Type 0 Negative - Berlin

12.07.2007 | 00:09

15.06.2007, Columbiahalle

Anlässlich ihrer neuen Langrille "Dead Again" schicken sich die Vinländer Steele, Silver, Hickey und Kelly an, Germanien zu überfallen. Das letzte Machwerk der vier New Yorker wurde vielerorts begeistert gefeiert, mich aber es jedoch eher in meiner Meinung bestätigt, dass sich TYPE 0 NEGATIVE seit der Hammerscheibe "Bloody Kisses" kontinuierlich verschlechtert haben. So findet der Besucht des Konzertes in der Columbiahalle eher mit der Erwartungshaltung "Legenden sterben" statt.

Über die unsägliche Vorband DOWN BELOW verlieren wir besser so wenig Worte wie möglich. Sänger Neo wirkt so gekünstelt, dass sich einem alle Fußnägel hochrollen. Die sorgfältig einstudierten Gesten würden eher für eine Boyband passen. Fremdschämen erreicht hier eine neue Diemnsion.
DOWN BELOW machen den Eindruck, als ob sie den f6-Nachwuchbandwettbewerb nicht gewonnen haben. Spieltechnisch gibt es nichts auszusetzen, aber die Musik klingt wie für den Massengeschmack designed. Fad und belanglos, ohne Extreme oder eigenen Stil. Auf die Frage, wie DONW BELOW klingen, wüsste ich nur "Wie eine PARADISE-LOST-Coverband ohne Seele" zu antworten. Ein gewisser Anteil der Gäste lässt sich jedoch von der Oberflächlichkeit der Musik nicht beirren und wippt leicht im Takt mit.

TYPE 0 NEGATIVE strapazieren die Geduld des Publikums durch endlose Wiederholungen von synthetiserten Ententanzklängen. Jedes Mal, wenn man denkt, dass zweihundert weitere Wiederholungen nun wirklich genug sind, wird die Musik leiser oder das Licht dunkler - nur um noch einmal das Spiel von neuem beginnen zu lassen. Wenn es schon musikalisch abwärts geht, verstehen es TYPE 0 NEGATIVE immer noch vorzüglich, ihre Fans gegen sich aufzubringen. Diverse Bierbecher segeln durch die Luft und erste "You suck!" Chörgesänge erfüllen die Columbiahalle. Nach gefühlten 50 Minuten ist das Publikum in einen Pulk aus Resignation und Agression geteilt. Kurz bevor sich die aufgestaute Wut in physischer Gewalt entlädt, betritt zum Glück Johnny die Bühne und hält erstmal genüsslich die auf das Übelste gelaunte Menschenmenge mit seiner Videokamera fest.

Die akustische Geduldsprobe ist sofort vergessen, als Peter Steele die Bühne betritt. Beim Eröffnungssong fragt sich so mancher, ob er die neue CD nicht gründlich genug gehört hat. Alle anderen BEATLES-Fans kommen auf ihre Kosten: die vier New Yorker servieren den Klassiker 'Magical Mystery Tour' im TYPE 0 NEGATIVE-typischen Sound.
Die Mienen der Zuhörer hellen sich jedoch schlagartig auf, als endlich sehr vertraute Akkorde den Saal erfüllen: 'We Hate Everyone' bringt den Moshpit sofort zum Sieden. Peter Steele scheut sich auch nicht, an den passenden Textstellen Nazi- und Kommunistengruß zu verwenden, doch als Provokation nimmt das wohl niemand mehr wahr.

Optisch ist die Show durchaus gelungen, wie immer ist das grün-schwarze Farbkonzept von den Instrumenten bis zum Licht konsequent durchgezogen, und auch ohne Nebel kann man die Lichtshow als sehr gut bezeichnen. Dass die Jungs an den Reglern ihren Job gut machen, sieht man nicht nur, man hört es auch: der Sound ist glasklar.
Im ersten Teil jedoch wirkt der Auftritt insgesamt etwas langweilig. 'The Profits Of Doom', 'Anesthesia' und 'These Three Things' sind nicht gerade die Smash-Hits der Band. Die ersten 40 Minuten des Konzertes wirken dadurch ziemlich schleppend, fast schon langweilig. Daran kann auch der schon fast obligatorische Song-Abbruch mit inszenierter Beschimpfung nichts ändern ("Someone fucked up this song!" "...oh, it was me?").

