Rock im Park 2025 - Nürnberg

17.06.2025 | 21:55

06.06.2025, Zeppelinfeld

Regen hält uns nicht davon ab, zu rocken!

Freitag:

Ein Wochenende voller Rock! 100 verschiedene Bands machen vom 6. bis zum 8. Juni die vier Bühnen auf dem Zeppelinfeld mitten in Nürnberg unsicher. Parallel findet in der Eifel das Schwesterfestival Rock am Ring statt, dort treten dieselben Bands nur um Tage versetzt auf. Rock im Park ist hierbei mit "nur" 88.500 Zuschauern die kleinere Schwester im Vergleich zu den 90.000 am Ring. Beide Festivals feiern dieses Jahr ihr 40, respektive 30-Jähriges Jubiläum. Aus diesem Grund gibt es zusätzlich zum regulären Line-Up drei weitere "Very Special Guests". Wer das war und was unsere Redaktion sonst so von einem der größten deutschen Rockfestivals hält, erfahrt ihr in diesem Artikel. Let's Rock!

Das Festival startet am Freitag mit einem ordentlichen Regenschauer. Der Platz vor der Hauptbühne "Utopia-Stage" ist wie leergefegt. Doch Glück gehabt: Gerade rechtzeitig vor der ersten Band hört es auf zu regnen. NOTHING MORE eröffnet das Festival vor feierlustiger Menge, ich bin jedoch noch auf dem Weg auf das Infield. 'If It Doesn't Even Hurt At All' erklingt aus der Distanz, das einzige Lied der Band, welches ich kenne. Ich muss den Amerikanern jedoch den Rücken kehren, um mir erstmal einen Überblick über das Gelände zu verschaffen und das Media Center zu suchen. Chris geht währenddessen zu KITTIE.

[Noah-Manuel Heim]

Willkommen im Park, Noah. Den Regen hättest du aber gerne zu Hause lassen können. Da meine Anreise aus Hamburg ja doch etwas länger ist, bin ich bereits gestern Nacht mit DB-typischer Verspätung in Nürnberg angekommen. Dies hat den Vorteil, dass ich heute sehr früh schon auf dem Gelände sein und sogar noch den letzten Soundchecks lauschen kann, während ich den Weg zur "Atmos-Stage" suche (mehr dazu später). Sehr gerne hätte ich mir auch NOTHING MORE angeschaut, aber es regnet tatsächlich noch in Strömen, als ich hätte los müssen, so dass ich mich bis zu KITTIE noch im Media Center verstecke. Im unter Wasser stehenden Fotograben der "Mandora Stage" angekommen bin ich erstmal verblüfft, wie hoch die Bühne gebaut ist – deutlich über 2,50 Meter. Die Zuschauerinnen und Zuschauer in den ersten Reihen werden wohl nicht viel von den Bands sehen, sofern niemand auf den kurzen Steg geht.

Auch für uns Fotografen ist diese Bühne in den nächsten Tagen dadurch noch eine Herausforderung – jetzt freue ich mich aber auf meine erste Band für dieses Wochenende: KITTIE! Die Kanadierinnen legen mit 'Fire' direkt ordentlich los und behalten dieses Tempo auch über das komplette Set bei.

Vor über 20 Jahren habe ich KITTIE das letzte Mal bei Rock Am Ring gesehen und quasi seitdem hatte sich die Band ja auch eine Auszeit genommen, bevor mit dem aktuellen Album "Fire" das Comeback gelang. Interessant für mich ist daher vor allem, wie sich die alten Songs in modernem Gewand machen. Hier werde ich sehr positiv überrascht, altes und neues Material fügt sich sehr gut zusammen und auch auf der Bühne haben die vier Damen (in anderem Line up als damals) nichts verlernt. So macht KITTIE Spaß und wird wohl bald auch jüngeren Metalfans wieder ein Begriff sein. Nach der Show geht es für mich in den Graben zu SKILLET – da Timo aber inzwischen auch angekommen ist, überlasse ich ihm mal das Schreiben und konzentriere mich aufs Bilder machen.

