SAXON - München

16.03.2010 | 13:05

14.03.2010, Theaterfabrik

Der erste Tourtag und eine Band, die ihr Alter Lügen straft. Die Urgesteine überrollen München mit dem "Heavy Metal Thunder".

Es ist gute Tradition: Einmal im Jahr SAXON zu sehen, macht das Metaljahr irgendwie rund. Und eine Menge Spaß bekommt man direkt dazu. Die Erde, Europa, Deutschland, München - wir zoomen uns durch schneebedeckte Dächer bis in die Theaterfabrik in den Optimolwerken. Wummernder Bass dröhnt über das Gelände, und sägende AC/DC-Gitarren eröffnen einen Abend voller Leder, Lack und Nieten. Und Bier und Heavy Metal, das darf nicht verschwiegen werden.

BIG BALL heißt die Band, die so klingt, als käme sie direkt aus Down Under, de facto aber ein deutsches Kind ist. Um genau zu sein, und das überrascht dann doch, ist diese Band ein Nebenprojekt der Blut-und-Ketten-Death-Metaller von DEBAUCHERY. Wo normalerweise Splatter und Gore regieren, herrscht heute das Klischee. Rock 'n' Roll, wie er von AC/DC gespielt wird, 08/15-Riffs und eine Menge Attitüde machen den Gig zu keinem epischen Erlebnis, stimmen aber sehr gut auf den Abend ein. Warum die Band allerdings schon deutlich vor dem offiziellen Beginn des Konzertabends zu spielen angefangen hat, ist ein Buch mit sieben Siegeln, das allein der Veranstalter zu öffnen und zu schließen vermag. Die Theaterfabrik ist dennoch gut gefüllt und nimmt den Anheizer dankbar auf, auch wenn allen klar ist, dass man auf die alten Helden wartet und dieses Coverprogramm nicht mehr als ein Zuckerl sein kann.

Nichtsdestotrotz rockt sich das Quintett durch das Set, das mit Songs des kommenden Albums "Hotter Than Hell" gefüllt ist. Prinzipiell hätte das Ganze natürlich noch mehr Spaß gemacht, wenn die Kameraden ihre "Bloodbitch" mitgenommen hätten, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Unter dem Applaus der Anwesenden verlassen die erklärten SAXON-Fans die Bühne, um den wahren Helden das beackerte Feld zur finalen Metaldestruktion zu überlassen.

Diese beginnt mit einem Paukenschlag. 'Heavy Metal Thunder' heißt das Ding, das da über das Publikum hinwegrollt. Mit einer unglaublichen Energie treffen sich die Leute vor der Bühne und das Quintett um Biff auf der Bühne an diesem denkwürdigen Tag. Alterserscheinungen, Gebrechen, Unlust, Abgeklärtheit, Arroganz? Alles Fremdwörter für die englischen Saxen, hinweggefegt mit den Worten "Live to rock, never stop!" aus dem Song 'Live To Rock' vom aktuellen Album "Into The Labyrinth".

SAXON sind immer ein Phänomen, denn wo sie auftauchen, ist die Metalparty vorprogrammiert. Doch während die Festivalshows meist "nur" "irgendwie" ganz "cool" sind, kann man auf den Hallentouren eine völlig ausgewechselte Band erleben.

Das Publikum mit einem Altersdurchschnitt weitab der Fünfzig singt jede einzelne Zeile der Klassiker mit, dankbar, dass man nicht nur die Gassenhauer wie 'Motorcycle Man' aus den Anfangstagen der Band im Gepäck hat, sondern auch Songs, die man seltener hört. Mit 'Requiem (We Will Remember)' macht die Band nicht nur mir eine Freude, zeigt sie damit doch all den Kritikern der Neunziger-Jahre-Phase der Band, was für tolle Songs auch auf "Solid Ball Of Rock" und "Destiny" zu finden sind.

Leider musste Nibbs Carter spontan in der englischen Heimat bleiben, da seine Frau schwer erkrankt ist (gute Besserung an dieser Stelle!). An seiner statt wurde Yenz Leonhardt (KINGDOM COME, LACRIMOSA) mitgenommen, der seinen Job absolut gut macht und tight wie ein Uhrwerk mit dem Viersaiter umgeht. Was an Agilität durch die Abwesenheit von Nibbs wegfällt – wer SAXON in der Vergangenheit schon einmal gesehen hat, weiß, was für ein Flummi dieser Mann ist –, kann die Band definitiv ausgleichen. Ja, es scheint fast so, als wären die Herren dadurch in der Lage, die Lücke nicht nur zu füllen, sondern auch frei von der Leber weg ihren Spaß zu haben, gerade so, als wäre ihnen aufgefallen, wie viel Spaß es doch macht, über die Bühne zu rennen und aus sich herauszugehen. Einen guten Teil macht da sicher auch die Tatsache aus, dass dies der erste Gig der Tour ist und die Akkus zum Bersten gefüllt sind.

Das Münchner Publikum dankt es der Band mit immer wieder aufbrandenden "SAXON!"-Sprechchören und einer unbändigen Freude über jeden Song. Paul Quinn dankt es auf seine Art und stimmt die Töne von 'Sixth Form Girls' an, ein Song, den die Band in Deutschland zum ersten Mal auf die Bühne bringt. Rock it, baby! Biff sagt es: "Take a day off, the boss said it." Dabei deutet er auf sich, nur um die Fans noch weiter anzuheizen.

Mit 'Broken Heroes' schafft es eine weitere Ballade in die Setlist und bringt eine kurze, intensive Atempause. Der Boss hat es stimmlich zu einhundert Prozent drauf und macht klar, welche Band der Chef im Ring ist: SAXON.

Dieser Abend ist für mich aufs Neue die Bestätigung, dass diese Band nach wie vor in den Metalolymp gehört. Das liegt nicht nur daran, dass sie in einem guten Rhythmus tolle Alben mit noch tolleren Hymnen auf den Markt wirft, sondern vor allem an der Tatsache, dass diese alten Herren, diese Urgesteine immer und immer wieder mit großer Freude auf die Bretter steigen. Nein, Leute, wahrlich nicht: Der Rock ist nicht tot. Er lebt. Und solange SAXON das tun, was sie am besten können, wird der Rock auch nicht vergehen. Niemals! Und mit diesen Gedanken und den wahren Textzeilen von 'Denim & Leather' auf den Lippen geleitet uns die Security zur Tür, so, als wollte sie sagen: Bewahrt euch diesen Augenblick, lebt den Rock – und kommt bald wieder, wenn SAXON auf der Matte stehen.

Setlist SAXON:
Heavy Metal Thunder
Live To Rock
Motorcycle Man
Requiem (We Will Remember)
Witchfinder General
Metal Head
Eagle Has Landed
Medley
Sixth Form Girls
Strong Arm Of The Law
Broken Heroes
20.000 Feet
747 (Strangers In The Night)
Princess Of The Night
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Wheels Of Steel
Crusader
Denim & Leather

Redakteur:
Julian Rohrer
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