Nach einer Dreiviertelstunde gelangweitelm Pflichtprogramm verlässt die Band die Bühne und hinterlässt ein etwas ratloses Publikum, das sich berechtigterweise fragt, ob für diese Show fast 30 Euro angemessen sind. "Genau wie in Hamburg, da haben sie auch nur 40 Minuten gespielt" beschwert sich ein Fan hinter uns.
Doch heute sind die Jungs wohl besser drauf und auche wesentlich fitter: nach einer kurzen Wartezeit lässt sich Josh wieder auf der Bühne blicken. Seine "You suck!"-Rufe bleiben nicht lange unbeantwortet, natürlich steigen alle darauf ein und so schallt der Band ein tausendfaches "You suck!" entgegen. Josh, der mit seinem Rauschebart Rasputin alle Ehre macht, lässt gewisse Entertainer-Qualitäten erkennen - in ihm schlummert wohl ein kleiner Elvis.

Erst jetzt scheint das eigentliche Konzert zu beginnen, TYPE 0 NEGATIVE beginnen den zweiten Teil des Abends mit dem "Slow, Deep And Hard"-Klassiker 'Kill You Tonight'. Dieser Evergreen ist natürlich Stimmungsgarant, die Jungs wissen einfach, welche Songs ihre Fans auf den Konzerten hören wollen.
Entegen der üblichen Gepflogenheiten kann man am heutigen Abend die letzten drei Songs auf Zelloloid oder Speicherchip bannen. Als die letzten Akkorde von 'Kill You Tonight' verklingen, hat sich bereits ein kleiner Mob von Fotografen Backstage positioniert. Kurz darauf öffnet sich die Tür zur Bühne, und ein physisch sichtlich mitgenommener Peter Steele muss erstmal in die Knie gehen, um im Freien zu verschnaufen.

In der Halle ist es auch nicht viel besser, die Luft ist inzwischen zum schneiden dick und in den vorderen Reihen kann man überall in verschwitze, glückliche Gesichter schauen. Die Menge ist gut aufgeheizt und gibt sich natürlich nicht mit einem läppischen Song zufrieden. Unermüdlich wird eine weitere Zugabe eingefordert.
Wieder auf der Bühne, begrüßt Steele die Fotografen im Graben mit "Paparazzi!". Als er die ersten Akkorde von 'Kill All The White People' spielt, gibt es im Pulk keine Gnade mehr. Die suboptimalen Lichtverhältnisse sind in dem Moment die geringsten Sorgen der Fotografen: ständig werden neue Stagediver angespühlt. Schalten wir doch mal rüber zu Kollege Henri, der irgendwo vor der Buhne Blut und Wasser schwitzt:
[Thomas Mellenthin]

Springen. Springen. Schwitzen. Schwitzen. Was im Moshpit bei Songs wie 'Kill All The White People' abgeht, spottet jeder Beschreibung. Dort vorne balgen sich rund 300 Leute darum, wer den meisten Schweiß absondert und dabei dennoch immer wieder die TYPE 0-Hymnen mitsingen kann. Selbst neue Sachen wie 'Profits Of Doom', eigentlich auf Platte ein eher ruhiger Song, werden von der Menge in den ersten Reihe als willkommene Möglichkeit genutzt, sich unbarmherzig gegenseitig umherzuschubsen.
Zwischendurch immer mal ein Blick auf Mr. Steele: Hier in Berlin scheint er fit, trinkt abwechselnd aus einem Glas mit undefinierbaren Inhalt und eine daneben stehende Flasche Wein. Doch deuten sich erste Spuren seines Alkoholkonsums an; In Hamburg hat er wohl nur eine runde halbe Stunde durchgehalten. Und tags darauf, nach dem fulminanten Gig in Berlin, hat er auf dem Woodstage-Festival in Glauchau wohl mit seinem Bassgitarren-Strom zu kämpfen gehabt und deswegen auch nur rund 40 Minuten gespielt. Wird da jemand unzuverlässig? In Berlin zumindest nicht.

'Love You To Death' und der Über-Hit 'Christian Woman' geben den Fans, die bisher verschont geblieben sind, den Rest. Es wäre erstaunlich, wenn irgend jemand zwischen Bühne und Mixer nach diesen Songs noch ein trockenes Stück Kleidung am Leib hat.
Das Konzert könnte jetzt eigentlich zu Ende sein. Der Endorphinpegel im Saal sollte sich ungefähr verdoppelt haben. Mr. Steele & Co. genehmigen sich eine deutlich längere Pause von fast 15 Minuten, kehren aber zur Freude aller Schweißgebadeten ein letztes Mal an die Instrumente zurück. Zu 'Black No. 1' wird es im Moshpit heiß und heißer ...
[Henri Kramer]

Setlist:

Magical Mystery Tour (BEATLES-Cover)
We Hate Everyone
Profits Of Doom
Anesthesia
These Three Things
---
Kill You Tonight
---
Kill All The White People
Love You To Death
Christian Woman
---
Black #1

Redakteur:
Thomas Mellenthin

Login

Neu registrieren