Rock im Park 2025 - Nürnberg
17.06.2025 | 21:5506.06.2025, Zeppelinfeld
Regen hält uns nicht davon ab, zu rocken!
Samstag:
Festivaleröffnung am zweiten Tag bei strömendem Regen mit DEAD POET SOCIETY. Dumm gelaufen, denn keine fünf Minuten, bevor die Band anfängt, war es noch trocken. Die Band gibt ihr bestes und liefert auf der Bühne eine energiegeladene Show mit allerlei Umhergerenne, Kicks, Gitarre umherwirbeln und vielem mehr ab und versucht das in Plastik verpackte Publikum zum Mitmachen zu animieren. Das klappt leider nur mittelmäßig. Auch die Musik, die bei mir oben im Media Center ankommt, klingt super (weil der nervige RedBull-DJ gerade zum Glück nicht spielt und das Ganze übertönt). Zum Ende des Auftritts klärt das Wetter doch noch auf und die Stimmung im Publikum steigt entsprechend. Es gibt sogar direkt einen Circle Pit! Doch damit nicht genug, die Band hat noch eine Überraschung in Petto: für das letzte Lied 'Hurt' kommen die Mädels von THE WARNING auf die Bühne dazu. Ich hätte echt Lust, bei den Jungs mal auf Tour vorbeizuschauen – dann aber bitte bei besserem Wetter oder Indoors.
[Noah-Manuel Heim]Da bin ich dir einen halben Schritt voraus, Noah. Die Jungs machen nämlich nach ihren Festivalshows noch eine kleine Tour und ich plane, sie mir dann in Hamburg – im Trocknen – anzuschauen. Den Auftritt im Park muss ich leider auch aus der Ferne sehen, das Regenradar meiner Wetterapp hat meine Kameras und mich da zum Glück vor dem Gröbsten bewahrt. Das erste Konzert aus der Nähe am heutigen Tag nach einer – dank Bildersicherung, SLIPKNOT-Frust und grausamer Hotelmatraze – sehr kurzen Nacht ist für mich damit THE WARNING. Da Timo sich um den Bericht kümmert, kann ich die Show einfach auf mich wirken lassen und mir hoffentlich ein bisschen der Energie und guten Laune der drei Schwestern aus Monterey, Mexiko für den Tag abknöpfen. Mein Schrittzähler wird nämlich auch heute wieder weit jenseits der 30.000 enden. Aber genug von meinen schmerzenden Füßen, ich halte die Klappe, übergebe dir das Wort Timo und konzentriere mich aufs Knipsen.
[Chris Schantzen]Als ich nach Betreten des Zeppelinfelds THE WARNING auf der Bühne sehe, kann ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Da stehen, beziehungsweise sitzen, mittlerweile drei erwachsene, wenn auch junge Vollprofi-Musikerinnen auf der größten Bühne bei Rock im Park, die ein selbst komponiertes Rock-Brett nach dem anderen raushauen, während in meinem Kopf immer noch drei mexikanische Schulmädchen im heimischen Proberaum 'Enter Sandman' zocken. Jupp, der Vater der drei Mädels, respektive mittlerweile jungen Frauen, Luis Villareal, hat seinen Töchtern mit dem damals vor 11 Jahren viral gegangenen Youtube-Video ein fulminantes Karriere-Fundament gestiftet, wie man heute weiß.
Es windet etwas, doch die drei lassen sich nicht aus der Ruhe bringen. Die mittlerweile erblondete Älteste, Dany, singt mit ihrer teils beindruckend röhrenden Stimme, ihre Schwester Alejandra steuert hinter ihr am Drumkit sitzend fette Grooves bei, während Paulina, die Jüngste, den Bass bedient. Beide jüngeren singen zudem die Backings. Die hell gekleideten Frauen stehen vor einem etwas bedrohlich wirkenden, feuerroten Bühnenhintergrund mit ihrem Band-Logo. Obwohl ich mit der Musik nicht wirklich gut vertraut bin, finde ich Gefallen am metallisch aufbereiteten Hardrock der Band. Ein im Nachgang erfolgtes Reinhören in die Studioproduktionen bringt mir die Erkenntnis, dass die Schwestern aus Mexiko sich live weitaus rockiger und weniger steril präsentieren können. Die Stimmung auf dem gut gefüllten Zeppelinfeld ist jedenfalls super, speziell vor der Bühne geht es richtig gut ab!
