Party.San 2004 - Bad Berka
07.09.2004 | 13:3712.08.2004,
Es ist Freitag. Früher Nachmittag. Die ersten Metalzombies sind erwacht und wanken wagemutig durch das saftige Grün auf dem Festivalgelände. Bad Berka - ich bin angekommen. Den süffisanten Vorabend zwar verpasst, dafür aber noch (oder gerade) mit genügend Feierlaunen-Energie bestückt, geht es erstmal an den Bierstand: Ein Köstritzer schwarz - schließlich werden auch dieses Jahr wieder düstrig-schaurige Klänge neben dem Todesblei-Metal auf dem Party.San kredenzt. (Und Köstritzer Schwarzbier ist ein würdiger Ersatz für den bisherigen Bierlieferanten Leikeim - bierkennende Anmerkung von H. K.)
Den Opener machen die Mannen von SINNERS BLEED. Brillanter technischer Death Metal aus der deutschen Hauptstadt. Im Gepäck das schweinegeile Album "From Womb To Tomb". Das hat zwar bereits zwei Jahre auf dem Buckel, brezelt aber trotzdem noch gar ordentlich. Mit Songs wie 'The Ludo Game' oder dem Titeltrack ihres Debüts lässt der Vierer den langen Metalfreitag beginnen und macht dabei garantiert keine Gefangenen. Der Moshpit hat sich bereits vor der Bühne versammelt und bangt that head that doesn't bang. Vergleiche mit DEATH oder SUFFOCATION are welcome! Flitzefingerschnell und dabei bretthart präsentieren sich SINNERS BLEED der Crowd. Nach knapp 40 Minuten fällt bereits der Hammer für den zweiten Act an diesem klimatisch wirklich festivalwürdigen Tag. Leider, wie ich finde. Schön war's.
(Michael John)
In der Tat, SINNERS BLEED gehören eben auch zu der Speerspitze des deutschen Death Metal. Das beweist auch ein neuer Song, den die Jungs auf dem Party.San vorstellen. In dem Schmuckstück setzt sich das orgiastische Gitarrenspiele fort, das die Berliner schon über Landesgrenzen hinaus bekannt gemacht hat. Sehr fett. Und ein Spezialblick in den Notizblock offenbart noch folgende bahnbrechende Erkenntnis: "Wind von der Seite"...
Wind? Orkan! Black Metal - ungeschminkt, druckvoll, roh, ohne Keyboards - NEGATOR klingen als zweite Band simpel und effektiv. Doch zum Glück sind die Hamburger noch so rockbar, dass der Besuch beim Imbiss-Mensch ohne Kotzattacken verläuft. Mehr als achtbar kämpfen NEGATOR gegen die nachmittägliche Helligkeit, vielleicht trägt der Sänger deshalb ein "Fight Club"-Shirt. So wegen Kampf und so weiter. Dafür würden aber auch schon Songs wie 'Der Infanterist' reichen. Fürwahr eine donnernde Attacke ...
Das Aha-Erlebnis zu CRYPTIC WINTERMOON kommt dagegen vom Sänger-Beelzebub Ronny während des Gigs höchstselbst: "I'm your supersatan!". Um dieses Statement zum Song 'Supersatan' herum stürmt ein cooles Black-Metal-Inferno, das durch originelle und ausgefallene Keyboardeinlagen aus dem Oldschool-Keller geholt wird. Doch zum Ende hin bröckelt die Macht des kryptischen Wintermonds: Es wird zunehmend belanglos. Nur zum Ende wird es mit JUDAS PRIESTs 'Nightcrawler' noch einmal richtig derbe. CRYPTIC WINTERMOON agieren eben wie ein Himmelsgestirn, schließlich hat der normale Mond hat ja auch so seine Phasen ...
