CRADLE OF FILTH - Nymphetamine
Mehr über Cradle Of Filth
- Genre:
- Black/Gothic Metal
- Label:
- Roadrunner
- Release:
- 27.09.2004
- Satyriasis
- Gilded Cunt
- Nemesis
- Gabrielle
- Absinthe With Faust
- Nymphetamine Overdose
- Painting Flowers White Never Suited My Palatte
- Medusa And Hemlock
- Coffin Fodder
- English Fire
- Filthy Little Secret
- Swansong For A Raven
- Mother Of Abominations
- Nymphetamine Fix
Die Wiege des Schmutzes liegt seit den frühen 90ern in good ol' England - seit diesen Zeiten treiben CRADLE OF FILTH fromme Kirchgänger und ultratrue Black-Metal-Heads zur Weißglut, ihre Fans zu verzückten Ausrufen. Ich weiß noch, wie ich das erste Mal diese Band hörte: Mit der zweiten Scheibe "Vempire" fing alles an. Gerade dieser Silberling klang 1996 wie Musik von einem anderen Stern, pompös, leicht kitschig, hart, böse, ein grenzenloses und mystisches Paralleluniversum aus Dani Filths Mörderstimme, fiesen Gitarren, harmonischen Keyboards und heftigen Drums. Kurz danach hörte ich die einzigartige Stimmung des Debüt-Albums "The Principle Of Evil Made Flesh" - seitdem bin ich bekennender CRADLE-Maniac, auch wenn die Jungs noch so viele Klamotten mit ihrem Logo verkaufen und nicht mehr den Provokationsgrad zu Zeiten eines göttlichen "Jesus Is A Cunt"-T-Shirts erreichen. Nun also das neue Werk, "Nymphetamine" mit Namen. Neuerfindung, Herausforderung, gar Verzückung?! Irgendwie von allem etwas ...
Nach dem orchestralen Meisterwerk "Damnation And A Day" und dem erneuten Labelwechsel vom Majorbrocken Virgin zu Roadrunner Records kommt "Nymphetamine" beim ersten Höreindruck etwas ruhiger, gothischer und nicht so überbordend-balladesk herüber. Gerade der Keyboard-Sound auf "Nymphetamine" klingt etwas dünner als noch das Orchester auf der letzten Scheibe. Doch liegt das Hauptaugenmerk der CRADLE-Mannen diesmal eben auch auf anderen Zutaten für eine geile Platte, etwa extrem melodischen Gitarrenparts wie am Anfang von 'Nemesis' - im selben Stück ist zudem ein herrlicher Refrain eingebaut ("Black is my heart, black is my heart ... " - unnachahmlich vorgeschrieen von Master Filth himself). Ähnlich genial kommt 'English Fire' mit seinen Chören im Hintergrund herüber, Gänsehäute ziehen bei diesen Melodien im Sekundentakt durch die Eingeweide, die Seele schreit ob solch' unverfälscht opulenten Pathos und Kitsches. Insgesamt 75 Minuten lang dürfen sich CRADLE OF FILTH kreativ ausgeleben, zehn Jahre nach ihrem Debüt erinnert aber immer noch viel an ihren alten musikalischen Stil: Die grausame und wandelbare Kreisch-Stimme von Dani, die filmreifen Zwischensequenzen, der Sinn für Pathos, die rasenden Black-Trips wie im genialen Opener 'Gilded Cunt'. Dazu kommen anno 2004 auch mal ein paar reinrassige Metalstellen wie in 'Filthy Little Secret'. Außerdem nutzen CRADLE OF FILTH diesmal wieder öfter verschiedene Stimmen; Dani darf in jeder Tonlage keifen, grunzen, hecheln, weinen - das Organ dieses Typen gleicht dem orgiastischen Vergnügen in einem übervollen Monster-Kabinett. Das "Mehr" an Stimme kommt auch von außen. Liv Kristine Espeneas Krull (LEAVES' EYES, Ex-THEATRE OF TRAGEDY) darf auf "Nymphetamine" auch mitträllern. Keine Angst! Eigentlich besitzt diese Frau eine verdammt nervende "Gäääätsch"-Stimme, doch gerade dieser überhelle Klang fügt sich nach einigen Hör-Irritationen recht geschmeidig in den düster-gothischen Sound von CRADLE OF FILTH ein. Außerdem ist die gute Liv nicht in jedem Song zu hören: Sie "veredelt" nur die ständig in der Stimmung schwankende Mini-Black-Oper 'Nymphetamine Overdose' und den sehr gothisch angehauchten Rauswurf-Song 'Nymphetamine Fix'. Experiment geglückt: In beiden Songs klingt es schön kunstvoll-verträumt-horroresk, wenn Liv mit Dani Filth im Duett säuselt - er als das hungrige Biest, sie als das süße Nymphchen, das auf Sex wartet - so etwas passt definitiv zum Image von CRADLE OF FILTH.
Was also ist diese CD? "Nymphetamine" ist ein geiles Album, das aber erst nach ein paar Höranläufen zünden will. Doch dann richtig, die britischen Majestäten regieren wieder beliebig über die Gefühle ihrer willenloses Hörer! Denn die typische CRADLE-Stimmung scheint an jeder Stelle der Platte durch, Titel wie "Absinthe With Faust" besitzen solch geile Riffs und so einen geschickten dramaturgischen Aufbau, dass nach ein paar mal Durchhören unweigerlich Filme im Kopf ablaufen. Gerade diese Fähigkeit haben CRADLE OF FILTH ihrer Konkurrenz aus Norwegen (inklusive DIMMU BORGIR) und dem Rest der Welt schon immer voraus gehabt: Kopfkino erzeugen. Leider sind der Promo-CD keine Texte beigelegt. Doch werden diese wohl nicht wesentlich von den lyrischen Großtaten vergangener Scheiben abfallen, Titel wie 'Medusa And Hemlock' oder 'Gabrielle' versprechen schon jetzt interessante Übersetzungsstunden voller mystischer Metaphern und schwer deutbarer Anspielungen auf Sagen und Epen. Dass daneben technisch gesehen auf "Nymphetamine" jedes Riff perfekt sitzt und jeder Trommelschlag seinen Zweck erfüllt, dürfte da fast schon mondklar sein, für die Schandtaten von CRADLE OF FILTH sucht sich Frontmann Dani nur die besten britischen Musiker aus: Keyboarder Martin Powell hat zum Beispiel früher bei MY DYING BRIDE die Violine gestreichelt. Nur bei dem Cover kann man sich streiten: Wer ist diese Frau? Liv Kristine? Eine mutmaßliche Nymphe im Feuer der Begierde?! Oder hat das Mädel einfach eine Überdosis "Nymphetamine" genommen? Oder ist das etwa die 'Mother Of Abominations', die im gleichnamigen Wahnsinns-Stück rasend schnell und unglaublich druckvoll beschworen wird? Egal! Wenn das Hören dieser Musik in solch leidenschaftlichen Flammen endet, sollte man diese Platte vielleicht gar nicht erst in den CD-Player stecken. Denn "Nymphetamine" macht spätestens nach dem fünften Genuss süchtig ...
Anspieltipps: Wiederum ein Gesamtkunstwerk aus dem Hause CRADLE OF FILTH. Als herausragende Tracks seien 'Gilded Cunt', 'Absinth With Faust', 'English Fire' und 'Mother Of Abomination' empfohlen.
- Redakteur:
- Henri Kramer