Setliste THE WARNING: Six Feet Deep; S!CK; Satisfied; CHOKE; Qué Más Quieres; Escapism; Apologize; MORE; MONEY; ERROR; Sharks; DISCIPLE; Hell You Call A Dream; EVOLVE; Automatic SunNach THE WARNING trudle ich vor der "Mandora-Stage" ein. Gerade rechtzeitig, denn JERRY CANTRELL startet im selben Moment sein zeitlich mageres 45-Minuten-Set mit 'Psychotic Break' vom zweiten Solo-Album "Degradation Trip" aus dem Jahr 2002. Ja, der ALICE IN CHAINS-Mitbegründer hatte in den späten 90ern und frühen 2000ern bereits 3 Solo-Alben abgeliefert und 2021 seine Solo-Karriere mit "Brighten" wieder gestartet. Der Sound ist fulminant, die Musiker seiner Band, Greg Puciato, Eliot Lorango, Zach Throne und Roy Mayorga wirken sehr fokussiert. Gleich beim zweiten Song kommt trotz Regen etwas Bewegung ins Publikum, handelt es sich doch um 'Them Bones" von Cantrells Hauptband.
Jerry spricht wenig und nutzt die kurze Zeit für immerhin 10 Songs. Deren drei stammen vom überraschenden Soundcheck-Zweiten im Dezember 2024, "I Want Blood". Dieser Satz ziert ebenfalls in roten und weißen Lettern das imposante Backdrop mit Cover-Illustrationen des aktuellen Albums. Die hypnotischen zweistimmigen und manchmal mantra-artigen Gesänge sind nach wie vor außergewöhnlich und für mich stets etwas gewöhnungsbedürftig.
In der Masse der schrei-brüll-growlenden moderneren und jüngeren Bands des Festivals, sind diese hochmusikalischen Töne jedoch unbedingt eine willkommene Erfrischung für die Ohren. Neben drei weiteren Songs der Alben "Brighten" und "Boggy Depot" sind die in der Hauptsache Ü-40 Menschen, die nun im Regen vor der Bühne stehen, völlig aus dem Häuschen bei 'Would?' und dem letzten, ausführlich zelebrierten Lied, dem Superhit 'Rooster', beide aus dem Song-Fundus von ALICE IN CHAINS. Als es im Regen dunkler wird, nimmt Jerry für die letzten paar Lieder übrigens die Sonnenbrille ab, Rockstar hin oder her. Schöner, wenn auch zu kurzer Gig! Letzteres war aber von vornherein klar, spielt die Band bei Tour-Gigs doch in etwa 100 Minuten meist 18-19 Stücke.
Setliste JERRY CANTRELL: Psychotic Break; Them Bones (ALICE IN CHAINS-Song); Vilefied; Afterglow; I Want Blood; Would? (ALICE IN CHAINS-Song); Atone; Cut You In; Brighten; Rooster (ALICE IN CHAINS-Song)
[Timo Reiser]JERRY CANTRELL hätte ich mir auch sehr gerne komplett gegeben, am liebsten mit einem kalten Bier in der Hand – ich habe aber leider andere Pläne und bin grad etwas im Stress, bevor mir das Gelände von Rock Im Park teilweise einen Strich durch die Rechnung macht. Ich will mir nämlich auf der im Wald gelegenen "Atmos-Stage" kurz THE RED FLAGS anschauen, bevor ich zur "Orbit-Stage" in die Halle zu AMIRA ELFEKY hetze. Mit dem Fotografen- und Pressebändchen genießt man auf dem Festival ein paar kleine Vorteile, nämlich, dass man ein paar Wege nehmen darf, welche dem breiten Publikum verwehrt bleiben. Somit sollte es mir problemlos möglich sein, in jeweils 10 Minuten von der "Mandora-Stage" zur "Atmos-Stage" und dann von dieser zur "Orbit-Stage" zu kommen – eigentlich.
Denn nachdem ich fix noch ein paar Bilder von JERRY CANTRELL gemacht habe, muss ich leider feststellen, dass mir der Zugang, der mir von Security A empfohlen wurde, von Security B verwehrt bleibt. Dieser wiederum schickt mich über einen Waldweg einmal quasi im U, wo ich dann bei Security C lande, der mich wiederum nicht reinlässt und mich an Security D verweist, eine – ihr ahnt es vielleicht inzwischen – weitere Sackgasse. Von diesem werde ich dann einmal quer über den kleinen Campingplatz geschickt, nur um feststellen zu müssen, dass dort jegliches Durchkommen dank Bauzäunen unmöglich ist. Inzwischen hat THE RED FLAGS auch bereits angefangen und ich muss einsehen, dass es für mich unmöglich sein wird, rechtzeitig zur Bühne zu kommen um noch ein paar Bilder zu knipsen. Danke für nichts, liebe Security-Menschen!
