WIND ROSE, ALL FOR METAL, SEVEN KINGDOMS - München

24.09.2023 | 11:52

20.09.2023, Backstage Werk

Die Zwerge kommen! Dabei: Gröl-Orks und Glitzer-Elfen.

Während im Süden der Stadt der Wahnsinn in Form eines internationalen Traditionsfestes tobt, treffen sich im Münchner Backstage heute Menschen mit gutem Geschmack. Im größeren Backstage Werk wird der eher traditionelle Metal-Hammer geschwungen, denn hier geben sich SEVEN KINGDOMS, ALL FOR METAL und WIND ROSE die Ehre. Im Club auf dem gleichen Gelände, schräg gegenüber, erklingen modernere Klänge in Form von THE OAKLAHOMA KID und AS EVERYTHING UNFOLDS. Und wie es der Zufall so will, sind wir von POWERMETAL.de bei beiden Veranstaltungen am Start, wobei der geschätzte Kollege Noah-Manuel Heim den Club übernimmt.

Überraschend für mich ist die recht lange Schlange vor dem Backstage. Im Vorfeld war das Konzert von WIND ROSE zwar aufgrund des guten Vorverkaufs von der kleineren Halle ins Werk verlegt worden. Doch dass die 1200 Zuschauer fassende Location gut gefüllt ist, zeigt, wie schnell die Italiener in relativ kurzer Zeit an Bekanntheit gewonnen haben.

 

SEVEN KINGDOMS - die Fast-Food-Discokugel

Doch bevor die Zwerge die Bühne entern, darf SEVEN KINGDOMS ran. Die Band um die Frontfrau Sabrina Valentine bringt energetischen, melodischen Power Metal auf die Bühne. Valentine ist ein echter Hingucker. Sie schafft es nicht nur, mit ihren Händen, die gleichzeitig das Mikro halten, Herzen zu formen – macht das mal, das ist schwieriger, als es klingt – sondern vor allem ihre Kleiderwahl ist spektakulär: Glitzerkleid und Burger-Schlappen machen sie zur Fast-Food-Discokugel des Abends.

Auch wenn die Band aus dem US-Bundesstaat Florida stammt, muss der Fast-Food-Vergleich spätestens bei der Musik enden. Die Songs schallen im groovigen Mittempo aus den Boxen, nehmen zwischendurch aber auch durchaus Fahrt auf. Instrumental wird solide Kost geboten, die Soli tönen US-typisch, die Band spielt tight. Vor allem ist es aber der quirlige Singvogel Valentine, der den Sound zusammenhält und mit einer Extraportion Charme versieht.

Das Münchner Publikum nimmt die weitgereisten Metaller, die zuletzt vor zehn Jahren in der Region waren, gut auf und feiert sie gebührend. Mein einziger Kritikpunkt ist, dass die Keyboardsounds und der Bass vom Band kommen. Das wird aber nicht nur für diese Band gelten ... aber dazu später mehr.

Setliste: Universal Terrestrial; Chasing The Mirage; Life Signs; Valonqar; Love Dagger; Magic In The Mist; A Silent Remedy; Diamond Handed; In The Walls

 

 

ALL FOR METAL - Triumphzug der Hymnen-Hünen

Hört man sich in der Szene um, ist ALL FOR METAL noch nicht jedem ein Begriff. Der wesentliche Reiz der Band liegt im Zusammenspiel der beiden Sänger: Auf der einen Seite der hünenhafte Gröl-Ork Tetzel (vielleicht bekannt durch seine Stammband ASENBLUT) und der Träller-Elf Antonio Calanna (DEVICIOUS). Dazu kommen nahezu perfekt zum Mitsingen geschriebene Songs im Fahrwasser von MANOWAR und Konsorten. In unserer Gruppentherapie löste das Album "Legends" gemischte Gefühle aus. Ich war recht angetan, fand aber den Gesang von Tetzel als Schwachpunkt. Jetzt war ich gespannt, wie die Band die Songs auf die Bühne bringt - und wie das Publikum die Hymnen aufnimmt.

Sagen wir mal so: Die Phase des Fremdelns dauert nicht lange. Schon beim zweiten Song 'Fury Of The Gods' und spätestens bei 'Raise Your Hammer' singt das Publikum mit. Wenn man die Reaktion der Band interpretieren will, dann würde ich eine gewisse Überraschung über die so positive Reaktion des Publikums vermuten. Immerhin handelt es sich um den Tourauftakt und eine gewisse Unsicherheit dürfte im Vorfeld mitgeschwungen haben.

Flankiert werden Hüne und Nachtigall von zwei Gitarristinnen, die ihre Sache weitgehend gut machen. Während Jasmin Pabst ihre Soli nahezu perfekt spielt, greift Ursula Zanichelli das eine oder andere Mal daneben. Ob es daran liegt, dass sie von Tetzel mitten im Solo von einem Podest auf das andere getragen wird? Hinter Masken verbergen sich Bassist und Schlagzeuger.

