United Forces Festival: THE NIGHT ETERNAL, KNIFE, BURDEN OF GRIEF, FLAME DEAR FLAME, GRAND DEVOURER - Osterode am Harz

19.11.2023 | 18:15

04.11.2023, Haus der Jugend

Eine großartige Veranstaltung!

Es gibt Konzerte da muss man als Musikliebhaber nicht zweimal überlegen, ob man an diesem Termin sich nicht vielleicht vom Sofa aufraffen kann. Genauso ging es mir, als auf meiner privaten Facebook-Seite der Headliner der diesjährigen, regionalen Festivalreihe U.F.F. (United Forces Festival) vorgeschlagen wurde. THE NIGHT ETERNAL. Really – Osterode? Dazu KNIFE, BURDEN OF GRIEF, FLAME, DEAR FLAME und GRAND DEVOURER als Support. Da sich auch konsequent die Gerüchte gehalten haben, dass die 21. Auflage dieser Veranstaltung die letzte sein könnte, gab es auch nochmal einen extra Motivationsschub, den es bei diesem Line-up der Extraklasse gar nicht gebraucht hätte.

Um die Gerüchte jetzt einmal an dieser Stelle zu entkräften. Der traditionelle Ort der Veranstaltung, die Jugendherberge in Osterode, ist mittlerweile geschlossen. Die Möglichkeit, dort zu übernachten, immer einer der großen Selling-Points des UFF, ist somit nicht mehr möglich. Aber der Saal und die Räumlichkeiten, wo das UFF stattfindet, werden weiterhin vermietet und würden somit auch 2024 zur Verfügung stehen. Die Crew wird sich nun zusammensetzen und planen, welche Lösung es für das nächste Jahr geben könnte.


Doch bleiben wir erstmal im Hier und Jetzt und schauen mal was die ehemalige Kreisstadt an diesem verregneten, ersten Novemberwochenende zu bieten hat. Den Anfang macht GRAND DEVOURER aus Hannover. Sagt euch nix? Das ist auch nicht schlimm, da die Jungs um Gitarrist Henrik Schöbel sich erst 2021 gegründet haben und der heutige Auftritt tatsächlich der erste Liveauftritt überhaupt ist. Quasi eine Weltpremiere als Einstieg in den Abend – kann man machen. In den folgenden knapp 30 Minuten gibt es groovigen Oldschool-Death-Metal auf die Ohren, der sich bereits jetzt auf einem überraschend hohen Niveau befindet. Da sich die Band aus alten Hasen zusammensetzt, welche bereits mit illustren Truppen wie SPEARHEAD, GREEN RUSSIAN, CRITICAL MASS, ZOMBIE RIOT und DETHRASHION Erfahrungen sammeln konnten, zahlt sich hier definitiv aus. Das ist schon ziemlich tight gezockter, schwedischer Todesstahl, der die Vorbilder BLOODBATH und DISMEMBER auch überhaupt nicht verschleiern möchte. Ich selbst würde sogar noch eine leichte Schippe SIX FEET UNDER hinzuaddieren, auch wenn die Combo um Chris Barnes mittlerweile in der Szene durchaus kritisch gesehen wird. Besonders positiv erwähnen möchte ich Growlmonster Kai, welcher mit seinem Look irgendwo zwischen Peavy Wagner und Abdelkarim nicht nur eine massive, bedrohliche Erscheinung darstellt, sondern auch eine tadellose Performance abliefert. Das war herrlich fies. Checkt doch gerne mal den bisher einzigen veröffentlichten Song 'Circling the Abyss' von GRAND DEVOURER auf Youtube ab.

Setliste: Totalitarian Dominion; Circling The Abyss; M777/Killchain; Pale Horse; Awaken The Beast; Entropic Aura; Soulless

Als nächstes folgen die Braunschweiger von FLAME, DEAR FLAME, welche zwar immerhin schon ein Album veröffentlicht haben, aber natürlich trotzdem den Stempel Underground noch 100% erfüllen. Zuerst fällt mir das wunderschöne, als Ambigramm umgesetzte Bandlogo auf. So schürt man Erwartungen – jetzt nur nicht stolpern. Da das Debütalbum mit einer Laufzeit von knapp 45 Minuten genau dem zur Verfügung stehenden Slot entspricht, wird "Aegis" nun in voller Länge und korrekten Reihenfolge performt. Und das gefällt mir außerordentlich gut. Das klingt wie ein roher, fast minimalistischer Bastard aus CANDLEMASS und MY DYING BRIDE, wird jedoch von der ungewöhnlichen, und für diese Art der Musik auch überraschend zentralen, Stimme der Sängerin Maren Lemke in eine ganz andere Richtung gedrückt. Dadurch entsteht eine spannende Mischung. Da der Gesang auch mehr als einmal in Richtung von ANNEKE VAN GIERSBERGEN tendiert, gibt es noch eine weitere, sehr interessante Ebene. Für jemanden, der mit der traditionellen Variante von Epic Doom immer etwas zu kämpfen hat, sind diese zerbrechlichen Hooks und glasklaren Refrains mit Widerhaken aber eine willkommene Abwechselung. Lebt FLAME, DEAR FLAME also nur vom Gesang? Im Leben nicht. Zum einen muss man es als Band erstmal schaffen, so songdienlich zu spielen und mögliche Egos so weit in den Hintergrund zu stellen, dass diese Fokussierung möglich ist und zum anderen klingt das Ganze live tatsächlich auch nochmal deutlich schwungvoller, als auf CD und schafft es, mich mit den daraus resultierenden, leichten Blackgaze/Shoegaze-Einflüssen noch mehr in Trance zu versetzten als auf Platte. Toller Auftritt und Respekt an den Schlagzeuger, welcher heute spontan als Ersatz einspringen musste und souverän abliefert.