In diesem Moment fühle ich mit den Zuschauerinnen und Zuschauern, mit denen ich mich übers Wochenende unterhalten habe und die mir von chaotischen Zuständen bei der Anreise erzählt haben. Da hätte ich von einem Festival dieser Größe beim 30jährigen Bestehen doch eine bessere Organisation erwartet - hätte ich mir bloß das Bier bei Jerry gegönnt... Aber alles Grübeln über die Wegeplanung bringt mir jetzt auch nichts, denn ich muss über den verschlammten Waldweg schnellstens zur Halle zurück, damit ich nicht auch noch einen zweiten Act verpasse. Schweißgebadet und mit übersäuerten Waden komme ich eine Minute vor Beginn bei AMIRA ELFEKY an. In den zwei Songs, für die ich Zeit habe, erinnert mich die junge Amerikanerin an EVANESCENCE und auch optisch sind Parallelen zu Amy Lee nicht von der Hand zu weisen. Das tolle, von Alice Im Wunderland inspirierte, Kleid geht leider in der schlechten Bühnenbeleuchtung etwas unter. Ich muss leider nach wenigen Minuten schon wieder weiter ins Media Center, von wo aus es ohne Verschnaufpause gleich weiter zu JINJER gehen wird. Wie bei THE RED FLAGS reicht meine Zeit leider nicht, um mir wirklich eine Meinung zu bilden oder etwas Konstruktives zu den Auftritten zu schreiben, aber ich werde die Künstler mal auf dem Schirm behalten.
[Chris Schantzen]
Zurück zur Hauptbühne. Dort steht mit IDLES nun britischer Post-Punk auf dem Programm. Die Band um Sänger Joe Talbot trotzt dem Regen gemeinsam mit dem Publikum. Die Musik ist politisch, so wie sich das für Punk gehört. Lieblingsthema: Antifaschismus. Damit sind sie in Deutschland auf jeden Fall an der richtigen Adresse. Mit Blick auf die Wahlergebnisse sollte die Band vielleicht mal durch den Osten Deutschlands touren. Obwohl, wir können es inzwischen überall gebrauchen.
[Noah-Manuel Heim]Nicht nur auf der Hauptbühne wird es politisch, auf der "Mandora-Stage" steht jetzt JINJER auf dem Programm. Die ukrainische Band rund um Tati Schmajljuk tourt bekanntlich seit Putins Angriffskrieg ununterbrochen durch die Welt und tritt dabei auch als Botschafter für ihr Land auf, macht auf die Lage in der Ukraine aufmerksam und sammelt Geld für die Landesverteidigung.
Bei Rock Im Park tritt die Truppe überraschen früh am Tag auf, aber das hindert JINJER nicht daran, ordentlich abzureißen. Mit 'On The Top' geht es gleich hart los, bevor dann gleich drei Songs vom aktuellen Album "Duél” folgen. Wie immer lebt der Auftritt JINJERs von Tatis Ausstrahlung und Energie, welche mühelos aufs Publikum überschwappt - dagegen kommt auch der Nieselregen nicht an. Beeindruckend finde ich dabei jedes Mal, wie sie es schafft, problemlos vom Klargesang ins Growlen und wieder zurück zu wechseln. Unterstützt wird sie dabei von den Jungs, die wie immer etwas im Hintergrund bleiben, dabei aber absolut sauber das Programm durchziehen. Einziger Wermutstropfen ist, dass das Set mit 55 Minuten recht kurz gehalten ist. Hier wünscht man sich, dass JINJER in den kommenden Jahren auf dem Billing nach oben wandert. Komplett anschauen kann ich mir die Show diesmal aber leider nicht, ich muss schon wieder weiter zur nächsten Bühne.
Setliste JINJER: On The Top; Duél; Green Serpent; Fast Draw; Vortex; Judgement (& Punishment); Hedonist; I Speak Astronomy; Perennial; Someone's Daughter; Pisces
[Chris Schantzen]Zurück auf die Hauptbühne und zurück zum Antifaschismus. Auch BEATSTEAKS können Faschisten offensichtlich nicht leiden. "Ganz Rock im Park hasst die AfD" lässt Sänger Arnim Teutoburg-Weiß die Menge intonieren. Den Personen, die sich gegen dem Rechtsruck entgegenstellen, widmet er anschließend ein Lied. Ansonsten gibt es Alternative Rock, wenn auch mit punkiger Breitseite. Die Band feiert dieses Jahr ihr 30-Jähriges Jubiläum. Und wie feiert man am besten? Natürlich mit einem Moshpit.