Setliste KITTIE: Fire; I've Failed You; Cut Throat; Oracle; Spit; Eyes Wide Open; Mouthful Of Poison; Vultures; Brackish; We Are The Lamb

[Chris Schantzen]

Ich bin echt glücklich, als ich nach verblüffend kurzer Parkplatzsuche (Knöllchen=Parkgebühr) direkt neben dem  GREEN-Campinggelände, schnellem Zeltplatz finden und Aufbau desselben nach einem circa halbstündigen Marsch vor der "Utopia-Stage" ankomme. Der Laufweg gestaltet sich sehr unterhaltsam im genauen Wortsinn, habe ich doch einige nette Gespräche über die diesjährige, wohl ziemlich chaotisch verlaufene Füllsituation der Campingplätze. 

Es ist also nun 15:15 Uhr am Freitagnachmittag und SKILLET hat noch zwanzig von ihren sechzig Minuten. Zunächst einmal fällt mir beim just angespielten Song auf, dass ich ihn bei meinen Hörsessions bezüglich mir unbekannter Rock-im-Park-Bands gehört habe.

Zum flotten, tanzbaren 'Psycho In My Head' sehe ich aus der Entfernung die drei umherlaufenden Musiker, zwei Männer und eine Frau, auf weißen Podesten in zwei bis drei Meter Höhe über der Bühne schweben. Trotz der frühen Stunde beeindruck die Licht- und Videoinszenierung drumherum. 'Comatose' startet mit symphonischen Keyboard-Sounds, auch dieser Song ist mir bereits im ersten Durchlauf beim grünen Punkt im Gehör hängen geblieben. 

Die Stimmung auf dem Zeppelinfeld ist gut und die christliche Band findet mit ihrer eingängigen, knackig vorgetragenen Dance-Rock-Musik viel Anerkennung. Sie hat zudem Glück mit dem Wetter: Der zwischenzeitliche Regen verzieht sich wieder, was den meisten anderen Bands auf den drei Freiluft-Bühnen am heutigen Tag nicht in einem so großen Zeitfenster beschieden ist. Nun sagt Bandleader John Cooper, Gesang und Bass, den großen Hit von SKILLET an: 'Monster' und das Publikum grölt freudig den recht simplen, aber wirksamen Refrain mit. Der letzte Song ist 'The Resistance', bei dem die Schlagzeugerin Jen Ledger die weibliche Stimme singt. Korey Cooper, an der zweiten Gitarre neben Seth Morrison, ist übrigens die Ehefrau des Sängers. Das emotionale Stück beschließt den Gig, und SKILLET bekommt deutlich mehr als Höflichkeitsapplaus vom Publikum auf dem Zeppelinfeld.

Setliste SKILLET: Showtime; Feel Invincible; Rise; Awake And Alive; Legendary; Ash In The Wind; Whispers In The Dark; Hero; Not Gonna Die; Psycho In My Head; Comatose; Monster; The Resistance

[Timo Reiser]

Parallel spielt auf der "Mandora-Stage" IMMINENCE. Das sehe ich ganz entspannt von hier oben aus dem Media Center, das Publikum steht allerdings im Regen. Immerhin schüttet es nicht wie vorhin, sondern nieselt nur leicht. IMMINENCE liefert wie gewohnt ordentlich ab, hätte sich in diesem Fall nur in der Halle besser gemacht – einerseits weil es dort atmosphärischer wäre, andererseits wäre es dort auch trocken. 

Doch jetzt wird es Zeit, dass auch ich mich raus wage. Auf der "Utopia-Stage" steht gleich SPIRITBOX an. Man kommt ohne größere Anstrengungen bis ganz nach vorne, so voll ist es also noch nicht. Man sollte auch vor, bei den ersten paar Liedern sieht man auf den Videoleinwänden nämlich nur abstrakte Visuals, erst nach einiger Zeit dann Live-Videos. Es geht mit einigen neueren Liedern von "Tsunami Sea" los, die Veröffentlichung ging jedoch irgendwie an mir vorüber, deshalb ist das erste Lied, dass ich kenne 'Jaded'. Im Publikum ist es noch ruhig, hier und da wird mitgenickt oder mitgewippt, das ist es aber auch. Einen Crowdsurfer gibt es auch noch, obwohl das eigentlich verboten ist.   

