Wacken Open Air 2002 - Wacken

16.08.2002 | 14:19

01.08.2002,

FREITAG - W.E.T.-Stage


ANTAGONIST

"Himmel, ich bin zu spät!" schoss es mir durch den pflichtbewussten Kopf, als ich um 11.45 Uhr zum Eingang kam und dort eine enorme Menschenmasse auf Einlass wartete. ANTAGONIST sollten um 12 Uhr beginnen, und nun musste ich mich noch einige Zeit gedulden. Als ich dann eine halbe Stunde später durch den Sumpf zur W.E.T.-Stage gestapft war, war man auf der Bühne noch mit Aufbauarbeiten beschäftigt. Bei der Technik erkundigte ich mich und bekam mitgeteilt, dass ANTAGONIST erst gegen 13 Uhr anfangen würden. Klasse; mal wieder Hektik für nichts. Das Zelt füllte sich so langsam, und immer mehr JUSTICE-T-Shirts bekam ich zu Gesicht; kein Wunder, denn die sollten ja um 13.15 Uhr anfangen. Diese enorme Verspätung war nun wirklich kein gutes Omen für die Band aus Bremen, denn die versammelte JUSTICE-Fangemeinde begann denn auch vor und während des Gigs lautstark nach der erwarteten Band zu verlangen. ANTAGONIST machten das Beste aus ihrer Situation; sie hatten allerdings neben den Leuten, die eine andere Band sehen wollten, noch mit miesem Sound und einem angeknacksten Knöchel des Sängers zu kämpfen. Das wirklich gute Schlagzeuggewitter, was man wohl eher als Sturm bezeichnen könnte, stand im Vordergrund, die kraftvolle Stimme wurde leider nur allzuoft von den anderen Instrumenten in den Hintergrund gedrängt, und eine Melodieführung war nicht wirklich erkennbar, was entweder daran lag, dass einfach ein zweiter Gitarrist fehlte, oder dass gar keine vorgesehen war. Diejenigen Leute, die auf den aggressiven Trash / Death Metal (und das um diese Uhrzeit) abfuhren, schwangen auch schon eifrig die Köpfe, aber so richtig wollte keine gute Stimmung aufkommen. Ich für meinen Teil war nun zumindest wirklich wach! ANTAGONIST hatten in Wacken sehr schlechte Voraussetzungen, und vielleicht geben diejenigen Leute, die ihren Sound mögen, ihnen mal andernortes eine neue Chance, verdient haben sie das allemal.
[Hjalana]


JUSTICE

Obwohl JUSTICE erst eine richtige Platte ("Hammer Of Justice") rausgebracht haben, werden sie der Bezeichnung Kultband durchaus gerecht, und es herrschte ein Andrang wie auf dem Jahrmarkt. Bereits bei den vorher spielenden ANTAGONIST hallten immer wieder "Justice"-Sprechchöre durchs Zelt und selbst beim Einsingen des Mikros erklang ständig ein lautstarkes Echo. Wie sich später herausstellte, kamen auch noch 95% der Anwesenden aus Süddeutschland, was einfach daran lag, dass JUSTICE dort seit Jahren als Cover-Band durch die Gegend tingeln und sich damit eine nicht unwesentliche Fan-Schar erspielen konnten. Doch hier in Wacken gab man keine Cover-Versionen zum Besten (bis auf "Street Justice", das augenzwinkernd als TWISTED SISTER-Cover angekündigt wurde), sondern eben jene Songs des ersten Langeisens mit komplett eigenem Material. Und man schaffte es tatsächlich, diese CD (in veränderter Reihenfolge) komplett einmal durchzuspielen. Das waren im Ganzen 13 Songs, darunter Highlights wie "Total Blackout", "Future Oppressions", "That´s The Living In Me" und "Highschool Death". Müßig zu erwähnen, dass die Fans ihren Jungs förmlich aus der Hand fraßen und nebenbei einen für Zeltverhältnisse übermäßig großen Moshpit verursachten. Dadurch ließ man sich allerdings zu sehr ausschweifenden Ansagen verleiten (über zehn Minuten, wenn man die Länge der CD mit der Auftrittsdauer vergleicht) und ließ sich für meinen Geschmack etwas zu sehr feiern. Ansonsten: feine Show.
[Stephan]