Eine Bühne weiter startet THE GHOST INSIDE. Da gibt es klassischen US-Metalcore mit viel Geschrei. Sänger Jonathan Vigil singt und grölt aber nicht nur, sondern achtet auch darauf, dass das Publikum immer was zu tun hat – egal ob es mitsingen, hüpfen oder ein Moshpit ist. Bei 'Pressure Point' fällt die Wahl dabei auf das besonders kreative "fuck this". Eine interessante Farbwahl hat er bei der Kleidung getroffen. Er zeigt sich – für eine Metalcore-Band untypisch – in weißem Cap und ebensolcher Bomberjacke. Doch das Outfit soll nicht täuschen – hier gibt es natürlich trotzdem auf die Fresse! Crowdsurfing und einige Pits heizen die Stimmung weiter an. Das ist auch richtig so, schließlich muss das Publikum auf die Headliner vorbereitet werden…
Der erste davon folgt auch direkt im Anschluss auf der "Utopia-Stage": FALLING IN REVERSE. Die Band um den kontroversen Frontmann Ronnie Radke tritt zum zweiten Mal bei Rock im Park auf. Um Ronnies diverse Fehltritte soll es hier aber nicht gehen, darüber wird schließlich anderweitig schon umfassend berichtet, sondern um die Show hier beim Festival. Die ist nämlich – so viel kann ich gleich sagen – hervorragend. Ronnie ist ein grandioser Showman, der es versteht, das Publikum anzuheizen. Der gerne auch mal eine Minute wartet. Verständlicherweise ist er ganz vorne, etwas erhöht auf einem Podest. Hinter ihm Bassist Tyler Burgess und Gitarrist Christian Thompson, die beide auch Backing Vocals übernehmen und etwas weiter links Marc Okubo an der Gitarre, er ist jedoch nicht Teil der Band, sondern unterstützt nur auf Tour. Hinter den Künstlern steht eine Batterie von Pyros, die das ganze Set über nur eine Pause bekommen, während Ronnie redet oder trinkt. Das tut er zwischen jedem Lied. Aus einer Glasflasche mit schwarzem Label. Was wohl darin ist?
Regelmäßig muss das Publikum mitmachen: Mittelfinger in die Höhe strecken, "Yeehaw" und andere Ausrufe einstudieren und so weiter. Stimmlich kann er auch überzeugen. Sowohl die Rap-Einlagen als auch Klargesang, teils sogar recht hoch, gelingen ihm ohne Probleme. Die Hits 'Popular Monster' und 'Voices In My Head' folgen direkt aufeinander und markieren den Höhepunkt fürs Publikum, das sich auch standesgemäß beteiligt und lauthals mitsingt.
Kritisieren kann ich nur, dass der Bassist, der den größten Teil der Backing Vocals übernimmt, für meinen Geschmack zu leise ist. Und dass Ronnie wiederholt androht mit der Band die Bühne zu verlassen – was er schließlich auch 20 Minuten vor dem planmäßigen Ende tut.
[Noah-Manuel Heim]
Nachdem ich ein paarmal zwischen "Utopia-, Mandora- und Orbit-Stage" hin- und her pendle, gute VOWWS (Gothic/New Wave) und noch bessere DEAFHEAVEN (Blackgaze) ganz sehen kann, die mit Verspätung nur 20 Minuten spielen, da sie auf der Herfahrt einen Autounfall hatten, und Eindrücke von IDLES, THE GHOST INSIDE (kurz, dann Flucht!) und den BEATSTEAKS sammle, treffe ich ein paar Minuten nach 19:00 Uhr auf dem Mandora-Gelände ein. Hier begebe ich mich bei aufklarendem, warmen Wetter sogleich direkt in den ersten Wellenbrecher vor der Bühne, um auf den für mich größten musikalischen Leckerbissen des ganzen Wochenendes zu warten. In der nächsten halben Stunde wird es immer voller, bis LORNA SHORE förmlich unter einem Aufschrei des Publikums die Bühne betritt. Will Ramos, mit seinen rosa Curly-Löckchen und den großen, feuchten Welpenaugen begrüßt schelmisch, echte Begeisterung ausstrahlend und seine klare, warme Sprechstimme benutzend das Publikum. Er hat sofort ALLE auf seiner Seite, weil er einfach ein netter, überbordend sympathischer Typ ist, der Charisma ausstrahlt, wie kaum einer der derzeit bekanntesten Frontmänner in der Rockmusikszene.
Also: Kurze Begrüßung und dann growlt er schon wie ein wild gewordener Eber mit nach hinten rollenden Augen los, ein Bein auf das Podest am Bühnenrand gestellt, den Körper in nach hinten gelehnter Haltung, mit theatralischen Armbewegungen ausbalancierend: Die Band stimmt 'Sun//Eater' vom "Pain Remains"-Album-Meilenstein an. Oh mein Gott, ist das geil! Super Sound, die symphonischen Elemente vom Band sind heute perfekt zu hören, motiviertes Publikum, aus dem Stand zwei oder drei Circle Pits auf dem Gelände. Feuerfontänen, Austin Archey tackert an seiner Schießbude wie eine Nähmaschine, während Adam De Micco pausenlos die filigranen Lead-Kaskaden abfeuert, die neben den symphonischen Stimmungen und Wills perfekt variablen Growls eines der musikalischen Hauptmerkmale der Musik von LORNA SHORE sind.
