The Flying Eyes - Leipzig

19.08.2013 | 23:19

01.08.2013, Plaque

Das Quartett aus Baltimore hat gerade das neue Album "Lowlands" veröffentlicht. In Leipzig startete die Band ihre sehr umfangreiche Europa-Tour.

Das Sommerloch ist da. Das Sommerloch? Pipperlapapp. Das gibt es nicht mehr. Zumindest musikalisch. Es ist der allererste Augustabend, es ist gegen neun Uhr abends immer noch sehr heiß in der Stadt und heute beginnt im Leipziger Plaque die weitläufige zweimonatige Europa-Sommertour des Quintetts THE FLYING EYES. Das neue Album "Lowlands"  ist eingespielt, und es hier live zu hören, macht es gleich noch schöner. Denn die Musik von THE FLYING EYES ist Livemusik, nur so kommen - von Angesicht zu Angesicht, vor Verstärkern und Kabeln, in halbdunkler Atmosphäre - die Stücke so richtig zu Geltung. Für mich ist das eine unzertrennliche Einheit.

Übrigens: Die vier Musiker aus Baltimore haben an ihrer Seite, am Merchandisetischchen oder an der Handtuchbox einen treuen Jungen-Für-Alles, der offiziell somit das fünfte Element der Darkblueser ist. Heute ist er vor allem Wasserträger, denn nach gefühlten 23 Sekunden und bei 50 Grad Celsius ist die Band im Hemd vollkommen durchnässt. Salzwasser läuft in die Saiten, die Stirne umranden Bäche, einzig Schlagzeuger Elias Schutzman hat's geahnt und drischt barbusig auf die Fellchen. Dass es hier drin im ausverkauften Plaque so vollkommen unmenschlich warm und doch vollkommen voll ist, liegt natürlich an der feinsinnigen Musik, die da auf uns herunterhitzt. Vor zwei Tagen ist das neue Album "Lowlands" beim Berliner Label Noisolution erschienen, es können die wenigsten hier das neue Material bereits sehr gut kennen. Und trotzdem wird hier ab den ersten Tönen euphorisch mitgegangen. Auf jeden Fall gehen hier gleich einmal ein paar Vinyls beim Jungen-Für-Alles über die Schultischtheke. So viel, dass es sogar die Musiker offensichtlich überrascht. Das Label muss wohl schnellstens nachpressen, denke ich.

Morgen werden sie das schöne Voidfest im Bayrischen Wald besuchen und so geht es dann Tag für Tag weiter durch den gesamten Kontinent. Es ist zu vermuten, dass die Hitze, die über dem Kontinent liegt, diese Musik gerade optimal begleitet. Bei den Songs, mehrheitlich in einem langsam atmenden Grundrhythmus gehalten, setzt eine Süße, eine Schwere ein, die trotzdem ihre Leichtigkeit nicht verliert.

Die Band ist sehr spielfreudig und produktiv. Erfolgreiche Touren brauchen gutes bis sehr gutes Material und das liegt hier mit "Lowland" definitiv vor. Dieses dritte Album vereint sämtliche nordamerikanische Gitarrenstile in sich, vor allem natürlich einen irgendwie eingeweißten Blues in einer Soulversion. In der Indiegarage eingespielt. Ab und zu blitzt schwitziger Hard Rock durch, folkige Samtklänge wandeln in Singer-Songwriter-Manier die Retrobahn entlang. Immer handgemacht, immer pur, teilweise glänzend und bunt aufgebraust, oftmals aber betont locker aus der karierten Hüfte gespielt. 'Under Iron Feet' ist der Hit des Albums und wird auch hier bei 56 Grad Celsius dankbar betobt. Das veritabel besungene Stück wird in seinem zweiten, überraschend flotten Teil ein rechter Mitschwinger, abrupt schließt sich das Ventil nach zwei Minuten wieder. Reicht auch. Durchpusten, Stirn wischen.

Gejohle. Begeisterung. Die Schönheit auch von "Lowlands" liegt in vierzig Minuten Zuhörzwang, kein Song gleicht dem anderen. Manchmal muss sogar gefragt werden, wer da gerade singt. Denn hier ist bei der Band mehr Flexibilität eingetreten. Nun singen auch die anderen Typen der Band vermehrt mit. Trotzdem warten wir natürlich gierig darauf, dass Sänger William Kelly sein raumfüllendes Organ anwirft, denn das ist ein essentieller, ein begnadeter Vorteil der FLYING EYES. Zudem ist das hier der Beweis, dass die Psychedelic nicht zwangweise mit metallenen Elementen zu aufgebauschten Rockern transformiert werden muss. Der puristische "Rück"-Schritt hin zum Good ol' Blues funktioniert sehr gut und passt sehr wohl in unsere ungestüme Zeit.

Was aber dauernd diese unsäglichen THE DOORS-Vergleiche sollen! Lasst das bitte bleiben: Wo diese DOORS sich oftmals in den Ausuferungen des Jim Morrison verloren haben, weiß der emanzipierte Nachwuchs sich und uns wohltuende Grenzen zu setzen. Elias Mays Schutzman, der sich heute Mitternacht in der unabgekühlten sächsischen Nachtluft und nach noch zwei Song-Zugaben Turbo-Elektrolyte mit seinem dritten Turbobier zuführt, der hat die Musik seiner Band als "prismatisch" bezeichnet. Das trifft es, geehrter Nachwuchs. Dabei darfst Du Dein Hemd auch anlassen...

Redakteur:
Mathias Freiesleben

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