HEAVEN'S CRY - Wheels Of Impermanence
Auch im Soundcheck: Soundcheck 09/2012
Mehr über Heaven's Cry
- Genre:
- Progressive Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Prosthetic Records (Sony Music)
- Release:
- 05.10.2012
- Empire's Doll
- Realigning
- The Hollow
- Wheels Of Impermanence
- The Healing
- Compass
- The Mad Machine
- Consequence
- Catalyse
- A Glimpse Of Hope
Ein weiteres Füllhorn progressiver Sonderklasse.
Ein neues Album aus dem Hause HEAVEN'S CRY ist etwas, womit ich noch vor wenigen Wochen im Leben nicht mehr gerechnet hätte. Die kanadische Band, die zu Beginn der 90er Jahre mit einem schlicht "Sampler" betitelten Demotape und dem 1996 nachfolgenden Erstling "Food For Thought Substitude" für mächtig Aufsehen unter Freunden verspielt-kraftvoller Stromgitarrenmusik sorgen konnte, ist seither ein Geheimtipp und eben jenes Album gilt bis heute als Juwel unter den Progalben der 90er Jahre. Leider versank die Band direkt nach Erscheinen dieses Wunderwerkes in einem schwarzen Loch, aus dem lediglich ihr Fronter Pierre St. Jean kurzzeitig wieder auftauchte. Allerdings als Bassist für die befreundeten Kollegen von VOIVOD. Mit diesen war ein bisschen on the road und spielt auch das Album "Outer Limits" ein. Erst im Jahr 2002 folgte der zweite himmlische Schrei, der natürlich ebenso wundervoll ausfiel. Aber erneut blieb der Erfolg aus und die Band löste sich dieses Mal ganz offiziell auf. Still und heimlich tat man sich allerdings unter leicht veränderter Besetzung im Jahr 2011 wieder zusammen, schraubte an neuem Material und angelte sich einen Vertrag bei Prosthetic Records. Nun liegt es vor mir, "Wheels Of Impermanence", das dritte Album von HEAVEN'S CRY in sechzehn Jahren. Und die Erwartungshaltung ist immens.
Schon das eröffnende 'Empire's Doll' zeigt glasklar, welche Band hier am Werkeln ist. So klingt nur HEAVEN'S CRY. Gitarrenwände, die sich auftürmen, die gleichzeitig eine Wärme ausstrahlen, wie man sie bei solch einer zeitgemäßen Produktion selten zu hören bekommt und eine Vielschichtigkeit, die schon in den ersten Takten für eine Sinnesüberflutung sorgt. Das nennt man dann wohl originell.
Wie gewohnt baut die Band ihre relativ kurzen Songs – die Sechs-Minuten-Grenze wird lediglich vom getragenen 'The Healing' geschrammt – so viele Details ein, dass ich gerne von kurzen Longtracks spreche. Und dabei werden sowohl extrem hektische Rhythmen, wie auch unerwartete Wechsel größtenteils vermieden. HEAVEN'S CRY definieren ihren Prog anders. Es werden Melodien über- und nebeneinander geschichtet, sodass man sich andauernd fragt, wie viele Saiteninstrumente man hört. Sehr angenehm ist hierbei der wie immer sehr prominent und gleichberechtigt in Szene gesetzte Leadbass, der mal für satte Grundtiefe, mal für verspielte Melodien, sorgt. Sylvain Auclair, der seit Begin der Band zur Besetzung gehört und der wie schon in der Vergangenheit auch für den einen oder anderen Leadgesang zuständig ist, hat eben einen sehr eigenen Stil. Den kann und möchte man auch hören. Man beachte hierzu nur den hackenden Anfang von 'The Mad Machine', bei welchem man angenehme Tiefschläge in die Magengrube verpasst bekommt. Überhaupt ist die Tiefe gerade in den massig vorhandenen ruhigen Momenten herrlich voluminös. Es wummert und brummelt wunderbar, sodass meine Gänse sich immer wieder aufs Neue häuten.
Und oben auf dieser musikalischen Proglasagne liegt der butterweiche Gesang, der sicherlich auch auf einem AOR-Album eine superbe Figur abgeben würde. Ein Bonus für eingefleischte Fans der Bands, eine Überraschung für Erstkontaktler. Erwartet hier keinen aggressiven Gesang, wie er auf vielen bösen Heavy-Metal-Schallplatten zu finden ist. Ebenso wenig hängen Kneifzangen zwischen den Beinen des Fronters. So kann er sich völlig schmerzfrei auf seinen glasklaren und extrem eigenständigen Gesang konzentrieren. Dieser klingt immer völlig ungezwungen und passt somit perfekt zum Guss der Musik. Eine Einheit.
Auf einzelne Songs einzugehen fällt mir schwer, denn eine qualitative Achterbahnfahrt gibt es hier (natürlich) nicht. Trotzdem kann ich ein paar besondere Besonderheiten erwähnen. So gibt es im ziemlich verschachtelten Überflieger 'Consequence' eine extrem coole Saxophon-Einlage, die von einem lässigen Jazzrhythmus unterlegt ist und trotzdem nach HEAVEN'S CRY klingt. Sehr fein. Die Nummer ist eh ein Bonbon mit Himbeerfüllung. Ebenfalls zum Niederknien ist das Hookwunderwerk 'The Hollow'. Beinahe eine Radiosingle, so widerborstig verankert es sich schon nach kurzer Anlaufzeit in meinen Ohren. Mit 'Catalyse' hat man dieses Mal sogar so etwas wie eine Ballade an Bord. Weitab von Flötenschlümpfen und Kitschfallen der klebrigen Sorte zeigen die Herrschaften ganz locker, wie so etwas ganz ohne Pathos und mit glanzvoller Mehrstimmigkeit zu klingen hat. Ohrenschmaus.
Es gibt also keinen Grund, in dieses Album nicht zumindest hinein zu hören. Eine farbenfrohe Welt erwartet Euch.
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Soundcheck 9/12
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Holger Andrae