'Cursed To Die', 'Welcome Back, O'Sleeping Dreamer' und 'Into The Earth' entfachen völlige Hysterie in vielen Teilen des Publikums, während bisher Deathcore-"Uneingeweihte" mit fassungslosen Mienen das brachial-symphonische Soundwunder über sich hereinbrechen lassen. Dazwischen spielt Will immer wieder mal den grundsympathischen Jugendgruppenleiter, bei dem sogar kritische Eltern Idole suchender Jugendlicher wahrscheinlich sein schräges Aussehen und die Ganzkörper-Tätowierungen bis zum Hals übersehen, weil er einfach so ein freundlicher Geselle ist. Der neue Song 'Oblivion' wirkt im Sound noch fetter und wird genauso abgefeiert.
'Into The Hellfire' zündet nun die musikalische Endstufe von LORNA SHORE, ab jetzt kommen nur noch 10-Punkte-Lieder. Ich habe inzwischen feuchte Äuglein und wahrscheinlich ein grenzdebiles Lächeln auf dem Gesicht vor lauter Freude, wippe mit dem Rücken ans Absperrgitter gelehnt energisch mit. Will animiert noch einmal und dann nimmt das von mir erhoffte Abriss-Spektakel seinen Lauf: 'Pain Remains'! Alle drei Teile am Stück! Das Publikum auf dem "Mandora-Gelände" stürzt sich in einen positiv aggressiven Schrei-, Bang- und Circle-Pit-Rausch. Will growlt zwischen den Feuer- und Funkenfontänen, wie es besser nicht geht, während die Gitarristen und Austin alles geben. Ich habe die ganze Zeit über immer etwas Angst, dass Will samt seiner rosafarbenen Curly-Locks "gegrillt" oder angekokelt werden könnte, wenn er einen falschen Schritt tut. Austin muss übrigens immer auf seinem Drumkit-Thron sitzen bleiben, wenn die Kollegen zwischen den Liedern zu den langen Intros meist kurz von der Bühne gehen. Mit der Zeit wird er dafür von den vorderen Reihen wie Will jubelnd abgefeiert und strahlt schüchtern verzückt wie ein Erstklässler, der unerwartet einen Lolli geschenkt bekommen hat. Lieber Kerl! Nach nur einer Stunde ist der beste Gig von "Rock im Park 2025" leider schon wieder zu Ende. Highlight der Herzen ganz zum Schluss: Will beugt sich von der Bühne um mit Fans zu sprechen. Diese reichen ihm Booklets und Eddings und er signiert diese ernsthaft auf der Bühne! Auch die anderen Musiker sind noch kurz bei den Fans und wursteln sich schließlich durch die Horden der schon umbauenden Roadies hinter die Bühne. Großartig!
Setliste LORNA SHORE: Sun//Eater; Cursed To Die; Welcome Back, O'Sleeping Dreamer; Into The Earth'; Oblivion; To The Hellfire; Pain Remains I: Dancing Like Flames; Pain Remains II: After All I've Done, I'll Disappear; Pain Remains III: In A Sea Of Fire
[Timo Reiser]Während Timo beim sympathischen Will Ramos und Noah beim unsympatischen Ronnie Radke sind, habe ich die Pause zwischen THE GHOST INSIDE und LORNA SHORE genutzt, um mal eine kurze Essenspause zu machen. Nachdem ich gestern für eine klitzekleine Portion Nudeln 13,50 € zahlen durfte, habe ich es heute ausgenutzt, dass Rock Im Park innerhalb Nürnbergs liegt, und mich auf dem Weg zum Gelände beim Bäcker eingedeckt. Eine Kollegin hat mir allerdings für morgen einen veganen Nudelstand auf dem Gelände empfohlen, wo ich für den gleichen Preis eine nachweislich richtige Portion kriege – also Augen auf bei der Essensstandwahl! Es tat dann auch mal gut, nach sieben Acts, verteilt auf alle vier Bühnen, innerhalb der letzten 3,5 Stunden, kurz zu sitzen und mal durchzuschnaufen. Ist dies ein guter Punkt, um mal bei unserem Chefredakteur nachzufragen, ob wir alle nach einem Festivalwochenende eine Massage bezahlt bekommen können?