Courtney verlangt von Publikum zu 'Void' zu Hüpfen, dem wird (zumindest anfangs) nachgekommen. Musikalisch passt es, insbesondere Courtney ist gewohnt gut. Auf der Bühne ist aber nicht so viel los. Courtney gestikuliert und läuft auf der Bühne umher, der Rest der Band läuft auch auf der Bühne umher. Das sollen dann verfremdete Video-Overlays und Effekte auf den großen Videoleinwänden wettmachen. Im Laufe des Auftritts bessert sich allmählich die Stimmung im Publikum. 'Circle With Me' beispielsweise wird mitgesungen - oder eher mitgeschrien. Auch gibt es weitere Crowdsurfer, ich muss diesem Thema wirklich nochmal nachgehen. Eigentlich steht auf der Website nämlich, das sei verboten. Ein solider, wenn auch showschwacher Auftritt. Immerhin sieht SPIRITBOX motivierter aus als letztes Jahr auf dem SBOA

[Noah-Manuel Heim]

AIRBOUNE hat heute aber auch Pech! Zum einen findet ihr Gig nahezu über die gesamte Spielzeit im Regen statt. Zum anderen fallen nach wenigen Songs die hinteren beiden Lautsprecherpaare auf dem Publikumsfeld vor der "Mandora-Stage" aus und die Screens links und rechts der Bühne zeigen nur das halbe Bild, sprich schwarze Balken. Vom  Regen verschuldet? Man weiß es nicht.

Die technischen Schwierigkeiten führen zu der skurrilen Situation, dass bis zum vorderen Drittel, zusätzlich mittlerweile noch durch stetigen Regen von einen "Wassergraben" fast abgetrennt, das Publikum aufgrund des leisen Sounds immer desinteressierter an diesem AIRBOURNE-Gig (!) wird und stetig Besucher durch die Ausgänge abwandern, während im vorderen Drittel zu Knallern wie 'Back In The Game', 'Girls In Black'  und 'Cheap Wine And Cheaper Women' die übliche Aussie-Metalrock-Halli Galli-Party steigt.  

Abgesehen vom Beschriebenen ist der Sound prächtig und die Band gibt wie eh und je spielerisch und körperlich alles. Joels Stimme hat in letzter Zeit wohl etwas gelitten, der floskelhafte Begriff "in die Jahre gekommen" scheint mir besser zu passen als "abgenutzt". Über die wunderbar scharfen Screens kann ich bei Nahaufnahmen prima die Gesichter beobachten und seine Mimik lässt ganz klar Anstrengung erkennen. Oft erinnert er mich an den "Crazy Frog" aus der Handyklingelton-Werbung der 90er-Jahre, weil ein Auge beim Pressen von Tönen etwas hervorzutreten scheint. Dennoch bietet die Band vollen Einsatz auf und ist mit Elan bis zum letzten Ton von 'Runnin Wild' bei der Sache. Schade, mit mehr Publikum und vollem Sound hätte das ein Abriss werden können. Am neuen, genau heute veröffentlichen und sogleich live präsentierten Song "Gutsy" hat es jedenfalls nicht gelegen.

Setliste AIRBOURNE: Ready To Rock; Too Much, Too Young, Too Fast; Breakin' Outta Hell; Back In The Game; Girls In Black; Gutsy; Live It Up; Rock 'N' Roll For Life; Runnin' Wild

[Timo Reiser]

Vor BULLET FOR MY VALENTINE gehe ich noch kurz in die Halle zu HOLY WARS. Die ist etwa halbvoll und wird von der starken Frontfrau Kat Leon mit eingängigem Hardrock beschallt. Eigentlich müsste ich jetzt los, doch die RIP-App meldet "starken Regen gegen 17:30". Da bleibe ich lieber ein paar Minuten länger hier. Die Bühnenshow ist nicht wirklich ausgefallener als bei SPIRITBOX eben, wirkt aber authentischer. Auch haben die Bandmitglieder einfach eine bessere Bühnenpräsenz. Einen ersten kleinen Circle Pit gibt es auch! Hier auf dem RIP hat die Band sogar ihren ersten Auftritt in Deutschland und das, obwohl die Sängerin selbst Deutsche ist. Plötzlich geht es um Kapitalismuskritik, das zugehörige Lied fällt mir dann aber etwas zu repetitiv aus – obwohl gerade das vielleicht auch eine Homage an den langweiligen Arbeitsalltag ist. 'I Feel Everything' folgt in einer Livepremiere und ich gehe rüber zu Bullet.


