URIAH HEEP, APRIL WINE und HEAVY PETTIN - Leipzig

17.11.2025 | 13:24

08.11.1970, Haus Auensee

Der Zauber ist noch lange nicht verflogen.

Egal, wohin man derzeit blickt – überall geht es wieder los mit Konzerten und Indoor-Veranstaltungen. Als geneigter Konzertgänger hat man somit erneut die Qual der Wahl, welche Auftritte man in den letzten Wochen des Jahres noch mitnehmen möchte. Für mich allerdings stand von Beginn an fest, dass die heutige Show von URIAH HEEP gesetzt ist. Nicht nur durfte ich die Band schon mehrfach live erleben und wurde in Sachen Spielfreude sowie Performance noch nie enttäuscht. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass von den alten Heroen gerade diese Briten im Studio wie auf der Bühne bis heute am stärksten abliefern.

Doch man muss den Fakten ins Auge sehen: Leadgitarrist und Gründungsmitglied Mick Box steuert stramm auf die 80 zu, und auch Aushängeschild Bernie Shaw wird im kommenden Jahr 70. Zeit ist nun mal endlich, so hart das klingt. URIAH HEEP ist sich dessen bewusst und lässt mit "The Magician's Farewell" nun eine Abschiedstour folgen, die sicherstellt, dass man auf einem Niveau abtritt, bei dem sich kein Altfan beschweren muss. Wie Tommy in seinem schönen Bericht über den Münchener Auftritt bereits erwähnte, will die Band zwar in Zukunft noch vereinzelte Shows spielen, aber ob ich persönlich noch einmal die Gelegenheit bekomme, halte ich für zweifelhaft. Daher war es für mich ein absoluter No-Brainer – zumal mit dem Haus Auensee auch eine Location gewählt wurde, die diesem besonderen Rahmen angemessen ist.

Eigentlich hätte man es ahnen können, dass das Konzert bestuhlt stattfinden würde, doch als ich zum ersten Mal den Innenraum betrete, bin ich dann doch überrascht, ein komplett mit Stühlen gefülltes Haus Auensee zu sehen. Nichts für mich und somit flüchte ich auf die oberen Ränge, wo man das Konzert tatsächlich noch im Stehen genießen kann. Wenn ich daran denke, dass DEEP PURPLE im vergangenen Jahr auf Sitzplätze verzichtet hat und es im Nachgang keinerlei Beschwerden gab, hätte man hier dem Publikum durchaus mehr zutrauen können. Wir Rocker sind schließlich ein vitales Völkchen. Und ich bezweifle, dass das Durchschnittsalter der DEEP-PURPLE-Fans viel niedriger ist.

Den Beweis tritt direkt HEAVY PETTIN an. Die Melodic-Rock-Nummern gehen sofort ins Ohr. Simpel, aber effektiv. Ich kannte die Band bisher gar nicht, und vielen anderen in der Venue scheint es ähnlich zu gehen. Macht aber nichts, denn eine Nummer wie 'Rock Generation' braucht keine zig Durchläufe, um zu zünden. Überhaupt ist es erfreulich, dass eine Band bei einer als Nostalgie-Abschiedsshow deklarierten Veranstaltung so viel aktuelles Material präsentiert und damit eher ein Comeback zelebriert. Zwar sind mir die weiteren Stücke auf Dauer etwas zu glatt und vorhersehbar, aber das steckt ja fast schon programmatisch im Bandnamen. Schön war's trotzdem. Ein mehr als solides Warm-up für die interessanten Dinge des Abends bleibt es jedoch nicht.