Aber, wer rastet, der rostet ja bekanntlich. Obwohl sich meine Beine inzwischen so anfühlen, als ob sich der Rost schon reingefressen hat, will auch ich mir LORNA SHORE nicht entgehen lassen, wenn auch kürzer, als geplant. Denn nachdem Will Ramos zum – bei Rock Im Park verbotenen – Circle Pit aufruft und gleich danach eine ganze Welle an – auch verbotenen – Crowdsurfern beschwört, müssen wir Fotografen den Graben leider schneller räumen als geplant. Hier wird der schmale und verwinkelte Graben an der "Mandora-Stage" zumindest kurzfristig zum Problem für die Security, welche aufgrund der schieren Menge von Crowdsurfern zwischendurch die Kontrolle zu verlieren droht. Dass hier kein Surfer ungebremst in den Graben fällt, scheint dann auch eher Glück, als einem ausgeklügelten Sicherheitskonzept zu verdanken. Natürlich kann man hier jetzt argumentieren, dass eine solche Anzahl an Crowdsurfern immer schwer zu händeln ist – andererseits obliegt es schon auch einer gewissenhaften Planung, solche Sachen im Vorfeld zu bedenken und den Graben gegebenenfalls von Haus aus etwas geräumiger auszulegen.
Da aber nochmal alles gut gegangen ist, unternehme ich einen zweiten Versuch, die "Atmos-Stage" zu erreichen. Dank einer sehr hilfreichen Pressemitarbeiterin kann ich sogar eine kleine Abkürzung nutzen und spare mir so ein paar Minuten auf dem Weg in den Wald. Die Bühne liegt, allein durch den Zugangsweg, gefühlt etwas abseits vom restlichen Festivalgelände und macht für sich stehend einen charmanten Eindruck. Gleichzeitig beschleicht einen hier aber auch das Gefühl, nicht mehr wirklich auf dem großen Festival zu sein. Wäre das Wetter besser gewesen, hätte ich diese Auszeit wahrscheinlich deutlich mehr zu schätzen gewusst, so habe ich ständig die Sorge im Hinterkopf, dass ich es vor dem nächsten Schauer nicht mehr rechtzeitig ins Trockene schaffe.
Grundsätzlich sind natürlich die Möglichkeiten für die Veranstalter, Wege und Zugänge zu schaffen, durch die Lage inmitten eines Parks beschränkt - da stehen halt nun einmal teilweise Bäume herum und anders als bei einem Festival auf offenem Feld kann man nicht nach Belieben die Wege verbreitern oder anders legen. Ob das Konzept mit der "Atmos-Stage" so aber zukunftsfähig ist, darf zumindest hinterfragt werden. Bei mir hat allein die schlechte Erreichbarkeit dafür gesorgt, dass ich nur dieses eine Mal überhaupt zu der Bühne komme – das ist letzten Endes auch schade für die Künstlerinnen und Künstler, die hier auftreten.Aber nun genug gemeckert, ich bin ja schließlich nicht so weit gelaufen, nur um mir die Bühne anzuschauen, sondern wegen AVIVA. Die australische Singer-Songwriterin liefert mit ihrem Pop-Rock eine gute Alternative zum, zu diesem Zeitpunkt, doch eintönigen Programm auf den anderen drei Bühnen (LORNA SHORE, WHITECHAPEL und FALLING IN REVERSE müssen sich dort um sich überschneidende Zielgruppen streiten). Die paar Songs, welche ich mir hier anhöre, wissen durchaus zu gefallen, wenngleich nichts davon wirklich hängen bleibt. Dies kann aber genauso gut an der fehlenden Aufnahmefähigkeit meines Gehirns liegen, in dem seit inzwischen zwei Tagen die Running Order durchknattert.
AVIVA und das Publikum haben aber sichtlich Spaß am Auftritt, auch wenn die junge Sängerin auf der großen Bühne ohne jeglichen Aufbau manchmal etwas verloren wirkt. Die Punk- und Hardcorebands, die die Bühne zu anderen Zeiten bespielen, können den Platz sicherlich mehr ausfüllen. Ich genieße die relative Ruhe auf jeden Fall kurz, bevor ich mich dann wieder auf den weiten Rückweg ins Media Center mache und mich frage, ob Timo eigentlich inzwischen auch schon was zu essen gefunden hat – der sah vorhin recht hungrig aus...