BULLET FOR MY VALENTINE habe ich zuletzt in München auf der "Poisoned Ascendancy-Tour" gesehen. Der heutige Auftritt sieht auf den ersten Blick sehr ähnlich aus, auf den zweiten Blick sieht er sogar fast identisch aus. "The Poison" wird komplett gespielt, dazu kommen noch ein paar Lieder von "Bullet For My Valentine" und "Scream Aim Fire". Die bekanntesten Hits sind damit automatisch mit von der Partie. Genauso war der Auftritt in München auch aufgebaut, bloß dass die Band hier nur eine Stunde Spielzeit bekommt. Matthew Tuck und Michael Paget stehen meist im Vordergrund und schmeißen die Show. Mich wundert jedoch, dass der Publikumsandrang nicht so groß ist, wie ich erwartet habe, aber das Publikum hängt vielleicht noch woanders fest. Die Band ist seit einigen Jahren im Geschäft und weiß, wie ein Liveauftritt geht. Für mich gibt es leider wenig Neues, da ich die Band ja erst kürzlich gesehen habe. Auf die Stimmung drückt weiterhin auch das schlechte Wetter. Also weiter zur nächsten Bühne.

Bevor ich zu den Jungs bei HEAVEN SHALL BURN dazustoße, schaue ich noch kurz zu FUTURE PALACE in die Halle. Und hier löst sich das Rätsel, wo denn das Publikum hin ist: Die Halle ist richtig voll, wofür Maria sich prompt bedankt. Das ist wohl dem nassen Wetter, aber auch der steigenden Bekanntheit der Band zuzuschreiben. Wer an jeder Straßenlaterne spielt, muss über kurz oder lang auch Erfolg haben. Das Programm ähnelt dem der letzten Tour, von der wir auch aus Nürnberg und München berichtet haben. Das Publikum lässt sich mitreißen, etwa die Hälfte kennt FUTURE PALACE, die andere sieht die Band wohl das erste Mal. Da springen bestimmt wieder ein paar Fans raus, die Band ist live wie immer super.

[Noah-Manuel Heim]

Als nächstes betritt HEAVEN SHALL BURN vor einem Backdrop, welches ein schwarzweißes Foto des zerbombten Nachkriegs-Berlins zeigt, die "Mandora-Bühne" und ich fühle mich durch das rote Hemd von Marcus Bischoff gleich an einen fulminanten Abriss in Wacken erinnert, bei dem die gesamte Band rötliche Hemden trug. Er ist schon der Blickfang, der charismatische Mittelpunkt, der sogleich die langen, schwarzen Haare kreisen lässt. Es geht ab, der Sound ist gut, aber mir aber für Metalcore fast etwas zu leise. In der nächsten Stunde folgt ein musikalischer Ritt durch die Bandgeschichte, einzig die Alben "Asunder" und "Wanderer" werden in der zehn Lieder umfassenden Setlist nicht berücksichtigt. Lediglich von "Of Truth & Sacrifice" gibt es mit 'My Heart And The Ocean' noch einen zweiten Song vor den Latz gebrettert. 

Es macht Freude, das hochprofessionelle Metalcore-Geschwader aus Thüringen die Früchte ihrer mittlerweile 25 Jahre andauernden Live-Ackerei ernten zu sehen, auch wenn der Gig kein vergleichbarer Triumphzug wie der Headliner-Auftritt vor zwei Jahren in Wacken wird. Über die Videowände fällt auch die Bühnenpräsenz von Alexander Dietz auf, der neben Bischoff ein weiterer Aktivposten an der Bühnenkante ist. Durch ein spontanes Bierstand-Treffen mit Chris und Noah wird die Musik zwar etwas zur Hintergrundbeschallung, mir entgeht jedoch keinesfalls, dass "Thüringens Finest" in Sachen harter Musik ordentlich abräumen. 

Vom Drama, das sich am nächsten Tag schon während des ersten Songs bei Rock am Ring abspielen sollte, bei dem Marcus Bischoff die Stimme ausfiel, kann man nach diesem starken Auftritt nicht im Geringsten etwas erahnen. Gute, folgenlose Genesung und beste Grüße an dieser Stelle vom gesamten Powermetal.de-Team an Marcus Bischoff!