WITHERING SURFACE

Irgendwie stellte sich so langsam die Frage, warum das Zelt eigentlich Wet-Stage (na, eigentlich ja W.E.T.-Stage - Martin) hieß, war es doch der trockenste Platz auf dem ganzen Festivalgelände. Aber nicht nur dieser Umstand machte das Verweilen dort sehr angenehm, denn mit WITHERING SURFACE hatte sich ein echt geiler Act aus unserem Nachbarland Dänemark angekündigt. Sie konnten zwar wohl eher als Geheimtipp durchgehen, aber die Band hat einfach schön knackige und doch eingängige Songs parat, die irgendwo zwischen SENTENCED und DARK TRANQUILLITY liegen. Bis auf wenige Ausnahmen ("Breed What You Kill" kam nicht so richtig rüber) war auch der Sound schön differenziert, wenn auch nicht ganz die selbe mitreißende Wirkung wie beim Hören der Platte erzielt werden konnte. Hauptsächlich konzentrierte man sich natürlich auf das neue Machwerk "Walking On Phantom Ice", das insgesamt gleich fünfmal (u.a. "Separation", "Joyless Journey", "Night Of Shame") gewürdigt wurde. Je länger WITHERING SURFACE auf der Bühne standen, um so besser wurden die Reaktionen im Publikum, was sicherlich ein weiterer Beweis für die Qualität ist, die in der dänischen Truppe steckt. Beim nächsten Mal spielen die auf der Hauptbühne, da bin ich mir ganz sicher.
[Stephan]


HEAVENLY

So gegen 17 Uhr betraten dann endlich HEAVENLY die W.E.T.-Stage, also mit über einer Stunde Verspätung, was aber nicht an HEAVENLY lag, sondern daran, dass die Konzerte im Zelt nicht wie geplant um 12 Uhr, sondern erst um 13.15 Uhr begonnen haben. Die meisten Fans hatten dies aber wohl auf irgendeinem Wege erfahren, und so fand ich mich in einem vollgestopften Zelt wieder. Zunächst gab es ein vom Band eingespieltes Intro zu hören, bei dem die Musiker nach und nach auf die Bühne kamen, nur Sänger Benjamin Sotto fehlte noch. Als der dann aber kurz darauf angewirbelt kam, dachte ich mir zunächst: Das kann ja mal was werden - gerade metallisch sieht der ja mal nicht aus, mit den angegelten kurzen Haaren! Doch dieser Eindruck verflog rasch, als er dann endlich anfing zu singen: Da meinte man doch fast, eine Wiedergeburt von Mike Kiske auf der Bühne stehen zu sehen. Nur in den tieferen Tonlagen, in denen Sotto glücklicherweise nur selten wandelte, klang seine Stimme so dünn, dass sie von dem Bass-Drum-Gewummer fast übertönt wurde. Ansonsten gaben die Jungs vollen Einsatz und brachten die Meute mit Songs wie "Riding Through Hell", "Condemned To Die" und "Time Machine" zum Hüpfen, Klatschen und Toben.
[Ulrike]


FLESHCRAWL

Im Programmheft zum diesjährigen Festival wurde der Schwaben-Fünfer FLESHCRAWL sinngemäß als derzeitiges Aushängeschild der deutschen Death Metal-Szene bezeichnet. Mit dieser Aussage liegt der Verfasser goldrichtig. Deshalb ist es doch etwas verwunderlich warum man den Crawlern nicht die Chance offerierte, sich als Band aus heimischen Landen auf einer der drei Haupt-Bühnen vor einem größeren Publikum zu präsentieren anstatt lediglich auf der kleinen W.E.T.-Stage. Nichtsdestotrotz, der Band schien es jedenfalls egal zu sein, auf welchen Brettern sie ihr Unwesen treiben durfte, denn schon ab dem Opener "As Blood Rains..." herrschte Ausnahmezustand auf und vor der Bühne. Mit einer unglaublichen Spielfreude, allen voran Fronter und Schwaben-Schwede Sven Gross, und sehr druckvollem Sound präsentierte man sich dem frenetischen Publikum, das sich mehr als zahlreich unter dem Zeltdach versammelt hatte. Beeindruckend auch, wie der gerade mal zwanzig Lenze zählende Neuzugang an der Klampfe, Oliver Grbavac, seinen Live-Einstand bestritt. Ohne einen Anflug von Lampenfieber bewältigte der Zwei-Meter-Hüne den 45-minüten Set spielerisch. In Sachen Songauswahl griff man auf eine altbewährte Mischung aus Stücken der letzten drei Scheiben zurück, wobei mit "Dying Blood" und "The Forthcoming End" zwei eher langsamer Stücke vom "Soulskinner"-Album integriert wurden, die in der Vergangenheit nicht unbedingt zur ersten Wahl in Sachen Liveset zählten, trotzdem aber hervorragend beim Publikum ankamen. Somit war es dann auch kein Wunder, dass man den Fünfer nach getaner Arbeit mit lautstarken "Fleshcrawl, Fleshcrawl"-Sprechchören in den wohlverdienten Feierabend verabschiedete, der allerdings für meine Begriffe leider etwas zu früh kam - viel zu früh! Fazit: Man sieht sich nächstes Jahr auf der Black-Stage - keine Frage!
[Oliver]