Setliste AVIVA: The Saint And The Sinner; NEVER ENOUGH; Fake Friends; ABOUT ME; Tear in My Heart (TWENTY-ONE PILOTS Cover); Own Worst Enemy; Fearless; SCREAM; STREETS
[Chris Schantzen]
Nach Kauf eines "Barbarenspießes" entere ich wieder das "Mandora-Gelände" und bin etwas genervt von den großen spanischen Wänden, mit denen die Securities nebst Absperrbändern das Publikum am direkten Nach-Vorne-Gehen hindern und in den sich langsamer füllenden hinteren Bereich leiten. Gut gedacht, wenn ich aber nichts von der Bühne sehen kann bis nach Minuten endlich alle gemerkt haben, dass sie einfach nach vorne gehen müssen, weckt das eine gewisse Ungeduld in mir. Bei betrunkenen, latent aggressiven Zeitgenossen könnte das zu ganz anderen Vorkommnissen führen.
Doch genug davon, POWERWOLF spielt bei bestem Sound und gut gelaunt wie eh und je auf, diesmal zu Beginn mit 'Bless 'Em With The Blade'. Da liegt auch gleich das Problem, denn mir schmeckt der sehr poppige Charakter der ersten paar Lieder heute gar nicht. Jedenfalls gerate ich ins Grübeln, ob ich mir doch ein bissel KORN auf der "Utopia-Stage" einschenken soll. Obwohl sich meine Wahrnehmung während des Genießens von 'Dancing With The Dead', 'Armata Strigoi', 'Heretic Hunters' und 'Demons Are A Girls Best Friend' ins Positive verbessert, mache ich nach jenem achten Lied genau das: Ich gehe zu KORN rüber. Da halte ich es aber genau nur ein Lied lang aus. Zu schräg klingen die Vocal-Lines von Jonathan Davis, zu nervig erscheint mir das ganze elektronische Crossover-Gefiepe. War wohl doch zu viel harmonisch aufgebaute Musik gestern und heute. Jedenfalls tapere ich flott durch die gefühlt ununterbrochen das ganze Wochenende lang hopsende Techno-Dancejünger-Horde auf der Straße zwischen den Bühnengeländen zurück, und stehe ziemlich schnell zu 'Sanctified With Dynamite' wieder bei den kraftvollen Wölfen. Hier ist so ein altes Metalohr wie ich heute Abend wohl doch besser aufgehoben! Die augenzwinkernd humorvolle, eingängige Musik mit opulenter Inszenierung durch Makeup, Kostüme und schicke Bühnenaufbauten liegt mir sowieso etwas mehr, als der schweißtreibende, manchmal krampfhaft ernsthaft anmutende Nu Metal. Die Wölfe stecken das Publikum schließlich endgültig stimmungsmäßig in einen Sack und hauen ordentlich drauf: 'Werewolves Of Armenia' und 'We Drink Your Blood' werden auch von Leuten mitgegrölt, die diese Band vor 70 Minuten vermutlich noch nicht kannten. Letztendlich doch noch guter Gig!
Setliste POWERWOLF: Bless 'Em With The Blade; Incense & Iron; Army Of The Night; Amen & Attack; Dancing With The Dead; Armata Strigoi; Heretic Hunters; Demons Are A Girl's Best Friend; Fire And Forgive; Stossgebet; Blood For Blood (Faoladh); Sanctified with Dynamite; Werewolves Of Armenia; We Drink Your Blood
[Timo Reiser]Headliner des zweiten Tages bei Rock im Park ist KORN. Als eine der ersten Bands des Nu-Metals haben die Kalifornier inzwischen auch schon über 30 Jahre Bandgeschichte und eine entsprechend umfassende Diskographie. Da kann man für einen Festivalauftritt mit eineinhalb Stunden Spielzeit natürlich aus den Vollen schöpfen. Ein Großteil der Lieder kommt von den früheren Alben "Korn", "Issues" und "Follow The Leader", aber auch viele andere Alben finden sich in der Setliste wieder. Die Band tritt souverän auf, besonders gut gefällt mir die Lichtshow, die mit einigen senkrechten Laserstrahlen arbeitet und die Musiker so in "Lichtkäfige" packt. Als Fanliebling hat es KORN im Publikum natürlich auch nicht schwer, sondern wird gebührend eines Headliners würdig gefeiert. KORN ist für mich jedoch eher mäßig spannend, da ich sie privat wenig höre. Viel mehr freue ich mich auf die folgende Band, eher die Sensation für mich: SLEEP TOKEN.
[Noah-Manuel Heim]
Da POWERWOLF gar keine Fotografen zugelassen hat und wir KORN, wie gestern SLIPKNOT, auch nicht shooten dürfen, begleite ich Noah für ein paar Songs ins Publikum – immerhin sitzt hier der Frust bei weitem nicht so tief wie noch 24 Stunden vorher. Ich mag KORN sehr gerne und hatte schon ein paar Mal das Vergnügen, sie live erleben zu dürfen. Jonathan Davis und seine Mitstreiter ziehen routiniert ihr Programm durch und überraschen weder negativ noch positiv. Im Gegensatz zu dir, Noah, find ich die "Lichtkäfige” recht schnell langweilig – in puncto Präsentation hätte ich mir da bei einem Kaliber von der Größe KORNs doch etwas mehr erwartet. Aber das soll uns dann ja bald auf der "Mandora-Stage" erwarten – immerhin wurde diese über Nacht für SLEEP TOKEN nochmal extra um zwei Meter in der Tiefe erweitert.
