Wacken Open Air 2009 - Wacken

19.08.2009 | 21:53

04.08.2009, WOA-Wiese

Ein Wacken der Rekorde war es in jedem Fall. Und ein Wacken, bei dem das Wort "Schweinegrippe" eine besondere Rolle spielte. Dazu machten noch rund hundert Bands auf mehreren Bühnen so viel Alarm, dass unmöglich alle zu sehen waren. Das Ergebnis: ein grandioses Wochenende, das dennoch auch Makel hatte.

Das Treiben beginnt in diesem Jahr schon Mittwoch, bei einem eigentlich auf zwei Tage ausgelegten Festival also "Day -1". Und auch da sind schon Zehntausende da, die den Acker und die dort aufgestellten Dixis bevölkern. Und natürlich vor den Bühnen der Wet-Zelt-Stage und der ganz neuen Mittelalter-Bühne stehen. Speziell letzteres Areal bietet nicht nur Bandbretter, sondern ein Wikinger-Dorf im Wacken-Charme mit Schwertkämpfen und allerlei mittelalterlichen Tand an den Ständen. Doch zunächst spielt die Musik auf der Wet Stage.
[Henri Kramer]

Nach der Coverband VICTIMS OF MADNESS, die bei jedem Auftritt ihre Besetzung wechselt, entern BAI BANG die Bühne. Schon jetzt ist das Zelt gut gefüllt. Kein Wunder, nach Tagen auf dem Campinggelände sind die Langzeitbesucher froh, dass es endlich losgeht. So starten auch gleich die ersten Stagediver ihren Ritt über die Headbanger. Doch der Funke springt noch nicht so ganz über. Zwar bemüht sich Band und die Zuschauer gehen dankbar auf jede Anregung ein, doch insgesamt ist das noch zu wenig.

Ganz anders ist das bei der angekündigten Secret Show. FREI.WILD besteigen die Bretter und wollen nur eins: feiern! Und das ohne sich über Politik Gedanken zu machen, was sie mit dem Song 'Vollidioten' ausdrücken. Denn im Vorfeld musste sich die Band mit dem Vorwurf befassen, sie sei rechtsradikal. Dass nicht jede Band mit deutschen Texten zwangsweise rechts oder links sein muss, beweisen die Jungs mit ihren Partysongs, in denen es um 'Alkohol' und 'Südtirol' geht. Im vorderen Teil schwingen die ersten Fans das Tanzbein. Vor allem das Cover des BEATLES-Songs 'Let It Be' mit dem Text 'Ich bin voll' sorgt für Stimmung. "Danke" möchte man für diesen gelungenen Secret-Act sagen.
[Pia-Kim Schaper]

Ein Pflichttermin ist aber eben auch der Besuch des Wiki-Lagers und der dortigen Stage, ein Gig von FEJD steht an. Wer deren Auftritt auf dem Hörnerfest gesehen hat, der weiß: Da muss man hin und nicht nur wenn man Pagan-Fan ist. Denn FEJD spielen nicht nur Pagan, sondern eine Art schwedischen Folk - und zwar so, dass man dazu sogar headbangen kann. So ist es auch nicht verwunderlich, dass es vor der Wiki-Stage richtig voll ist. Zu Songs wie 'Storm' versuchen sich zwar nicht viele beim mitsingen - sind ja auch schwedische Texte - doch gut kommen die Nordländer allemal rüber. Und wenn Sänger Patrick Rimmerfors seine selbstgebauten Instrumente spielt, richten sich sowieso alle Blicke auf ihn und etwa seine Flöte. Hochachtung. Bei der Zugabe setzen sie auch noch ihre selbst gestrickten Wiki-Mützen auf, da sind FEJD auch noch ein doppelter Hingucker. Leider müssen sie am selben Abend zurück nach Schweden, die Arbeit ruft. Schade.
[Wolfgang Kuehnle]

Derweil staut es sich draußen. Der Auftritt der AC/DC-Coverband BON SCOTT steht an. Alles ist voll in der Wet-Stage. Und die Songs der Veteranen werden mächtig abgefeiert. Das ganze Partyzelt singt Stücke wie 'Dirty Deeds' und 'Highway To Hell' mit – ein eindrucksvolles Erlebnis samt Gitarrensolo. Und wer nicht mehr ins Zelt passt, macht eben draußen Party: Im Matsch vor dem Zelt starten ein paar Fans einen kleinen Pogo.