Setliste HEAVEN SHALL BURN: Übermacht; Voice Of The Voiceless; My Heart And The Ocean; My Revocation Of Compliance (Live-Debut); Godiva; Combat; Trespassing The Shores Of Your World; Black Tears (EDGE OF SANITY-Cover); Empowerment; Endzeit

[Timo Reiser]

Während irgend ein Deutschrapper die Hauptbühne bespaßt, bin ich in der Halle. Hier ist eine absolute Bombenstimmung! NORTHLANE heizt dem Publikum hier nämlich richtig ein. Es wird fleißig mitgeklatscht und mitgesungen. Auch einen (für die Größe der Halle) beachtlichen Circle-Pit gibt es. Der Auftritt endet mit dem Kracher 'Clockwork'.

[Noah-Manuel Heim]

IN FLAMES hat Bock! Aber mal so richtig! Leider ist der  Sound beim phänomenalen Opener 'Pinball Map' etwas verwaschen und Anders Friden tritt kleidungsmäßig wieder mal auf wie ein hippender Hopper, der sich auf der falschen Bühne verlaufen hat. Der Gesang stimmt jedoch qualitativ wunderbar bei der "Anders & Björn-Band” und alle Gitarristen strahlen nach kurzer Zeit miteinander um die Wette. Über die Videowände ist von Beginn an zu verfolgen, dass vor allem Chris Broderick und Björn Gelotte stetigen Kontakt mit den ersten Reihen des Publikums haben und ihnen das großen Spaß zu bereiten scheint. 

Spannend von allerhand durchdachten Lightshow- und Bühnendeko-Gimmicks begleitet (zum Beispiel der Jester als Skulptur am Backdrop hochgezogen), steht dann bei vorgetragenen Krachern wie 'Cloud Connected' und 'Only For The Weak' einem wunderbaren Melodic-Death-Metal-Parade-Schaulaufen nichts mehr im Weg! Das Wetter vielleicht, aber den leichten Regen strahlt Anders mit einem bei ihm sonst eher selten zu sehenden breiten Lächeln einfach ab und an mal weg!

Überhaupt: Heute bietet die Band tatsächlich Charisma auf. Das ist ein Wesenszug auf der Bühne, den ich bei IN FLAMES in der Vergangenheit manchmal etwas großflächig vermisst habe. Auch wenn ich bei den Schweden stets die Total-Abrisse 2003 beim Summer Breeze in Abtsgmünd und in Wacken 2012 im Kopf habe, an die sie heutzutage bei weitem nicht mehr heranreichen, sind sie heute für mich echt gut! Mit dem letzten Song 'Take This Life' können sie mich noch einmal so richtig packen. Yeah!

Setliste IN FLAMES: Pinball Map; Deliver Us; In The Dark; Voices; Cloud Connected; Only For The Weak; Meet Your Maker; State Of Slow Decay; Alias; The Mirror's Truth; I Am Above; Take This Life

[Timo Reiser]

Die Maskenmänner von SLIPKNOT sind einer der Hauptgründe, weshalb ich  hier in Nürnberg bin. Die Band fehlt mir noch, zumindest mit einem vollständigen Gig. Bereits im Jahr 2000, bei ihrem ersten Auftritt bei Rock im Park, hatte ich sie erlebt, damals noch in einem Zirkuszelt. Jenes war damals völlig überhitzt und wurde vorher noch gelüftet, weil bei der vorrangegangenen Band einige Zuschauer in der Hitzeglocke umgekippt waren, was zu zeitlicher Verschiebung nach hinten führte. Bereits vor Konzertbeginn fand ich die Stimmung im Publikum unterschwellig aggressiv. Als dann aber SLIPKNOT in ihren roten Quasi-Guantanamo-Anzügen und den damals noch umhergerollten Fasstrommeln über die Bühne tobten, drehte das komplette Publikum im Zelt durch, so etwas Wildes habe ich nicht, oder zumindest nicht sehr oft erlebt. 

