarrist Mani Gruber bei OTHELO, BOYSVOICE, SKYBUS und Keyboarder Thomas Burlinger kennt man vielleicht von POISON IVY, NUMBER NINE und CENTURY'S CRIME. Zusätzlich ist noch als Gast Heiko Jung von PANZERBALLET dabei, und spätestens an dieser Stelle wundert man sich über nichts mehr.
Das Konzeptwerk enthält natürlich auch zahlreiche lange Stücke, wir sind ja im Prog, und an dieser Stelle ist tatsächlich nach einigen Durchläufen etwas Kritik angebracht, wenn manchmal wird es dann doch zu lang. Ja, mittlerweile stört mich an dem starken 'Easy For Us' das ausgewalzte, an PINK FLOYD erinnernde und zu häufig gesungene 'There's Love Around' sogar. Aber solche Momente, derer es nur wenige auf "Tomorrow" gibt, werden durch die tollen Bläser auf 'Human Key', das mitreißende 'Pun Intended', das vertrackte 'Silver Laughter' oder den Hit 'Tangerine Parties' locker wettgemacht. Habe ich da gerade Hit geschrieben? Ich muss ja verrückt sein. Aber nicht so verrückt wie diese vier Jazzprogrocker, die mit ihrem Debüt ein großartiges Album geschaffen haben, das Progfans zu einer Entdeckungstour einlädt.
Diese Kreativität und den Mut, die Scheibe einfach in Eigenregie zu veröffentlichen, muss man honorieren und sich als qualitätsbewusster Musikliebhaber diese wirklich unkonventionelle, originelle Scheibe zulegen, die abgesehen von den nicht so spannenden Intro und Outro neun Lieder und 67 Minuten lang eine der besten Scheiben geschaffen haben, die ich anno 2020 gehört habe.
Reinhören gefällig? Hier sind drei meiner Highlights:
Der absolute Hit 'Tangerine Parties', auch wenn er nicht die proggige Lässigkeit aufweist, mit der die Band sonst häufig unterwegs ist:
Pun Intended:
Another Way To Fly:
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Frank Jaeger