ROCKHARZ Festival - Ballenstedt

16.07.2023 | 14:52

05.07.2023, Flugplatz

30 Jahre "Rockharz"-Festival - wenn das kein Grund zum Feiern ist! Vier Tage lang durften wir bei Gluthitze auf dem Flughafen in Ballenstedt abrocken. Heiß war dabei nicht nur die Sommerluft, sondern vor allem die Bands.

Am dritten Festivaltag liegt wieder brütende Hitze über dem Ballenstedter Flugplatz. Wie die Grillhähnchen fühlen wir uns. Ich muss unbedingt sitzen und so kommt es, dass ich Schmier und seine DESTRUCTION nachmittags um fünf von einem schattigen Plätzchen unter einem Sonnenschirm aus genieße. Der Traditions-Thrash-Metaller zeigt mit seinen Mitstreitern, dass man auch nach 40 Jahren Bühnenpräsenz noch ordentlich unter Feuer steht. Die zur Verfügung stehende Dreiviertelstunde nutzt die Band ohne viel Firlefanz aus, um ihre kreischend lauten Songs rauszuhauen. "Wir leben diese Scheiße hier bis zum Ende", lässt Schmier uns wissen. Und das ist ihm auch zu glauben.

Ein völlig anderes Programm spielt die bayerische Formation EQUILIBRIUM, die die Festivalgemeinde mit Power- und Symphonic-Elementen durcheinanderwirbelt. Auch hier werden die gut 45 Minuten intensiv genutzt, um einen Song nach dem anderen ins Publikum zu feuern. Dabei können die Fans sich auch erstmals ein Bild des neuen Sängers der Truppe, Fabian Getto machen, der als versierter und agiler Frontmann überzeugt.

Dann folgt wieder mal eine jener Bands, die Herr K. aus M. und ich in den letzten Jahren aus den Augen verloren haben. Die finnischen Powermetaller von SONATA ARCTICA hatten sich für unseren Geschmack in den vergangenen Jahren zu sehr in komplexen, weniger eingängigen Hymnen verloren, die an die Ohrwürmer der frühen Jahre zumindest für unseren Geschmack nicht anschließen konnten. Dementsprechend sind wir positiv überrascht, dass die Band sich heute überwiegend für älteres Songmaterial entschieden hat. So kommen mit 'Black Sheep', '8th Commandment' und 'Full Moon' Titel unserer Lieblingsalben "Ecliptica" und "Silence" zu Gehör. Sänger Tony Kakko, inzwischen etwas ergraut, ist immer noch voller Energie und guter Laune und lässt sich am Ende der Show das Singspiel mit den Fans nicht nehmen. Angesichts der Kürze der Spielzeit hätte ich lieber noch einen Song gehört, aber Rituale wollen eben auch gepflegt werden.

Während Herr K. aus M. sich im Anschluss mit VERSENGOLD vertraut macht, nutze ich die Zeit bis zum ersehnten Hauptact des Abends für eine kleine Wanderung. Findet das Festival doch am Fuße der Gegensteine statt, einer Gesteinsformation im Zuge des Teufelsmauer-Stiegs. Dort kann man in ambitionierter Verfassung in knapp zwölf Minuten hochkrabbeln und sich das Festival von oben ansehen. Wie mir berichtet wird, soll es gute Tradition sein, auch bei wiederkehrendem Festivalbesuch jedes Jahr einmal hinaufzusteigen. Ob die Anwesenden dort oben Wiederholungstäter sind, weiß ich nicht, aber zumindest ist es auf der Teufelsstiege ganz schön voll. Eine Truppe junger, in der Blüte ihres Lebens stehender Männer trägt eine aufgeblasene Gummipuppe auf den Fels und preist gegenüber den skeptisch Dreinblickenden das Schicksal von "Helga". Sie mag nach zwei Festivaltagen einiges erlitten haben…

Quicklebendig kommt es dann um viertel vor elf endlich zum Höhepunkt des Abends. Die Powerfrau Alissa White-Gluz und ARCH ENEMY stehen auf der Rock Stage bereit und wirbeln in den kommenden anderthalb Stunden den Festivalground auf. Los geht es mit dem Titelsong des aktuellen Albums, 'Deceiver, Deceiver'. Die blauhaarige Sängerin jagt das Publikum wie immer mit unglaublicher Energie durch das Programm. Auch hier machen sich natürlich zahlreiche Crowdsurfer auf den Weg und um mich herum wird ordentlich wild Headbanging betrieben. Die Songauswahl wird überwiegend von Titeln der aktuellen Scheibe der Schweden dominiert, es kommt jedoch auch älteres Material zu Gehör. Dabei wird die Show nicht nur von Alissas akrobatischer Bühnenperformance untermalt, die sie mit ihrem Mikroständer fabriziert, sondern auch von gleißenden pyrotechnischen Einlagen. Die Powerfrau Alissa präsentiert die Songs in gewohnter Weise mit einer Mischung aus Explosivität und Lässigkeit. Aber auch Nachdenkliches weiß sie zu vermitteln. Wie viele andere Bands auf dem Festival erinnert auch die ARCH ENEMY-Sängerin an Dirk Lehberger, der über viele Jahre im Team des "Rockharz"-Festivals für die Bands verantwortlich war und mit seiner Firma Noisegate Productions viele namhafte Bands der Szene im Tourbereich begleitet hat. Sein viel zu früher Tod vor wenigen Wochen bewegt auf diesem 30. "Rockharz"-Festival viele Bands und so widmet auch ARCH ENEMY ihm mit 'As The Pages Burn' einen Song. Viel zu schnell vergeht die Spielzeit. Der Gig ist einmal mehr wie ein Hurrikan über uns hinweggefegt und ARCH ENEMY hat sich als würdiger Headliner des dritten Festivaltages erwiesen.

[Erika Becker]

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Redakteur:
Erika Becker

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