Saufkumpane ONKEL TOM nutzt den Namen der Band gleich zur Überleitung zu 'Ich hab Bon Scott live gesehen'. Die eigentliche Feier beginnt schon vor dem Auftritt des Mannes von SODOM: Sprechchöre schallen durch die Luft. Die Stage verwandelt sich schnell in ein Bierzelt. Die Songpalette reicht von 'Bier her!' bis 'Hofbräuhaus'. Überall ist Bewegung drin – einige pogen, andere springen, und alle singen mit. Ein paar Fans klettern sogar auf die Halterungen des Zelts. Entertainer ONKEL TOM fordert das Publikum auf, sich seine CDs nicht zu kaufen, sondern das Geld lieber hier und heute zu versaufen. Nur leider ist die Luft mittlerweile aufgeheizt, dass der Schweiß von der Stirn rinnt und es sich kaum noch atmen lässt. Doch das macht nichts, denn draußen wird genauso gefeiert wie drinnen.
[Pia-Kim Schaper]

Wenn kurz darauf Metalheads zu Schlager- oder Techno-Weisen abgehen, kann es sich nur um Musik von MAMBO KURT handeln. Mittlerweile gehört er zum festen Inventar des Festivals, und jeder kennt ihn. Ob er den Auftritt von ONKEL TOM toppen kann? Das Zelt ist zwar nicht mehr so brechend voll, doch die Stimmung ist geblieben, denn schließlich ist er DER Meister aller Heimorgeln.

Gestartet wird mit Deutschlands härtester Metalband, SCOOTER, und die Menge grölt gleich zünftig mit. Danach erklingen viele altbekannte Lieder, beispielsweise 'Engel' von RAMMSTEIN oder 'Smells Like Teen Spirit' von NIRVANA. Irgendwann, als die Orgel nur noch vor sich hin dudelt, schmeißt sich MAMBO KURT in die Menge und lässt sich von ihr tragen. Die Anwesenden freut es, und wohlbehalten kommt er auf die Bühne zurück. An sich gibt es ja keine große Bühnenshow, und deswegen hat er zum Jubiläum einen Commodore 64 ersteigert, um damit mal etwas anderes zu präsentieren. Es spielt 'Remmidemmi (Yippie Yippie Yeah)' von DEICHKIND, zu dem wieder gefeiert wird. Bei 'Musik ist Trumpf' startet die obligatorische Polonäse und jetzt ist fast das ganze Zelt unterwegs. Im Anschluss beglückt er die Menge zum zwanzigjährigen Jubiläum mit 'Let The Hammer Fall'. Der Song hat Premiere, er wird ausschließlich zum Jahrestag und danach nur alle zwanzig Jahre gespielt. Das ist den Leuten im Moment egal, denn sie feiern weiter ihre Party und fordern mehr, da sich MAMBO KURT schon verabschiedet. Selbstverständlich kommt er wieder - mit einem großen Hammer. Damit schlägt die letzte Stunde für seine Heimorgel, denn erbarmungslos drischt er darauf ein, dass die Tasten nur so fliegen. Das Geschehen wird anständig mit Applaus gewürdigt. Doch wie soll nun eine Zugabe folgen? Kein Problem, er greift zum Umhängekeyboard. Auch die Unterhaltung mit dem Instrument soll es nur wegen des Wacken-Geburtstags geben. Er erklärt, dass es ein Problem mit dem Teil gibt, denn jedes Lied, das er darauf spielt, klingt wie 'Take On Me' von A-HA. Das soll es aber gar nicht geben, sondern zu dessen Melodie ertönt 'Mexico' von den BÖSEN ONKELZ. Einfach genial, wie der Meister diese beiden Klassiker verwurstet. Dazu wird fleißig mitgesungen, und unter lang anhaltendem Applaus verabschiedet sich Kurti für heute von seinen Fans.
[Swen Reuter]

Ebenso schon jetzt steht eines fest: Um die Schweinegrippe macht sich keiner Gedanken. Hatte doch tatsächlich das Gesundheitsministerium von Schleswig-Holstein die Besucher dazu aufrufen wollen, während des Festivals auf "enge" Begrüßungen mit Umarmungen, Wangenküssen und Handschlag zu verzichten. Und auch das Trinken von mehreren Leuten aus einer Flasche habe besser zu unterbleiben. Ja, klar. Befolgt jetzt schon jeder.
[Henri Kramer]

Redakteur:
Henri Kramer

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