ALABAMA THUNDERPUSSY

ALABAMA THUNDERPUSSY? Böhmische Dörfer? Bahnhof? Wer, was bzw. warum, wie,...? Fragen über Fragen und keine Antworten. Gute 80% derer, die kurz zuvor FLESHCRAWL sahen, waren nicht Willens aufgeklärt zu werden, sondern verließen schlagartig den Ort des Geschehens. Meinereiner war ebenso versucht Richtung SAVATAGE abzuwandern, denn wer will sich schon eine Band reinziehen, die er nicht kennt, wo doch der Mountain King und Co. mit Aushilfsklampfer Jeff Waters einige Meter weiter Metal vom Feinsten zelebrierten. Wie gesagt, die Versuchung war groß, wäre da nicht ein kleiner Rest an Neugier gewesen, der mich zurückhielt... Tja, da stand ich nun und war vom ersten Ton an geplättet, gerädert und gleichzeitig gevierteilt von den "Donnerfotzen". Es schien als ob die Jungs gar nicht bemerkt hätten, dass nur noch ein kläglicher Bruchteil an Publikum übrig war, wobei das Gros von diesem sicher noch immer im unklaren darüber war, wer dort überhaupt auf der unförmigen Holzbretter-Bühne stand. Dort oben wurde währenddessen in einem mörderisch brachialen Sound gerockt, gedoomt und arschgetreten, was das Zeug hielt, und mit hundertprozentiger Sicherheit ließ der arschgeile Auftritt von ALABAMA THUNDERPUSSY den einen oder anderen Act auf den großen Bühnen mehr als alt aussehen (ich sage nur NUCLEAR ASSAULT (da gehen die Meinungen wohl auseinander?!? - Martin). Als dieser Gewittersturm nach 45 Minuten vorbei war, wunderte mich nur noch eins: Wieso steht die Bühne noch? Für mich war das US-Quintett aus dem Bundesstaat Virginia in jedem Fall eine mehr als positive Überraschung auf dem diesjährigen Wacken Open Air. Einfach nur geil!
[Oliver]

Manchentags hat man es als Redakteurin auf dem Wacken nicht gerade einfach; die Organisation auf der W.E.T.-Stage war am Freitag eine absolute Katastrophe. Es ging gleich mit einer Stunde Verspätung mittags los, dann kam noch ein Tausch zweier Bands dazu, und ich stiefelte schließlich dreimal zum Zelt, um herauszufinden, wann ALABAMA THUNDERPUSSY denn nun spielen würden. Mit zweistündiger Verspätung brachte der Termin dann meine übrige Planung durcheinander, und wenn ich ehrlich bin, ist der althergebrachte Rock, den ATP spielen, nicht gerade meine bevorzugte Stilrichtung. Nun, ich war tapfer und ließ es auf mich zukommen. Wie fast alle Bands an diesem Tag auf der W.E.T.-Stage hatten die Amerikaner das Los, dass durch die Verspätungen kaum die richtigen Fans vor der Bühne standen. In diesem Fall sammelte sich langsam, aber sicher die MOB-RULES-Meute und die meisten waren vom Rotz Rock (was wohl die beste Übersetzung von "dirty kick-ass Rock ´n´ Roll" ist), den sie um die Ohren geprügelt bekamen, nicht gerade begeistert. Direkt vor der Bühne allerdings fand sich ein kleiner, gemütlicher Pulk ein, der ATP herzlich feierte und fröhlich mitgröhlte. Imposant sieht die Band aus Richmond, Virginia, ja schon aus; speckige Jeans beherrschen das Bild, und es ist wahrlich schwer, vom Gitarristen ein Stückchen Gesichtshaut zu entdecken, das weder von Haaren, Bart oder Sonnenbrille verdeckt ist. Im Grunde fühlt man sich beim Anblick dieser Jungs in die frühen Siebziger zurückversetzt, und ähnlich mutet auch ihr Klangbild an, das z.B. an BLACK SABBATH oder DEEP PURPLE erinnert. Eingängige Rhythmen, urige Sounds und eine eindrucksvolle, kräftige Stimme sorgten für gute Stimmung in der kleinen Fangemeinde, aber die Tatsache, dass die Songs nicht gerade für Abwechslung sorgten, brachte Unmut bei den Wartenden zum Vorschein, der sich allerdings fairerweise nur in Stirnrunzeln und größeres Gedränge an der Theke äußerte. Generell bin ich der Meinung, dass die Band größeren Anklang gefunden hätte, wenn man während des Gigs Freibier ausgeschenkt bzw. der Auftritt in den späteren Abendstunden stattgefunden hätte, wo der gemeine Metalfan ohnehin einen erhöhten Blutalkoholwert aufweist. Ich für meinen Teil musste mich nicht langweilen, sondern fand reichlich Ablenkung im Anblick des durchweg leicht bekleideten männlichen Barpersonals. So war es dann letztlich doch ein ganz netter Auftritt!
[Hjalana]