Setliste: Rock Generation; In And Out Of Love; Rock Ain't Dead; Sole Survivor; Faith Healer; Line In The Sand

Mit APRIL WINE wird es für mich nur bedingt reizvoll. Mein musikalischer Kanada-Horizont geht zwar über RUSH hinaus, und dennoch habe ich von dieser Band bislang nie wirklich etwas gehört. Das mag daran liegen, dass die letzten Veröffentlichungen fast 20 Jahre zurückliegen und APRIL WINE selbst in ihrer Hochphase Ende der 70er und Anfang der 80er in Europa eher eine Randerscheinung war. Natürlich habe ich mich im Vorfeld mit "Harder...Faster" und "The Nature Of The Beast" beschäftigt, doch dieser Mix aus Heavy Rock und Softpop kann mich nur bedingt überzeugen. Da das heutige Set ausschließlich auf Material von 1978 bis 1982 basiert, wird es für mich nicht unbedingt spannender. Dennoch: Es gibt sichtbare Die-Hard-Fans im Publikum, die diesen seltenen Moment feiern und auch der Rest der Halle lässt sich mitreißen. Bei mir reicht es allerdings nur zum lässigen Kopfnicken und minimierten Fußbewegungen.

Setliste: I Like To Rock; Anything You Want, You Got It; Say Hello; Enough Is Enough; All Over Town; Big City Girls; Hot On The Wheels Of Love; Before The Dawn; Just Between You And Me; Sign Of The Gypsy Queen (LORENCE HUD Cover); Roller

Doch ich bin ja vor allem wegen URIAH HEEP hier und bekomme nun exakt das, was ich erhofft und erwartet habe. Die Setliste entspricht, wie schon bei den Vorgruppen, 1:1 der in München. Abwechslung innerhalb der Tour gibt es also nicht, aber dafür bietet das Programm einen herrlichen Querschnitt durch die Karriere der Band. Neue Highlights, unverzichtbare Klassiker, selten gespielte Perlen und sogar ein bisschen aus der geliebten Prog-Phase – alles dabei. Natürlich kann eine "kurze" bzw. altersgerechte Setlänge nicht alle Fanwünsche erfüllen. Viele vermissen heute vielleicht 'Look At Yourself,' mich persönlich trifft es am meisten, dass 'Rainbow Demon' fehlt.

Selbstverständlich hätte ich auch gerne endlich mal 'Salisbury' live erlebt, mich über einen Song von "Wake The Sleeper" gefreut oder einen Beweis bekommen, dass sich die Band nicht vollständig für ihre 80er-Phase schämt ("Abominog", quo vadis?) – aber auch so bin ich großartig unterhalten. Ich muss mich zu Beginn zwar noch an das etwas gewöhnungsbedürftige Bühnenbild gewöhnen (leichte Temu-Vibes), aber die Band macht das direkt mit einem brachialen Einstieg in ihr Set vergessen.

Und spätestens wenn nach dem neueren Einstieg und dem herrlichen Geheimtipp 'Shadows Of Grief' (großartige Version) mit 'Stealin'' der erste große Klassiker gezündet wird und der Rest der Location durchdreht, versteht man, dass sich so ein Auftritt beinahe von selbst schreibt und die Band nur noch die Lücken füllen muss. Nicht auszudenken, was passiert wäre, hätte man am Ende 'Lady In Black' nicht gezockt. Die Performance ist tadellos, Bernie stimmlich überragend und voller Energie, und Oberzauberer Mick Box zeigt spätestens mit 'The Magician's Birthday' erneut, warum seine Abwesenheit in Zukunft so schmerzen wird. Das ist pure Magie.

Ich bin jedenfalls mehr als froh, mich an diesem Wochenende gegen TURNSTILE und für diese alten Helden entschieden zu haben. Einer Band gehört ganz sicher die Zukunft, aber heute darf ich mich von einer ganz großen Band verabschieden. Vielen, vielen Dank für so viele unvergessliche Stunden. Das war mal wieder alles, nur kein fauler Zauber.

Farewell Magician – Farewell URIAH HEEP!

Setliste: Grazed By Heaven; Save Me Tonight; Shadows Of Grief; Stealin'; Hurricane; The Wizard; Sweet Lorraine; The Magician's Birthday; Gypsy; July Morning; Easy Livin'; Zugaben: Sunrise; Lady In Black

Text: Stefan Rosenthal

Photo Credit: Michael Vogt (vom Auftritt in München)


Redakteur:
Stefan Rosenthal

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