Serj Tankian - New York

19.05.2008 | 11:45

14.05.2008, Terminal 5

Es muss irgendeinen Zusammenhang geben zwischen den beiden Faktoren, dass mich das New Yorker U-Bahn-System unnötig lange warten lässt und ein Konzert in dieser sonst überpünktlichen Stadt später als angekündigt beginnt. Oder wie sonst lässt es sich erklären, dass ich zum zweiten Mal überhaupt zu spät dran bin und zum zweiten Mal dabei nix verpasst habe? Der Künstler des heutigen Abends lässt seine Fans sogar geschlagene 75 Minuten zappeln. Aber wer SERJ TANKIAN heißt und bei den Megasellern SYSTEM OF A DOWN in Lohn und Brot steht, darf das wahrscheinlich. Und bis auf gelegentliche "Serj!"-Rufe aus dem Publikum geben sich die Fans erstaunlich geduldig.

Immerhin komme ich somit vor dem Gig in den Genuss, das komplette FAIR TO MIDLAND-Album zu hören, denn das Label-Signing des Exzentrikers muss als Wartemusik herhalten. Auf der Westseite der USA waren sie kürzlich gemeinsam auf Tour, in New York trennten sich die Wege jedoch, weil Serj die FOO FIGHTERS im ausverkauften Madison Square Garden supporten durfte. Es wäre daher irgendwie nett gewesen, wenn FAIR TO MIDLAND heute livehaftig auf der Bühne gestanden hätten, statt leise im Hintergrund zu dudeln. Doch immerhin verspricht das Programm einen "evening with SERJ TANKIAN", was mich in Erinnerung an den knapp dreistündigen "evening with DREAM THEATER"-Gig vor vier Jahren in Berlin Großes erwarten lässt. Wird er ein paar SYSTEM OF A DOWN-Songs in den Set einbauen? Vielleicht sogar ein paar Gastmusiker am Start haben? Mit dem Material seines Debüts "Elect The Dead" allein füllt er nämlich keinen ganzen Abend, und mit irgendwas müssen die gut dreißig Dollar Eintritt ja auch zu rechtfertigen sein.

Als der wie auch auf dem FOO FIGHTERS-Konzert ganz in weiß, inklusive weißem Zylinder, gekleidete Sänger (mit einer gleichermaßen in schwarz gewandeten Begleitband) die Bühne betritt, bin ich noch optimistisch. Denn während des Intros - eigentlich ein kompletter, mir allerdings nicht bekannter Song - zieht er alle Register seines Könnens. Manchmal tönt er sogar so hoch wie eine Frau, aber ich sehe keine Sängerin. Stark!

'Empty Walls' eröffnet das eigentliche Konzert, und die Setliste erinnert mich sehr an die letzte Show. 'Feed Us' und 'Lie Lie Lie' (mit Hut schwenkender Varieté-Tanzeinlage) gab es dort genau in dieser Reihenfolge. Zu 'Saving Us' greift Serj überraschenderweise selbst zur Gitarre, wie er sich überhaupt im Laufe des Abends als gar nicht mal so untalentierter Musiker entpuppt. Klampfe, Keyboard, Klavier, alles kein Problem für ihn. 'Baby', 'Sky Is Over', 'Praise The Lord And Pass The Ammunition' (natürlich mit kleiner "Predigt" vorweg) befinden sich ebenfalls noch an gleicher Stelle im Set, was mich trotz der exzellenten Darbietung ein klein wenig langweilt. Wo bleiben die erhofften Überraschungen?

Zwei davon gibt es, und zwar in Form eines weiteren, mir unbekannten Stücks und des DEAD KENNEDYS-Covers 'Holiday In Cambodia'. Plus drei weitere "Elect The Dead"-Titel, 'Honking Antelope', 'Beethoven's C***' und 'The Unthinking Majority'. Und dann ist Schluss. Nach 75 Minuten. 75 sehr guten Minuten zwar mit einem groß- und einzigartigen Künstler namens SERJ TANKIAN. Doch als Headliner-Gig unter dem Banner "an evening with" für dreißig Dollar eben doch etwas enttäuschend. Und zwei Album-Tracks wurden obendrein auch noch verschenkt. Schade.

Redakteur:
Elke Huber

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