MOB RULES

Laut neuester Running Order sollten nun um 20.45 Uhr MOB RULES auftreten, jedoch rechneten die Festival-Besucher um diese Zeit bereits mit der nächsten Band, da niemand in der Lage gewesen war, die total veränderte Running Order draußen am Zelt oder an einer anderen gut einsehbaren Stelle anzubringen. So schmetterten fast über die Hälfte der Anwesenden den Jungs von MOB RULES ihr "Eisregen"-Geschrei entgegen, was die natürlich nicht gerade ermutigte. Irgendwann fingen MOB RULES dann einfach - ohne ein Wort der Erklärung an die EISREGEN-Fans - an zu spielen. Spätestens als Klaus Dirks dann seinen melodischen Power Metal-Gesang zum Besten gab, merkten die Fans von EISREGEN, dass sie hier nicht ganz richtig waren und verließen zum Teil empört das Zelt. Der Rest blieb da und einige meinten immer wieder, sie müssten den MOBs den Stinkefinger zeigen. Auch mit der Technik hatten sie kein Glück und so hörte man jedesmal einen schrecklichen Pfeifton, sobald sich der Gitarrist den Boxen näherte. Doch gänzlich schlecht, wie es jetzt vielleicht erscheinen mag, war der Gig dann doch nicht und bei Songs wie "Outer Space", "Celebration Day" und "Unknown Man" machten die ebenfalls anwesenden MOB RULES-Fans gut mit. Auch "Lord of Madness", ein neuer Song von der Scheibe "Hollowed Be Thy Name", die am 30. September in den Handel kommt, war mit im Set. Die beiden besten Songs "End Of All Days" und "Rain Song" von der "Savage Land" hatten sich MOB RULES jedoch bis zum Schluss aufgehoben und wurden dafür auch gebührend beklatscht.
[Ulrike]


PRIMORDIAL

Ja, ja, die ewigen Verschiebungen... Dieses Jahr war es irgendwie besonders schlimm, könnte aber auch daran liegen, dass ich diesmal besonders betroffen war. PRIMORDIAL wollte ich nämlich auch unbedingt sehen, schließlich ist das neue Album "Storm Before Calm" eine absolute Lehrstunde in Sachen epischer Folk Black Metal. Wenn allerdings ein paar Bekannte mich nicht darauf aufmerksam gemacht hätten, dass PRIMORDIAL mit EISREGEN getauscht hatten, dann hätte ich wohl noch nicht mal die zwanzig Minuten, die mir schlussendlich noch vergönnt waren, miterlebt. Mal abgesehen vom eher mal nicht so prallen Sound (in der undifferenzierten Gitarrenwand gingen doch einige Feinheiten unter) konnten PRIMORDIAL mit Krachern wie "Sons Of The Morrigan" absolut überzeugen und ordentlich Stimmung verbreiten. Schon nach den ersten Takten nimmt einen die Stimmung der Musik gefangen und reißt einen mit. Dazu kam noch das sehr engagierte Stage-Acting der Band, vor allem Sänger Alan Avirill Nemtheanga bot eine sehr gute Leistung. Ein cooler Auftritt, bei dem mir nur die ständigen Rufe der intoleranten EISREGEN-Fans ziemlich auf die Nerven gingen.
[Herbert]


Redakteur:
Martin Schaich

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