Mein Bekannter und ich beschlossen damals nach dem vierten oder fünften Song, eventuellen Verletzungen lieber durch Verlassen des Zeltes aus dem Weg zu gehen. Rückblickend eventuell ein Fehler, aber wir fühlten uns damals einfach nicht sicher. Ich denke, die Aggressions-Eskalation bei ihren frühen Konzerten hat schließlich zum erweiterten Einsatz des DJs geführt. Am heutigen Abend wird jedenfalls etwa nach zwei drei Songs immer ein kleines, von elektronischen Klängen unterlegtes Päuschen anberaumt. Das 'Knight Rider-Theme' ist eine lustige Einleitung, ganz gewiss. Ich stehe im vorderen Drittel des Videosäulen-Vierecks auf dem Zeppelinfeld zwischen zigtausend Menschen im Schlamm.

Nach dem bekannten SLIPKNOT-Intro entfesseln die Maskenmänner mit '(sic)' und 'People=Shit' ähnliche Energie auf dem Zeppelinfeld, wie ich sie schon damals wahrnehmen konnte, doch heute wird diese phänomenale Energieübertragung auf die beschriebene Weise abgeschwächt. Gerade die in vielen ihrer Lieder gnadenlos zerfetzend-antreibende Rhythmik des neunköpfigen Maskengeschwaders, macht für mich neben allen opulenten Schauwerten den Reiz von SLIPKNOT aus. Ich habe heute Abend jedenfalls trotz miserablen Wetters viel mehr Spaß an der Band als noch vor 25 Jahren. Das liegt nicht zuletzt auch an der mittlerweile riesigen Light- und Feuershow, die aufgefahren wird. Der optisch verzerrende, mit 3D-Effekten aufwartende Hintergrundscreen ist ein echter Hingucker, aber bei SLIPKNOT stehen dennoch Musik und Musiker an erster Stelle, was letzten Endes dann doch vor einigen Jahren der Hauptgrund für den Aufstieg der Band in den Headlinerstatus gewesen sein muss. 

Heute ist der Bandgründer Shawn Crahan nicht dabei. Das ist seit einiger Zeit der Fall, der "Clown" muss sich um seine Familie kümmern. Das wird vom als Vogelscheuche verkleideten Sänger Corey Taylor auch nach einigen Songs in einer Ansage so ans Publikum kommuniziert, das den Schlusssatz mit großem Beifall quittiert: "Familie ist alles!" Corey Taylor ist unter seiner neckischen Maske übrigens durchaus ein charmanter Zeitgenosse, was ihn offensichtlich neben seinen Gesangsqualitäten als allseits anerkannten, guten Frontmann auszeichnet. Mir machen im Verlauf des Konzerts die alten Kracher wie 'Wait And Bleed', 'Psychosocial' und 'Spit It Out' am meisten Spaß, ebenso das melodiöse 'Duality'. Ja, ich genieße und erfreue mich am munteren Treiben der maskierten Musikerhorde auf der "Utopia-Stage". Das nu-metallische Überfallkommando aus Des Moines im US-Bundesstaat Iowa beendet den Gig auf dem Zeppelinfeld mit 'Surfacing' und dem vertrackten 'Scissors', beide stammen wie auch das vorangegangene 'Spit It Out' vom ersten Album. Ich übergebe jetzt mal an Chris, der die Band schon oft gesehen hat.

[Timo Reiser]

Während Noah und Timo sich die ganzen Shows ansehen können, bin ich über den Tag hauptsächlich damit beschäftigt, von Bühnengraben zu Bühnengraben zu laufen, und zu versuchen, möglichst viele der Bands auch bildlich festzuhalten. Der Plan sieht auch vor, am frühen Abend noch SLIPKNOT zu shooten – eine meiner absoluten Lieblingsbands und der Hauptgrund, warum ich überhaupt erst aus dem hohen Norden hergekommen bin – danach dann die Kamera wergzulegen und die Show zu genießen. Auch wenn man mit den letzten Alben der Neun aus Iowa nicht immer konform gehen muss, haben sie es bisher noch immer geschafft, live eine unglaubliche Energie zu transportieren und mich trotz meines geschundenen Körpers zum Moshen zu verleiten.

