VOIVOD, [SOON] - Hamburg

15.06.2017 | 16:39

08.06.2017, Logo

Frankokanadisches Gerrröööaaarrre!

Die frankokanadische Band VOIVOD ist eine der Bands der ganz alten Riege geworden, die mir in den letzten Jahren immer mehr ans Herz gewachsen ist. Das liegt nicht zwingend an immer besseren Alben, sondern vielmehr am Gesamtpaket. Für mich stimmt hier einfach alles und die Band hat eine Entwicklung durchlaufen, die ich stets mitgehen konnte. Und wenn ich hier von Entwicklung schreibe, dann ist diese in diesem konkreten Fall zwischenzeitlich im Wortsinn sehr progressiv ausgefallen. Von daher ist ein Besuch bei ihrer Stippvisite im Hamburger Logo nicht nur Ehrensache, sondern eine Herzensangelegenheit.

Im Vorprogramm dürfen die Drei Kollegen von [SOON] zum Tanze aufspielen. Auch wenn ihr moderner Dark Rock nicht wirklich zur Musik des Headiners passt, ist das Logo einigermaßen gut gefüllt. Wenn man bedenkt, dass die Band erst wenigen Stunden zuvor erfahren hat, dass sie als Ersatz für die ursprünglich angedachte Supportband hier spielen darf, darf man seinen imaginären Hut ziehen, denn alles wirkt extrem professionell. Offenbar zahlt sich die Bühnenerfahrung der Sooner an so einer Stelle doppelt aus. Völlig unbeirrt der Tatsache, dass man eventuell vor dem "falschen" Publikum auftritt, zieht man gekonnt seinen Stiefel durch und versucht so, sich neue Fans zu erschließen. Schlauerweise spielt die Band heute vorwiegend härtere Nummern, aber ich glaube, die anwesenden Zuschauer hätten auch bei einem weniger metallischen Programm Interesse bekommen. Ich finde es immer noch befremdlich, keinen Bassisten zu sehen, werde aber durch die Bühnenpräsenz der drei Akteure optisch versöhnt. Vor allem Drummer Jakob Ehmke, der lustigerweise mit einem vergleichsweise RIESENgroßen Drumkit angereist ist (das von Away steht daneben), ist immer wieder ein absoluter Hingucker. Der Jeff Waters der Drummer. Ich fühle mich bestens unterhalten und sehe, dass im Publikum offenbar etliche Gäste ähnlich denken. Daumen hoch.

Nach einer angenehm kurzen Umbaupause entern dann die vier VOIVOD-Rabauken die Bühne und entfachen mit dem Titelsong ihres dritten Albums, dessen Artwork übrigens auch eines der aktuellen T-Shirtmotive darstellt, gleich ein Inferno, das alle Anwesenden mitreißt. Weiter im Takt geht es mit einem weiteren Titelsong, dieses Mal von der aktuellen EP. Dem Publikum ist das Alter der gebotenen Songs offenbar völlig gleichgültig, denn hier steppt ebenfalls der Bbbääärrr. Es ist aber auch eine Freude den vier komplett in ihrer Musik abgetauchten Schrägies beim Arbeiten zuzuschauen. Away klöppelt auf seinem Mikroschlagzeug mit einem entspannten Lächeln auf Lippen herum, als sei der Leibhaftige hinter ihm her und Snake tappst über die Bühne wie ein Tanzbär (viele Bären, die da am Start waren - der Verf.) unter Absinth-Einfluss. Völlig großartig. Während andere Bands mit so einer umfangreichen Diskographie vorwiegend mit ihren offensichtlichen Hits herum jonglieren, um eine Setlist zu erstellen, geht das Quartett einen komplett anderen Weg. Es werden Nummern gespielt, mit denen niemand rechnet! Wie zum Beispiel 'Inner Combustion', welches nach dem fantastischen "Hätross"-Killer 'Psychic Vacuum' aus den Boxen brettert. Snake kuschelt mit dem Pfeiler auf der Bühne und meint, dies sei sein neuer Freund, denn "he can lean on him." Herrlich, dieser Humor. Nach diesem Exkurs geht es mit 'Order Of The Blackguards' zurück zur "Killing Technology". Die Reaktion: Überschwängliche Euphorie, Gesichtsakrobatik und zukünftige Heiserkeit. Music ist the healer – am heutigen Abend auf jeden Fall!

Auf Snakes' Frage, ob wir nun tanzen wollen, gibt es mit dem sensationellen 'The Prow' das unwiderrufliche Hüftenrrröööaaarrring. Chewy, der ja bereits seit neun (!) Jahren in den riesengroßen Sneakers von Piggy  unterwegs ist, riffelt sich ins outer limit und grinst dabei wie das gern zitierte Honigkuchenpferd. Der Meister würde sich freuen, ihn hier so zu erleben. Aber auch der neue Bassist macht eine mehr als tolle Figur. Dominique Laroche aka Rocky hat den Blackysound wunderbar drauf und auch optisch passt er exzellent zu den anderen Käuzen.

Sprach ich eben noch vom Auslassen der Hits, so folgt nun mit 'Ravenous Medicine' ein ebensolcher. Das Ergebnis: glückselige Zerstörungswut. Danach gibt es aber sofort wieder etwas Unerwartetes: 'Fall' von der Split-Sieben-Inch mit ENTOMBED. Weiter geht die Zerstörungskauzerie mit 'Korgüll The Exterminator' und dem Tanzflächenzerstörer 'Lost Machine'. Ich habe längst keinen trockenen Zentimeter an mir und weiß, dass mit 'We Are Connected' wohl nur die Interaktionen zwischen Fans und Musikern gemeint sein kann. Das abschließende, aus allen Mündern mitgesungene 'Voivod' hinterlässt ein Publikum, welches ich selten glücklicher gesehen hab. Natürlich lässt sich die Band nicht lumpen und kommt mit 'Astronomy Divine' noch einmal zurück auf die Bühne. Hemmungsloses Abzappeln ist angesagt, weiß man doch, dass danach nun final Feierabend sein wird.

Aber VOIVOD wäre nicht VOIVOD, wenn bei so einer Welle der Begeisterung nicht noch eine ungeplante Sahnebombe zünden würde. 'The Unknown Knows' folgt noch und danach liegen sich Publikum und Band gleichermaßen begeistert in den Armen. Die Mischung aus Gefühl, Spieltechnik, Beständigkeit und Bodenhaftung macht VOIVOD zu einer Ausnahmeband und dieser Abend hat dies erneut eindeutig bewiesen. Riesengroß!

Alle Photos : Thomas Ertmer

Redakteur:
Holger Andrae

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