(Henri Kramer)
... dem bleibt eigentlich nichts mehr hinzuzufügen, bis auf ... !? Ach ja! Was dem einen Black, ist dem anderen Death Metal. Einzelne Riffs und Ideen sind recht ordentlich und laden mitunter sogar zum Luftgitarre-Spielen oder gemeinsamen Köpfebangen ein. Insgesamt hinken CRYPTIC WINTERMOON aber dennoch den Erwartungen hinterher. "Black Dance Metal!" vernehme ich es neben mir aus der Menge. Die 8,5 von insgesamt 10 möglichen Punkten im RockHard-Soundcheck sind über (zu) lange Strecken nicht zu hören, was wiederum auch an der Tageszeit liegen kann. Es ist gegen 17 Uhr - außer einem kurzen Regenschauer deutet nichts auf melancholisch-schwarzes Wetter. Verdammt, es ist einfach mal zu hell, um dunkle Stimmung zu verbreiten! Black Metal à la CRYPTIC WINTERMOON ist wohl doch eher etwas für die Dämmerstunden. God bless the night! Oh, sorry ...
Nach soviel finsterem Dreingeschaue kommt erst einmal wieder etwas für die Todesblei-Fraktion: FLESHCRAWL aus dem Schwabenländl laden ein zum kollektiven Nackenbrechen. Feinstes Geknüppel und Doublebassgeschleuder dauerbeschallen das angetretene Publikum zum mittlerweile durchaus angebrachten Anti-Regentanz. Schweden-Death, made in Germany, der sich perfekt in das natürliche Ambiente von Bad Berka einpasst: Wald, sehr viel Wald ... und viel weites Land. Und dann erst einmal eine ganze Weile nichts. Als sei es aus der Schreibfeder eines (un)talentierten Drehbuchautors aus Hollywood entsprungen, gibt es just in dem Augenblick einen Anruf aus Norwegen. Tore Christian ruft an. Ein christlicher (die Pechschwarz-Metaller mögen es mir verzeihen) Donnergott. So etwas gibt es also auch!? Man lernt eben nie aus. Es verfolgt einen ständig. Selbst beim Schlürfen seiner Gerstenkaltschale auf einem Festival hat man keine Ruhe vor dem Life-long-learning-Syndrom. (Oh Gott, welche Gräser rauchst du? - entgeisterte Anmerkung von H. K.) Back to the basics: Songs wie 'Made Of Flesh' oder 'Demons Of The Dead' machen einfach Spaß! Daumen hoch für einen gekonnten Sozusagen-Opener der Heroen von DISMEMBER am heutigen Abend.
(Michael John)
Raus aus dem Stau auf der A4, durch Bad Berka (beinahe wäre ich zum falschen Festival gebrettert; welcher Idiot veranstaltet eigentlich an ein und dem selben Wochenende in der selben Gegend zwei Festivals? Ich geb' dir ÄRZTE!), direkt aufs Gelände. (Ortsunkundiger Wessi eben, harhar - schadenfreudige Anmerkung von H. K.) Schnell Tolgas Zelt aufgebaut, und dann HAEMORRHAGE gucken. Die Spanier sind mir noch in guter Erinnerung, weil ihre makabere Show mich beim With Full Force 2002 Sonntag mittag recht schnell wachgerüttelt hat. Auch diesmal torkelt Sänger Lugubrious mit einem verbundenen Arm, nacktem Oberkörper und von oben bis unten voller Blut über die Bühne, während die anderen Bandmitglieder OP-Kittel tragen. Das Publikum geht zu krassem Grindcore-Gebolze ab, und sogar Götz Kühnmunds Bowlingkugel blitzt aus der Menge hervor. Allerdings habe ich Lugubrious etwas agiler in Erinnerung. Diesmal erklettert er nicht das Gerüst, schmeißt sich nicht laufend hin und deutet auch nicht so oft an, sich den Arm aufzuschlitzen. Wegen seines spanischen Akzentes kann ich nicht ganz verstehen, welchen Song er den "englischen Grindcore-Göttern" widmet und wer diese eigentlich seien sollen - anscheinend meint er aber nicht NAPALM DEATH. Henri? (CARCASS?!?! - ziemlich sichere Anmerkung von H. K.) Es folgt noch ein Song vom zweiten Album, wobei sich der Sänger immerhin das Mikro zwischen die Zähne schiebt. Nicht ganz das, was ich erwartet habe, aber dennoch das richtige Empfangsgeknüppel für mich.