Aber leider muss ich im Laufe des Tages erfahren, dass das Management von SLIPKNOT entschieden hat, POWERMETAL.de nicht zum Fotograben zuzulassen. Diesen Schlag in die Magengrube muss ich erstmal verdauen. Die lange Bahnfahrt, das Geld fürs Hotel, die ganze Vorfreude, zum ersten Mal SLIPKNOT fotografieren zu können - alles dahin. In diesem Moment ist für mich das Festival gestorben und ich habe sogar kurzfristig überlegt, einfach wieder abzureisen. Aber ich will mir dann auch nicht die tollen Bands der nächsten Tage nehmen lassen, nur weil ein arrogantes Management maximale Undankbarkeit und Respektlosigkeit an den Tag legt. Für heute sitzt der Frust aber noch sehr tief. Ich gehe jetzt noch pflichtschuldig RISE AGAINST fotografieren – welche live auch immer absolut abliefern – und dann laufe ich zur Bahn und fahre ins Hotel. SLIPKNOT lasse ich links liegen, der Stich sitzt tief. Wie singt Corey Taylor so passend? "Fuck it all! Fuck this world! Fuck everything that you stand for!" - ihr mich auch SLIPKNOT, ihr mich auch...

[Chris Schantzen]

Setliste SLIPKNOT: (sic); People = Shit; Gematria (The Killing Name); Wait And Bleed; Nero forte; Yen; Psychosocial; The Heretic Anthem; The Devil In I; Unsainted; Duality; Zugaben: Spit It Out; Surfacing; Scissors

Nachdem das mit den Maskenmännern nichts wurde, gehen Chris und ich lieber auf die "Mandora-Stage" und schauen uns RISE AGAINST an. Der melodische Punkrock, welcher von der Band um Sänger Tim McIlrath dargeboten wird, kommt beim Publikum gut an. Obwohl nebenan der Headliner spielt, wird es recht voll – es wird lediglich ein kleiner Streifen ausgespart, auf dem sich eine große Pfütze, oder wie Timo es vorhin dramatisch genannt hat, ein "Wassergraben" gebildet hat. Pyrotechnik rundet den Auftritt ab, so gibt es auch was fürs Auge. Ich schaue zurück ins Media Center und bekomme noch mit, dass wohl die Akustik-Version eines Liedes gespielt wird. 

Parallel tritt nämlich SMASH INTO PIECES auf der Orbit Stage auf, da will ich auch noch kurz vorbeischauen. Auch hier gibt es eine typische Show, ähnlich der in München, von der wir berichtet haben. Die Halle ist zwar nicht so voll, wie beispielsweise bei FUTURE PALACE vorhin, dafür ist das Publikum umso begeisterter dabei und macht beinahe vollständig mit. Damit schließe ich den heutigen Tag im Park ab und mache mich auf den Weg zurück ins Hotel. Morgen steht schließlich nochmal ein langer Tag an. 

[Noah-Manuel Heim]

Nach den "Schlüpfknoten" schlüpfe ich spontan, überraschenderweise trotz leicht klammen Wetters, noch rechtzeitig in die Halle, heutzutage sagt man ja Arena, und kann mir sogar noch einen Sitzplatz direkt gegenüber der Bühne sichern. MILLENCOLIN kenne ich bereits seit Mitte der 90er Jahre von der Punkrock-Samplerreihe "Cheap Shots", konnte sie jedoch noch nie live sehen. Das ändert sich jetzt, als die Band die "Orbit-Stage" betritt. Es folgt nach dem Opener 'Black Eye' Song auf Song, satte fünfzehn an der Zahl in weniger als einer Stunde und ich goutiere den für Surfpunkrock äußerst fetten und klaren Sound. 

Die Band macht viel Bühnen-Action, aber leider ist für meinen etwas erschöpften Körper das Sitzen momentan der größere "Hit" und so kämpfe ich etwas gegen den aufkommenden Dämmerschlaf an, nehme aber ein tolles Konzert wahr. Die Schweden pfeffern Kracher auf Kracher ins Publikum und der Innenraum tobt. Ich kenne natürlich vor allem 'Mr. Clean' und den letzten Song 'No Cigar'. Ich genieße, ohne mich wirklich mit der Setliste auszukennen. Dieser schöne Gig verfliegt viel zu schnell, guter Melodic-Punkrock geht halt immer! Schließlich schnuppere ich danach um 00:15 Uhr noch kurz, wie ich meine, zu SDP auf die "Mandora-Stage" rein. Noahs Vorschlag annehmend, ich soll mal "kurz" gucken, wenn ich vielleicht noch vorbeikomme...