Setliste: The Millennial Heartbeat Pt. I; The Millennial Heartbeat Pt. II; The Millennial Heartbeat Pt. III; The Wolves And The Prioress Pt.I; The Wolves And The Prioress Pt.II; The Wolves And The Prioress Pt.III; The Wolves And The Prioress Pt.IV

Nach diesen beiden gelungenen Auftritten, kommen wir nun zu einer Band, welche ich tatsächlich schon eine Handvoll mal in den letzten 20 Jahren Live begutachten konnte. Und eigentlich kann da nichts schiefgehen, da BURDEN OF GRIEF immer grundsolide abliefert und diese Form von Melodic-Death-Metal auch einfach nach Party schreit. Und die Jungs aus Kassel geben sich wirklich Mühe. Leider werden sie, insbesondere zu Beginn, immer mal wieder von technischen Problemen ausgebremst und man merkt ihnen auch an, dass einige Mitglieder der Band noch gesundheitlich etwas angeschlagen sind (der am Vortag in Oberhausen terminierte Auftritt musste leider abgesagt werden). Das ist schade, da der Fokus neben einer Reise durch sämtliche Bandperioden natürlich auch auf dem am 24.11.2023 erscheinenden neuen Werk "Destination Dystopia" liegen sollte, denn dieses Ding räumt grade bei der Kritikerlandschaft ordentlich ab. Ich glaube auch, dass Fans der Band und dem Genre im Allgemeinen, diese Scheibe feiern werden. Das ist nochmal ein deutlicher Qualitätssprung nach vorne. Auch heute Abend sind Tracks, wie 'A Daydream Of Sorrow' und 'Fevered Dream' absolute Highlights. Die Songs bisher waren auch okay, aber in Summe dann immer etwas zu austauschbar und es fehlte der sprichwörtliche Zug zum Tor. Die neuen Lieder haben nun ganz andere Hooks, Melodien und Dynamiken mit an Bord. Das wirkt sich dann auch positiv auf die anderen Songs aus, welche von diesem Multiplikatoreffekt in Summe deutlich zulegen. So schneidet dann auch eine Uraltnummer wie 'Cold Fire' plötzlich wie die feinste Klinge, 'The Killer In Me' ist effizienter als jemals zuvor und die MAIDEN-Harmonien bei 'The Nightmare Within' strahlen frischpoliert. Somit kann man festhalten, dass trotz Schwierigkeiten zu Beginn der Show nach den letzten Klängen von 'Rise Like A Phoenix' das Publikum sehr zufrieden ist und ordentlich freidrehen durfte. Am Ende zählen halt auch die dreckigen Siege. Meinen Nackenmuskeln und mir hat es zumindest so gefallen, dass ich im Nachhinein die Setliste nicht mehr vernünftig zusammenbekomme. Sorry dafür.

An dieser Stelle sollte ich auf jeden Fall auch mal positiv die Organisatoren hervorheben. Der Klang war bisher bei allen drei Bands deutlich über dem Niveau, was man in einem Haus der Jugend erwarten würde und die Umbauphasen sind so professionell und zügig, wie ich es selten erleben durfte. Daran erkennt man ein eingespieltes Team und echte Passion an dem, was man tut.