Um es kurz zu machen: Der Auftritt von ALL FOR METAL wird zum Triumphzug. Das liegt auch daran, dass Tetzels Gesang live viel kraftvoller aus den Boxen schallt als auf Platte und sich die Sänger dadurch besser ergänzen, was die Songs spannender macht. Und wenn mir Kollege Andre "die Linse" Schnittker während des Konzerts schreibt, dass die Band Headliner-Qualitäten hat, kann ich dem nur zustimmen: sie sind gut drauf, haben das richtige Material und wirken sehr sympathisch. Lediglich bei den sehr intensiven Werbeblöcken für den eigenen Merch geht ein genervtes Raunen durch das Publikum. Hier täte die Band gut daran, etwas weniger mehr sein zu lassen.

Setliste: All For Metal; Fury Of The Gods; Raise Your Hammer; Born In Valhalla; Prophecy Of Hope; Mountain Of Power; Hear The Drum; Legends Never Die; Run; Goddess Of War


WIND ROSE - die Söhne von SABATON und Schneewittchen

Würde Schneewittchen in Moria leben und ein paar Kinder mit Joakim Brodén von SABATON haben, würde das Produkt wohl WIND ROSE heißen. Richtig bekannt wurden die Italiener mit ihrer Interpretation der Minecraft-Hymne 'Diggy Diggy Hole' und auf dieser viralen Welle reitet die Band nun auf ihrer ersten Headliner-Tour.

Die Musik lebt einerseits von epischen Melodiebögen und andererseits von Francesco Cavalieris markanter Stimme. Hinzu kommt der thematische Fokus auf die Zwerge aus Fantasy-Welten wie "Herr der Ringe". Dieses Konzept bringt die Band auch live eindrucksvoll rüber. Das von den Vorbands bereits ausreichend angeheizte Publikum feiert die Italiener von der ersten Sekunde an und bleibt bis zum Ende des Konzerts dabei.

Unterstützt von einer imposanten Lichtshow und einer LED-Leiste am Schlagzeugpodest, auf der zu den Songs passende Bilder und Videos gezeigt werden, bietet WIND ROSE auch etwas fürs Auge. Dass Cavalieri nicht nur am Mikrofon überzeugt, sondern auch optisch der - zugegeben hübschere - Bruder von Tolkiens Gimli sein kann, rundet das Gesamtbild ab.

Die anwesenden Fans freuen sich, dass die Band mit ausreichend Spielzeit Songs quer durch ihr Schaffen präsentieren kann. Es wird mitgesungen, geschunkelt und in der Mitte der Menge tummeln sich immer wieder Fans in Moshpits. Höhepunkt der Publikumsliebe ist jedoch der Ruder-Pit, bei dem fast der gesamte Mittelraum pantomimisch rudert. Die positive Energie überträgt sich auch auf die Band und irgendwann habe ich den Eindruck, dass Cavalierie sein Dauergrinsen gar nicht mehr zu unterdrücken versuchen.

All das mündet in den Song, auf den alle gewartet haben: Bei 'Diggy Diggy Hole' singen alle, wirklich alle - bis auf die mürrische Dame am Essensstand vielleicht - mit. Und als der Metalsong in einen Rave mündet, kann selbst der Balrog nicht mehr stillstehen.

Am Ende strömt das Münchner Publikum müde, verschwitzt und heiser, aber glücklich in die Spätsommernacht.

Setliste: Army Of Stone; Fellows Of The Hammer; Drunken Dwarves; Mine Mine Mine; Gates Of Ekrund; The King Under The Mountain; The Battle Of The Five Armies; The Art Of War; Tales Of War; Together We Rise; Diggy Diggy Hole


Karaoke oder nicht - das ist hier die Frage

Ich stehe immer noch am Eingang und muss mich über eines wundern: Alle Bands hatten heute jede Menge Tonspuren im Gepäck, die vom Laptop abgespielt und nicht live performt wurden. Bei SEVEN KINGDOMS hatte ich das schon beschrieben. ALL FOR METAL hatten Chöre, Keyboards und sogar zweite Gesangs-Stimmen vom Band dabei, während keiner der beiden Sänger gesungen hatte. Bei WIND ROSE gab es einen Keyboarder, aber die Chöre kamen vom Band. Die beiden Saitenhexer standen ständig am Mikrofon und taten ihr Bestes, um zu kaschieren, dass einige Tonspuren vervielfacht wurden.

Ich frage mich: Stört nur mich dieser Retortensound? Und: Was ist eigentlich der Sinn von Live-Auftritten? Erwarten die Bands und ihre Produzententeams, dass das Publikum wiederum eine Performance erwartet, die an Perfektion grenzt? Das geht doch auf Kosten der Dynamik und Einzigartigkeit einer eingespielten Band, die live auch mal etwas anderes ausprobiert. Die vielleicht nicht perfekt spielt, aber zumindest eine Einzigartigkeit erzeugt, die eben nur die Menschen erleben, die an diesem Abend vor Ort sind. Wohin soll die Reise gehen? Was spricht dagegen, in Zukunft die Bands einfach komplett auf der Bühne Karaoke spielen zu lassen und nur die Sängerinnen und Sänger singen zu lassen, wie es im Pop- und Schlagerbusiness üblich ist?

Bei allem Spaß, den das Publikum heute Abend zweifellos hatte, gehe ich mit gemischten Gefühlen nach Hause. Und mit der Hoffnung, dass vielleicht ein Umdenken stattfindet und auch Bands dieser Größenordnung wieder mehr Wert auf Authentizität als auf Einheitsbrei legen.

Redakteur:
Julian Rohrer

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