Setliste MILLENCOLIN: Black Eye; Bullion; Sense & Sensibility; Fox; Lozin' Must; Ray; Olympic; SOS; Mr. Clean; Man Or Mouse; Penguins & Polarbears; True Brew; Bring me Home; Kemp; No Cigar

Aus "kurz gucken" werden dann ernsthaft die restlichen 40 Minuten bis 1 Uhr morgens. Ich komme nach 50 Minuten des einhalbstündigen Gigs von SDP (Stonedeafproduction), der mich vom Betreten des Geländes vor der "Mandora-Stage" an ziemlich flasht, muss ich zugeben. Ich habe im Vorfeld ein bissel beim grünen Punkt reingehört, mir ist auch klar, dass die beiden Jungs aus Berlin Radiomusik in der Schnittmenge aus Gitarrenpop, Hip Hop und Musik-Comedy machen und viele Lieder in Kollaborationen, zum Beispiel mit KONTRA K. erarbeiten. 

Ich laufe genau beim Hit 'Mama hat gesagt' ein und sehe sofort zahnbespangte Minderjährige grölend auf Schultern, Bengalos vor dem Mischpult und höre das gesamte Publikum mitsingen. Holla, hier geht's aber ab! Ein Blick nach vorne offenbart eine Showtreppe mit einem protzigen digitalen Backdrop im Hintergrund. Eine Gastsängerin hilft, die beiden Burschen wirken sofort sympathisch auf mich. Zwischen den Liedern wird viel geplappert, aber immer im Dialog, immer nett und unterhaltsam. 'Kein Bock' nimmt richtig Fahrt auf und ich bin dabei, vergesse meine schmerzenden Füße und lasse mich einfach ein wenig in die tolle Stimmung fallen. Die Texte sind witzig und besonders die Refrains brennen sich einem sofort in die Hirnrinde. Nebenbei wird das volle Showprogramm mit schickem Licht, Feuer, ab und an mal Leuchtkugeln vom Bühnendach und Bühnengästen gefahren.                                                    

Vincent Stein und Dag-Alexis Kopplin haben das nächtliche Publikum voll im Griff und lassen ihre Spielfreude ohne Unterlass ins Publikum schwappen. Einer von beiden rennt meist mit einer Gitarre über die Bühne. 'Scheiße baut sich nicht von alleine' macht viel Spaß, 'Die schönsten Tage' hält die Stimmung ebenso. Der Knaller ist aber für mich 'Tanz aus der Reihe', das mich richtig abholen kann. Ich muss gestehen, dass ich rückblickend die Live-Umsetzungen viel cooler und besser finde als das, was ich jetzt beim Schreiben gerade vom grünen Punkt nebenher höre. 

Der Rest des Publikums auf dem gut gefüllten Gelände ist ähnlich begeistert wie ich, die immer noch anwesenden Bengalo-Zündler jedenfalls ganz sicher! Nach ihrem größten Hit 'ADAC' packt SDP mit 'Die Nacht von Freitag auf Montag' das Publikum vollständig am Schlawittchen, tolle Sache, mega Partystimmung! Der Powermetal.de-Abgesandte muss gestehen, dass das Ganze mit Metal gar nichts und mit Rockmusik nur bedingt etwas zu tun hat. Dieser Gig ist aber mitreißend unterhaltsam und macht einfach großen Spaß. Das braucht man doch auf einem Festival! Ich bin vom kleinen Schlussfeuerwerk ziemlich überrascht, was für eine fette Inszenierung! So, nun geht's aber endgültig für heute zurück zum Green Camping in mein Zelt. 

Setliste SDP: Talentfrei; Du hast gehofft; Wenn ich groß bin; Das Lied; (Deine Freundin); Viva La Dealer; Ne Leiche; Liebe ist... (FINCH-Cover); Abenteuerland; Meine Welt; Unikat; So Schön kaputt; Mama hat gesagt (mit Esther Graf); Kein Bock; Ich will nur, dass du weißt; Ich will mein Problem zurück; Scheiße baut sich nicht von alleine; Die schönsten Tage; Tanz aus der Reihe; ADAC; Die Nacht von Freitag auf Montag

[Timo Reiser]

Fotocredit: Chris Schantzen

Hier geht es zum Samstag.


Redakteur:
Noah-Manuel Heim

Login

Neu registrieren