ENRICHMENT - Reanimate
Mehr über Enrichment
- Genre:
- Modern Groove Metal
- ∅-Note:
- 7.50
- Label:
- Metalspiesser Records / Soulfood
- Release:
- 06.10.2017
- Prelude
- When Silence Breaks
- Crawl
- My War
- Reanimate Your Roots
- Pounding
- Obey (the truth inside)
- Nothing To Say
- Back Again
- I Swear
- I Stand Alone
- Angel Of Berlin
Kann denn ein Album (viel) zu fett klingen?
Kennt noch jemand Martin Kesici? Der durchaus rockende Castingshow-Gewinner von 2003, der sich mit allzu kommerziellen Hits ('Angel Of Berlin') vermarkten ließ und damit viele Sympathien in der Rockgemeinde verspielte – was in einem vom Publikum abgelehnten Wacken-Auftritt gipfelte? Doch der Berliner Kinnteufel hat schon immer betont, dass in ihm ein metallisches Herz schlägt, welches er mit "Reanimate" und seiner Sandkastenband ENRICHMENT nun mit Brachialgewalt wiederbelebt. Die gut fünfzig Minuten fühlen sich in der modernen Groove-Metal-Ecke sehr wohl und erinnern von der Attitüde her an Bands wie MACHINE HEAD, FORBIDDEN oder auch EKTOMORF.
Klar horcht der geneigte Rezensent zunächst auf die Stimme Kesicis, die eigentlich nicht wiederzuerkennen ist. Der junge Mann schreit und brüllt sich fast duchweg all seinen angestauten Frust von der Seele. In den großen Momenten ('Crawl') erinnert er gar an einen Russ Anderson, was meine Faust umgehend in die Höhe schnellen lässt. Wenn er dann doch mal melodische Töne anschlägt, hat das stets Energie und passt perfekt zum kraftvollen, rotzigen Rest. Der gesangliche Vortrag ist somit nicht schlecht, vor allem in allen Lagen sehr selbstsicher, aber für mich sind die eigentlichen Stars der Band die Gitarristen Vincent Laboor und Marco Neumann. Die Siebensaiter haben nicht nur viele starke Riffs am Start, sondern lassen vor allem in den zahlreichen Solopassagen ihr Können aufblitzen. Mal melodisch, mal als Flitzefinger unterwegs – und immer wieder: Arpeggien hier, Arpeggien da. Großes Kino. Die Songs sind allesamt auf einem guten Niveau, leben vom höllischen Groove und der ungebremsten Energie. 'My War' ist eine gelungene Verneigung an Rob Flynn und Kollegen, 'Crawl' schiebt wie die Hölle und wartet mit Tom Angelripper als Gastsänger auf, in 'Nothing To Say' weckt man selige Erinnerungen an PANTERA und auch TESTAMENT, mit 'Reanimate Your Roots' groovt die Band amtlich wie in den Neunzigern und beim verrockten 'Angel Of Berlin' betreibt Kesici eine wohl für ihn notwendige, für alle anderen eher überflüssige Vergangenheitsbewältigung. Die zehn Songs (plus zwei orchestrale Zwischenspiele) sind rund und stimmig, nur die ganz große Abwechslung und die prägnanten Refrains fehlen. Das ist sehr schade, denn "Reanimate" hat durchaus seinen Reiz, verliert sich aber gelegentlich in der eigenen Heaviness.
Kritisch muss auch die Produktion angesprochen werden, die durchaus modern und fett ist, sich aber ständig am Limit bewegt und kaum Luft zum Atmen lässt. Ich stehe auf laute, tiefe Klampfen, Hallelujah, doch das sind schwere Geschütze, die ENRICHMENT hier auffährt. Und wenn mein Kopfhörer sich schon von alleine bewegt, sollte ein Umdenken stattfinden. Hier darf es in Zukunft gerne ein bisschen weniger sein und auch das Schlagzeug könnte ruhig organischer klingen. Ansonsten ist das erste Album der Berliner ein gefundenes Fressen für alle Fans von fettem Neunziger Metal (ich nenne mal hier FORBIDDENs "Distortion" als Referenz) und sollte, ohne Scheuklappen konsumiert, mächtig an der Rübe drehen.
Anspieltipp: Crawl, My War, Nothing To Say
- Note:
- 7.50
- Redakteur:
- Chris Staubach