(Carsten Praeg)
So muss es sein. Gleich auf die Fresse. Nebenbei, was einem so auffällt: Bad Berka ist mit seiner freundlichen Atmosphäre fast schon wie Wacken. Die Einwohner sehen im Homo Metallicus keinen langhaarigen Dämonen ohne Manieren, sondern einen eigentlich ganz netten Kerl mit einem komischen Musikgeschmack. Ein Typ nimmt uns während des Festivals sogar unaufgefordert in den Ort mit. Der "Metal"-Taxifahrer erzählt: "Ich mache das jedes Jahr freiwillig. Es ist schön, dass hier etwas los ist. Aber meine Musik ist das nicht!" Cool! Ob er aber auch noch so denken würde, wenn er die Show von HAEMORRHAGE anschauen müsste? Der Irre vom Dienst, also Frontsau Lugubrious, steht mit glasigem Blick an der Bühnenkante, sein Gesicht ist voller Kunstblut. Im Hintergrund brüllt infernalischer Grindcore aus den Boxen. Während des Gigs bringt Lugubrious sogar noch ein Einwegglas mit einem Gehirn auf die Bühne. Bange Frage: Seins? Fast möchte man es glauben, so wie der Typ an seinem Mikro herumwürgt. Kult!!!
(Henri Kramer)
Jetzt muss ich erstmal Kolläsche Carsten einen Herzenswunsch erfüllen und meinen Bericht mit "jo mei" beginnen ...
Jo mei, die Ösis von PUNGENT STENCH haben sich ins thüringische Hinterland verirrt um der Fangemeinde ihr neues Album "Ampeauty" vorzustellen. Dass dessen Songs auch live gut funktionieren, können Martin Schirenc und seine Mannen heute locker unter Beweis stellen. Besonders abgefeiert werden aber schon erwartungsgemäß die alten Klassiker wie 'Shrunken And Mummified Bitch', 'For God Your Soul, For Me Your Flesh' oder das abschließende 'Klyster Boogie'. PUNGENT STENCH - das ist keine Show, bei der wilde Raserei und wüstes Gekloppe regieren, aber trotzdem oder gerade deswegen ein cooles Stück Fast-Schon-Rockiger-Austria-Death-Metal.
(Stephan Voigtländer)
Da nickt selbst die Mozartkugel mit. PUNGENT STENCH sind schlicht und einfach gemütlich-tödlich. Bei ihren Hits spielen die Füße lustiges Eigenleben und däääänzen auf Tanzbär-Art los. Fast möchte man den Popper-Begiff "groovy" anbringen. Vom neuen Album "Ampeauty" gibt es auch schon ein paar Songs, die Dinger sind allesamt so livetauglich, wie die Fans vor der Bühne begeistert ihre Haare schwingen. Nur der neue Bassist von PUNGENT STENCH wirkt etwas angespannt und verbreitet noch nicht die Livepower wie Master Schirenc an Mikro und Klampfe. Und ein weiterer Zwischengedanke zuckt in den munter wippenden Schädel: In diesem krassen Billing fallen PUNGENT STENCH schon fast ein bisschen ab ... Dennoch dürfen die Ösis mit ihrem Gig sehr zufrieden sein. Rock on, guys!!!
Und nun greift der Wettergott ein: Selbst der Himmel hilft Zyklonen, vor dem Auftritt von ZYKLON ballen sich die Wolken über dem Festival zu einer spektakulären und regenfreien Versammlung. Dafür lassen es die Musiker etwas ruhiger angehen, das Quartett kreist nicht die komplette Zeit wie ein Hubschrauber-Rotor mit den Köpfen - aber gut, ich habe sie bisher auch nur in Norwegen gesehen, und da waren Messe und Rom gleichermaßen offen. Und mal im Ernst: Selten wird infernalische Black-Metal-Leidenschaft in solch pure Death-Metal-Freude umgesetzt. Kaum ein Stein bleibt auf dem anderen stehen, wenn die Jungs zum Beispiel 'Psykon Aeon' zocken und alles in Grund und Boden rammen. Solche Rammbock-Qualitäten entschuldigen auch die spärlichen Ansagen von Urviech Secthdamon, der selten mehr als ein "Come on, fuckers!" herausbringt. Doch von der anderen Seite betrachtet: Kein Gequatsche, sondern nur Geschrote. Peng.