[Chris Schantzen]
Setliste KORN: Blind; Twist; Here To Stay; Got The Life; Clown; Did My Time; Shoots And Ladders (Until The Bridge); Falling Away From Me; Cold; Ball Tongue; Twisted Transistor; A.D.I.D.A.S.; Dirty; Somebody Someone; Y'All Want A Single; Zugaben: 4 U; Dead Bodies Everywhere; Divine; Freak On A LeashVor der "Mandora-Stage" drängen sich die Fans, die teilweise bereits seit einiger Zeit dort auf den dritten Headliner warten. Als solchen haben die Veranstalter die kultig-mysteriöse Band SLEEP TOKEN gebucht, deren musikalische Erzeugnisse auch bei uns in der Redaktion bereits kontrovers diskutiert wurden. Ein schwarzes Tuch hängt vor der Bühne und verdeckt den Blick auf das Dahinterliegende. Bis es, vermutlich aus Versehen gut eine Viertelstunde vor Start des Auftritts plötzlich herabfällt. Dahinter kommt ein beeindruckender Bühnenaufbau mit mehreren Stockwerken zum Vorschein. Kurz darauf wird das schwarze Tuch wieder hochgezogen und dann geht es, einige Minuten nach geplantem Start des Auftritts, auch endlich los.
Die Bildschirme rechts und links von der Bühne zeigen Animationen von der Gesteinslandschaft mit den lila Blüten, welche auch das Albumcover von "Even In Arcadia" ziert. Bis schließlich das Tuch fällt und die Bühne, ebenfalls aus mit Blüten überwuchertem Stein und mit dem leuchtenden SLEEP TOKEN-Logo in der Mitte zum Vorschein kommt. Oben links befinden sich die drei vermummten Backing-Vokalisten, oben rechts Schlagzeuger "II". Aus dem Torbogen in der Mitte des Gebildes kommt "Vessel" aus einem Wasserfall hervor. Bassist "III" und Gitarrist und "IV" kommen unten hervor. Die ganze Band trägt neue Kostüme.Los geht es mit einigen Liedern vom neuesten Album. Während es von oben dauerhaft Konfetti regnet, singt das Publikum begeistert und bis jetzt am lautesten mit. Pits oder Crowdsurfing gibt es dafür nicht, dafür ist SLEEP TOKEN aber auch die falsche Band. Live ist die Band super. Wie die letzten Male auch gefällt mir, dass die Songs unter anderem aufgrund der Backing Vocals ein wenig anders interpretiert werden als auf der Platte. Die Lichtshow in Kombination mit der ausgefallenen Bühne gestaltet den Auftritt sehr spannend, davon sehe ich nur leider nicht viel, da sich direkt in meinem Sichtfeld ein paar 3-Meter-Riesen versammelt haben. Die weiteren Lieder werden bunt aus der Diskographie der Band zusammengemischt, der Schwerpunkt liegt jedoch auf dem neuesten Album und "Take Me Back To Eden".
Zwischen den Liedern werden kurz Animationen auf den Bildschirmen rechts und links gezeigt. Abgeschlossen wird der Auftritt mit dem phänomenalen Lied 'Take Me Back To Eden'. Ein solider Auftritt, der sogar aufwändiger produziert ist als die Headliner-Tour vorletztes Jahr, als ich die Band in München sah. Insgesamt gefiel mir ebendieser jedoch besser. Das liegt jedoch hauptsächlich daran, dass "Take Me Back To Eden" weiterhin mein Lieblingsalbum der Band ist, nicht das neue "Even In Arcadia". Für Fans vom neuen Album war dieser Auftritt jedoch etwas ganz Besonderes, nämlich die Live-Premiere der gespielten Lieder vom neuen Album.
Setliste SLEEP TOKEN: Look To Windward; The Offering; Vore; Emergence; Alkaline; Hypnosis; Aqua Regia; Rain; Caramel; The Summoning; Granite; The Love You Want; Higher; Damocles; Thread the Needle; Take Me Back To Eden
[Noah-Manuel Heim]
Fotocredit: Chris Schantzen
Fotocredit "SLEEP TOKEN": Noah-Manuel Heim
(Die Fotos stammen vom Konzert aus dem Zenith in München, vom 5.12.23.)
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- Redakteur:
- Noah-Manuel Heim