So reicht die Zeit kaum, um mal kurz Luft zu schnappen und KNIFE legt los. Und dieses Messer ist scharf und im Berserkermodus. Was für ein 60-minütiger Abriss. Besonders Sänger Benni Lenz (alias Vice Nihil) ist vollkommen im Wahn und bringt nicht nur die Räumlichkeit zum Kochen, sondern auch seinen Schrittzähler zum Glühen. Wie ein Derwisch hält es ihn keine zwei Sekunden auf einer Stelle und er keift eine schwarzgefärbte Speed-Metal-Hymne nach der nächsten ins Publikum. Dieser rohe, punkige Sound passt heute aber auch wie die Faust aufs Auge und sorgt dafür, dass KNIFE für viele auch der heimliche Headliner des Abends ist. Es ist schon beachtlich, wie viele Genrehits auf zwei lappige Alben passen und wie krass eine Band innerhalb kürzester Zeit, auch in unserer Szene, durch die Decke gehen kann. Eigentlich hätte man erwarten können, dass es KNIFE etwas ruhiger angehen lässt, da am Folgetag der Videodreh zur neuen Single 'With Torches They March' ansteht, aber sowas wie Halbgas gibt es in deren Wortschatz nicht. Ich bin gespannt, wie lange die Truppe aus Marburg dieses Intensitätslevel aufrechterhalten kann. Heute sind mein Fotograf und ich jedenfalls schwer begeistert von dem Sturm, der über uns hinwegfegt. Gitarrist Laz Culto haut ein fantastisches Lead nach dem nächsten raus, Gypsy Danger hält den Laden wunderbar zusammen und Schlagzeuger Ferli Coltello braucht als Fitnessprogramm eigentlich nur drei Auftritte die Woche. Während die Studioaufnahmen in meinen Ohren halt "nur" gute Qualität liefern, zeigt sich heute wieder einmal deutlich, wie unterschiedlich Live und Platte doch sind. Das ist Musik, die einfach auf die Bühne gehört. Wenn einem als einziges negatives Argument in den Sinn kommt, dass es leider nur Flaschen- und kein Dosenbier gibt, dann macht eine solche Band doch alles richtig. Großartige Show.

Setliste: Chromium Prayer; The Hallowed Chamber Of Storms; Inside The Electric Church; With Torches They March; Heaven Into Dust; Demon Wind; NO Gods In The Dark; Sacrifice; Behold The Horse Of War; I Am The Priest; White Witch – Black Death; Night Vision; Black Leather Hounds; Sacrifice (BATHORY-Cover)

Nach so einem Black-Speed-Metal-Punk-Rundschlag ist es für den Headliner keine leichte Aufgabe, die Stimmung aufrechtzuerhalten. Insbesondere da es erstmals etwas länger dauert, bis die Band die Bühne betritt, um loszulegen. Was soll ich sagen? Man merkt dem Publikum schon eine gewisse Müdigkeit an und auch die Tatsache, dass es musikalisch jetzt halt doch in eine deutlich andere Richtung geht, zollt seinen Tribut. Ich persönlich bin aber absolut angetan von der Performance von THE NIGHT ETERNAL. Wer sein Set mit einer Überhymne wie 'Between The Worlds' beginnen kann, ist direkt in der Spur. Diese fantastischen Gitarrenklänge erfüllen den Raum und diese okkulte, morbide Atmosphäre legt sich wie ein Schleier auf Osterode nieder. Sofort bin ich in dieser Post-THE DEVILS BLOOD-Welt von UNTO OTHERS und Co. gefangen. Einen Bärenanteil, warum diese Band dann doch deutlich anders klingt als alle anderen Bands aus diesem Genre, hat Sänger Ricardo Baum, welcher mit seiner Klangfarbe ganz andere Akzente setzt und vom Old-school Metaller, Gothic-Girl bis hin zum MISFITS-Rocker alle Fans abholen sollte. Wer eines der stärksten Alben des Jahres in der Hinterhand hat, kann dann so viel gar nicht mehr falsch machen. Und THE NIGHT ETERNAL liefert ab. Die Jungs sind motiviert, engagiert und haben sich härtetechnisch schon auch etwas von KNIFE beeinflussen lassen. Das ist schon nochmal eine ordentliche Schippe aggressiver als auf Platte. Das passt zwar zum heutigen Abend, ich selbst hätte es mir natürlich schon etwas rockiger und weniger metallisch gewünscht. Diese Harmonien wirken halt besonders ekstatisch, wenn sie nicht zugeballert werden, aber ich verstehe die Tatsache, warum die Band heute so agiert. An Songs wie 'In Tartarus' oder 'Prince Of Darkness' gibt es doch eh nichts zu kritisieren. Getreu der Regel: Ein Hit ist ein Hit ist ein Hit. Wenn ich schon Kritik äußern muss, dann warum zur Hölle wurde 'We Praise Death' nicht gespielt? Aber eigentlich wüsste ich auch keinen der gezockten Songs, der dafür rausfliegen dürfte. Also geht auch bei der fünften Band der Daumen nach oben. Was ein starkes Package – was für ein toller Konzertabend.

Setliste: Intro; Between The Worlds; In Tartarus; Deadly As A Scythe; Shadow Servants; Price Of Darkness; Son Of Sin; Elysion; Mark Of Cain; Stars Guide My Way; Moonlit Cross

Ich kann dem Team des U.F.F. nur zu einer grandiosen Veranstaltung gratulieren und hoffe, dass sie eine Möglichkeit finden diese Konzertreihe auch 2024 weiter umsetzen zu können. Dann hoffentlich auch wieder mit einem großartigen Gespür für ein so beeindruckendes Billing. Dann bin ich auch definitiv wieder dabei.

Photo Credits: Norman Wernicke

Redakteur:
Stefan Rosenthal

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