Provinssirock - Seinäjoki

26.06.2008 | 11:48

13.06.2008,

Samstag

Tag zwei des Festivals, und der morgendliche Blick aus dem Fenster macht Hoffnung auf einen regenfreien Tag. So geht es auch flugs zurück zum Festivalgelände. Man will schließlich nichts verpassen.

Vor allem nicht NEGATIVE, die an diesem Tag die undankbare Aufgabe haben, als erste Band auf der Hauptbühne zu spielen. Entsprechend leer ist es, doch im Laufe des einstündigen Gigs sammelt sich dann doch noch eine gute Menschenmenge an. Die Band lässt sich jedenfalls nicht beirren und zieht ihr Ding durch. Natürlich auch dabei ist der neue Gitarrist Gary, der zwar nicht ganz so ein Blickfang wie sein Vorgänger Sir Christus ist, aber sich dennoch recht gut in das Gesamtbild einfügt. Jonne und der Rest der Bande spielen mit 'In My Heaven', 'Frozen To Lose It All' und natürlich 'The Moment Of Our Love' (bei dem Jonne als kleine Showeinlage einen Teil von QUEENs 'The Show Must Go On' singt) auch ältere Stücke, doch auch das neue Album "Karma Killer" ist mit 'Giving Up', 'An Ornament', 'Motherfucker' und der Single 'Won't Let Go' gut repräsentiert.

Da das Saufen eine der Lieblingsbeschäftigungen der Finnen ist, ist es gar kein Wunder, dass die Band ELÄKELÄISET zu einer Art von Volkshelden mutiert ist, denn ihre Lieder handeln von nichts anderem. Dementsprechend gut ist auch die Stimmung während des Konzerts der Herren, die außer ein paar Keyboards und einem Schlagzeug nur sich selber am Start haben und voller Inbrunst altbekannte Lieder mit neuem Text und im Humppa-Gewand präsentieren. Geschmackssache, aber den meisten hier scheint es zu gefallen.

Auch APULANTA gehören quasi schon zum Inventar jedes finnischen Festivals. Trotzdem begrüßt das Publikum das Trio, als hätte man sie Ewigkeiten nicht mehr gesehen, und auch wenn die drei Herren hier in Seinäjoki nicht den besten Gig ihrer Karriere spielen, so machen die Fans dermaßen Stimmung, dass es einfach Spaß machen muss. Als kleines Extra wird das Konzert von zwei hübschen Blondinen in Zeichensprache übersetzt, ein netter Einfall, dem vielleicht noch ein paar mehr Bands folgen könnten. Die Setlist beinhaltet alte Hits und sogar unveröffentlichtes Material. Auch 'Pitkä Kuuma Kesä' ('Langer heißer Sommer'), eigentlich ein Hit von POPEDA, darf natürlich nicht fehlen. Schließlich wird diese engergiegeladene Neuauflage bereits als finnischer Sommerhit 2008 gehandelt [und was machen die für Musik? - d. Red.].

DANKO JONES aus Kanada waren trotz des langen Wegs ebenfalls schon öfter zu Gast auf finnischen Festivals. Die Fangemeinde ist auch hier wieder präsent und feuert ihre Helden zu einem kurzweiligen Gig an, der den Mannen auf der Bühne genauso viel Spaß zu machen scheint wie dem Publikum. 'Everybody's Sexy In Heaven, Baby', wird hier behauptet. Ja, hoffentlich, das wäre zumindest eine kleine Entschädigung für all die besoffenen Dödel, die mittlerweile das Festivalgelände bevölkern. Aber es werden hier nicht nur kleine Witzchen gemacht, sondern auch ein paar politische Statements (selbstverständlich anti Bush) losgelassen.

Der größte Prediger des Festivals ist allerdings SERJ TANKIAN, der mit weißem Anzug und Zylinder nicht nur wie ein Zauberer oder Alleinunterhalter aussieht (und zwar wie ein verdammt cooler), sondern das Publikum ebenso gut zu unterhalten weiß. Neben den Stücken seines Solo-Debüts "Elect The Dead" gibt es zwei unveröffentlichte Lieder. Eines davon ('Sounds Of War') fungiert als Gänsehaut erregendes Intro, bei dem Serjs Stimme in fast unnatürliche Höhen abgleitet. Auch ansonsten kann der durch SYSTEM OF A DOWN bekannt gewordene Herr mit dem Ausnahmegesangsorgan voll und ganz überzeugen. Also mich zumindest, doch einige andere finden die Kompositionen wohl doch eher gewöhnungsbedürftig und verlassen das Festival. Umso besser, kann ich besser sehen. Auf SYSTEM OF A DOWN-Songs wartet man zwar vergeblich, dafür gibt es aber mit 'Holiday In Cambodia' ein gelungenes Cover der DEAD KENNEDYS. Abschluss bildet 'The Unthinking Majority', dann ist auch Tag zwei vorbei. Und ja, es hat tatsächlich nicht geregnet.

Redakteur:
Ricarda Schwoebel

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