GAZPACHO - Night Of The Demon
Mehr über Gazpacho
- Genre:
- Art Rock
- Label:
- KScope / Edel
- Release:
- 15.05.2015
- Tick Tock (Part I)
- Tick Tock (Part II)
- Vulture
- Golem (DVD only)
- I've Been Walking (Part I)
- The Wizard Of Altai Mountains
- I've Been Walking (Part II)
- Winter Is Never (DVD only)
- Dingler's Horses (DVD only)
- Splendid Isolation
- Black Lily (DVD only)
- Vera (DVD only)
- Upside Down
- Massive Illusion
Intensives Live-Dokument einer führenden Art-Rock-Band.
Ein Vorteil an meinem fortgeschrittenen Alter als Musikfan ist, dass ich so langsam auf gesamte Werdegänge von Bands, die ich mag, zurückblicken kann. Und dies erfüllt mich doch ein wenig mit Stolz. Noch viel stolzer darf aber GAZPACHO auf sich sein, denn was aus der Band zwölf Jahre nach der Veröffentlichung des Debüts "Bravo" geworden ist, ist á la bonne heure, wie der Franzose sagen würde.
Ich habe den Schmetterling schlüpfen sehen, damals im Vorprogramm von MARILLION auf der legendären "Marbles"-Tour, als diese leicht schüchtern wirkenden Norweger mich schon mit ihrem feinen Art Pop überzeugen konnten. Und auf der vorliegenden Live-DVD ist sogar noch ein Stück aus dieser Zeit vertreten, nämlich 'Dingler’s Horse' vom tollen "When Earth Let’s Go"-Frühwerk. Schön, das mal wieder zu hören. Jules Dingler war der Konstrukteur des Panama-Kanals und hat dabei seine seine Frau und Kinder verloren, die dem Gelbfieber zum Opfer fielen. Nach ihrem Tod trieb Dingler ihre Pferde zu einer Klamm und erschoss sie dort. Ja, schon damals war GAZPACHO Erzähler von tragischen Geschichten
Doch die Band hat musikalisch eine große Wendung genommen. Nach und nach ist man zu einer hochanspruchsvollen Art-Rock-Band geworden, die sich qualitativ nicht mehr vor den einstigen Vorbildern MARILLION verstecken muss. Nein, GAZPACHO ist zu einer Referenz-Band für diesen wundervollsten Stil progressiver Musik geworden und vor allem Sänger Jan Henrik Ohme wird eine immer wertvoller werdenden Vergleichsgröße.
"Firebird" hieß das Übergangs-Album. Hier fing die Band an, breiter zu arrangieren, längere Songs zu schreiben, und es deutete sich an, dass man in Zukunft keine Kurzgeschichten mehr, sondern eher Romane erzählen würde. Ganz toll, dass es as eindringliche 'Vulture', einer meiner liebsten GAZPACHO-Songs, auf diese DVD geschafft hat.
Es folgten mit "Night" und "Tick Tock" zwei große Konzept-Alben, die Anfang und Ende der DVD gestalten. Das charakteristische Ticken hat schon oft die GAZPACHO-Shows eröffnet, baut es doch die wundersame, dunkel-melancholisch-schöne Stimmung auf. Erzählt wird von einem Erlebnis des französischen Autors Antoine de Saint-Exupéry, der bei einem Flug von Paris nach Saigon mit dem Flugzeug in der Wüste abstürzt und sich danach fragt, was denn die wahre Wüste ist: das normale Alltagsleben oder die endlosen Weiten der Sahara.
Ganz am Ende stehen zwei Songs von "Night", das vor allem von den Fans abgöttisch geliebt wird (hier sind die Worte eines "Night"-Liebhabers verewigt). Und diese Reise in die Grauzone zwischen Realität und Wirklichkeit ist auch für mich ein würdiger Abschluss eines brillanten Konzerts.
Im Zentrum des Auftritts und der DVD steht aber das aktuelle - und für mich beste Werk - "Demon". Niemals war der Song-Aufbau spannender, niemals Ohmes Gesang eindringlicher und niemals die kuschelig-geisterhafte Aura von GAZPACHOs Musik knisternder als bei dieser Vertonung einer gespenstischen Entität. Dabei kann ich auch gleich einen Fehler in meinem Review zur Scheibe korrigieren. Denn die Stimme aus dem dort beschriebenen "uralten Radio" ('I’ve Been Walking Part II') ist nicht Ohme selbst, sondern ein Grammofon-Sample, das selbstredend auch live verwendet wird. Klar, dass hier jede Abweichung von Klicktrack fatal wäre, doch GAZPACHO präsentiert seine Musik mit RUSH'scher Professionalität und Perfektion.
Natürlich dürfen auch "March Of Ghosts" und "Missa Anthropos" nicht fehlen, und GAZPACHO würdigt diese mit je zwei Songs. Ein Highlight der Phase, 'Splendid Isolation', handelt von einem Mann, der sich in einem Leuchtturm isoliert, um die Messe für Atropos, die älteste der drei Schicksals-Schwestern in der griechischen Mythologie zu schreiben. Nein, diese Geschichte hätte auch Großmeister Steve Hogarth nicht besser erzählen können.
Noch ein paar Worte zur DVD: Es gibt auf "Night Of The Demon" keine besonderen Gimmicks, die man eh nicht bräuchte. Man kann sich das Konzert anschauen und das ist alles. Dazu sollte gesagt werden, dass die Herren von GAZPACHO natürlich alles andere als Showmaker und Entertainer sind. Die Band konzentriert sich auf ein perfekte Umsetzung der Musik und lässt sich dabei voll in diese hinein fallen. Gerade die Person Jan Henrik Ohme würde man optisch eher in Weltverbesserungs-Algorithmen programmierend in dunklen Universitäts-Katakomben vermuten, als auf der Bühne und wirkt dabei wie ein Anti-Rockstar. Aber genau deswegen ist er das Zentrum und der Hingucker der Band. Der Mann hat eine tolle Stimme. Ein große Stimme. Eine, an die man sich erinnern wird, da bin ich mir sehr sehr sicher!
Und deshalb ist "Night Of The Demon" eine sehr wertvolle Anschaffung und zwar sowohl für GAZPACHO-Fans als auch für diejenigen, die es werden wollen. Einziges Ärgernis ist, dass vier Songs auf der CD-Version im Vergleich zu Video-DVD fehlen.
- Redakteur:
- Thomas Becker