The Dresden Dolls - Berlin

25.05.2006 | 23:03

14.05.2006, Spiegelzelt

Mir ist alles egal. Diese Quintessenz des musikalischen Schaffens der DRESDEN DOLLS ist an jenem Sonntagabend der letzte Song gewidmet: "I don't care" singen die stetig klavierende Sängerin Amanda und ihr Schlagzeuger Brian im fliegenden Wechsel, immer wieder. Die beiden Musiker aus Boston sind die Band an diesem Abend, mehr Klangmeister benötigen sie nicht für ihre musikalische Vision fernab von normalem Punk-Pop-Wave-Mainstream. Sie brauchen nicht einmal eine Gitarre. Nur Trommeln, Klavierklänge und die bezaubernd-kräftige Stimme von Amanda - dies gepaart mit viel Einfallsreichtum erzeugt allein ihre dichten Songs. Die Musik an sich muss auch für viele Fans reichen. Denn der "Konzertsaal", das so genannte Spiegelzelt am Berliner Postbahnhof, besitzt zwar ein altmodisch-schönes Zirkusambiente, doch sind die DRESDEN DOLLS von vielen Stellen aus einfach nicht zu sehen, weil die hohen Boxentürme viel zu viel von der Bühne verdecken. So müssen eben die beschwingten Töne dieser einzigartigen Band beschrieben werden...
[Henri Kramer]

...doch bevor endlich die ersehnten DRESDEN DOLLS die Bühne betreten, tun dies SERENA MANEESH. Die junge, norwegische Band wärmt das Publikum mit ihren rockigen Melodien auf - und das noch vor 20 Uhr. Normalerweise ist das eine Uhrzeit, zu der die meisten sich erst auf den Weg zu einem Konzert begeben, aber hier ist der Saal schon fast komplett gefüllt. Aber das ist auch kein Wunder, denn Karten für den heuten Auftritt gibt es längst nicht mehr. Die Pause nach SERENA MANEESH möchte der Zuschauer trotz erdrückender Wärme auch kaum nutzen um Getränke zu holen, denn die begehrten Stehplätze mit guter Sicht sind begrenzt und jeder Blick auf THE DRESDEN DOLLS doch so lohnenswert. Denn immerhin sitzt Brian irgendwann nur noch oberkörperfrei am Schlagzeug. Aber das ist längst nicht so beeindruckend wie die Darbietung der Songs. Amanda singt voller Ausdrucksstärke und Leidenschaft. Einfach mitreißend. Die Stimmung im Publikum, welches noch nicht einmal in eine bestimmte Schublade gesteckt werden kann, ist schnell aufgeheizt und beschwingend. Die Songs vom neuem Album "Yes, Virginia" kommen wunderbar an, egal ob es 'Sex Changes', 'Backstabber' oder 'Mrs. O' ist. Selbst die Coverversionen zaubern dem Publikum ein Lächeln auf die Lippen: Zum einen gibt es eine andere Version von dem "heavy metal song" 'War Pigs' von BLACK SABBATH und, nachdem zunächst Tiergeräusche imitiert wurden, auch noch "Der Eisbär" von GRAUZONE. Dabei präsentiert Amanda ihre Deutsch-Künste. Eine gelungene Inszenierung auf der ganzen Spur.
[Franziska Böhl]

Und eigentlich sind sie eine Jazzband: Besonders Brians abgefahrenes Schlagzeugspiel verdient dieses ausgezeichnete Prädikat. Deshalb auch wirken die DRESDEN DOLLS, trotz all der Melancholie in ihren Songs, immer progressiv, frisch, unverbraucht. Trotzdem bleiben so an diesem Abend unbeantwortet: Warum zum Teufel fängt so eine tolle Band schon 20.30 Uhr an zu spielen? Brauchen sie so viel Schlaf, um ihre kreativen Kräfte zu schonen? Als die DRESDEN DOLLS fertig sind, ist es gerade einmal 22 Uhr. Die Dämmerung ist gerade in Dunkelheit umgeschlagen. Und da stellt sich schon die nächste Frage, aber dann doch schon mit einem deutlich wütenderen Unterton: Welche verdammte Drecksau zerdeppert einfach meine Autoscheibe an der Seite, nur um einen Rucksack mit Lateinbüchern und einen akkulosen MP3-Player zu klauen? Ich hoffe, das Schwein hat demnächst einen schlimmen Unfall...
[Henri Kramer]

Redakteur:
Franziska Böhl

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