(Henri Kramer)
Ein Jubelschrei geht durch die Menge, als DISMEMBER die Bühne betreten. Während Sänger Matti sichtlich besoffen ins Mikro grunzt, post die Saitenfraktion mit ihrem neuen Gitarrenkollegen Martin (Ex-SINS OF OMISSION; schade, dass sich die Band meines Kumpels Thomas aufgelöst hat). Nach dem älteren 'Soon To Be Dead' muss ich mich aber doch um unsere leicht angeschlagene Blast-Zwölfe Kathy kümmern. Derweil hauen die Väter des Elchtods neben "Death Metal"-Klassikern auch 'Tragedy Of The Faithful' und 'Where Angels Fear To Thread' vom aktuellen "Where Ironcrosses Grow"-Album raus. Der besoffene Matti verspricht sich permanent bei den Ansagen und fällt beim letzten Song der Schwerkraft zum Opfer - um einfach im Liegen weiterzusingen. Köstlich!
(Carsten Praeg)
Es regnet. Aber das ist bei DISMEMBER egal. Denn das kühle Nass verdampft buchstäblich über den ausflippenden Massen. Front-Maniac Matti ist genauso voll wie gut fünfzig Prozent der Fans. Das ist echter Einsatz und eine weitere Bestätigung der These: Bei einem Festival sind wir keine Menschen, sondern Metalheads ...
Nach solch' einer trunkenen Darbietung wie von DISMEMBER erwartet man sich von CARPATHIAN FOREST natürlich noch viel größere Action. Allein, sie kommt nicht. Dabei machen die Jungs um Nattefrost doch alles richtig, geileren Black 'n' Roll spielt zur Zeit keine andere Band auf dieser verrottenden Erdenscheibe. Doch die Bühnen-Ausstattung ist etwas mager - nur zwei junge Püppchen, die sich gegenseitig ablecken. Das Mädel-Doppelpack hat Nattefrost wohl auf dem Gelände gefunden, die Posen wirken etwas steif und überhaupt nicht notgeil. Deshalb muss Nattefrost den Part des Hauptposers übernehmen, wozu sonst hat er die zwei großen umgedrehten Kreuze in der Hand?! So bleibt die Erinnerung an eine schwarz-weiß geschminkte Show aus Ketten, Nieten und Stacheln, versetzt mit geilem Sound und stetigen "Hail Satan"-Rufen. Nicht schlecht, sogar sehr geil, aber CARPATHIAN FOREST können eigentlich noch viel kränker. Doch vielleicht liegt die "weichere" Show auch an der Freundin von Natt(l)efrost, in die der ungeschminkte Keifer am nächsten Tag immer wieder seine Zunge steckt ...
(Henri Kramer)
Die Feuerbrunst geht vor der Bühne hoch, als die Ur-Deather UNLEASHED wie die jungen Hasen loslegen. Anfangs haben sie zwar noch etwas Tonprobleme, doch dann knallt 'To Asgard We Fly' richtig gut. Die Stimmung ist auf dem Höhepunkt, und UNLEASHED verstehen es, mit dem Publikum zu spielen. Immer wieder lässt Frontmann Johnny das Publikum wie bei 'Death Metal Victory' die Refrains mitsingen. Die Urgesteine bieten mit 'Hell's Unleashed', 'Execute Them All' oder 'In The Name Of God' ein ganzes Best-of-Programm und legen auch noch eine halbe Stunde drauf. Während Kathy und ich feststellen, dass man das Geschehen auch sehr gut von Henris Autodach aus beobachten kann, liefern die Schweden ihren ersten Zugabenblock mit 'Victims Of War' und 'Before The Creation Of Time'. Den letzten Song widmen sie ihren mitangereisten Landsleuten von DISMEMBER und GRAVE, dann lassen sie sich bei 'Never Ending Hate' noch mal richtig feiern. Ganz große Klasse!
(Carsten Praeg)
UNLEASHED sind erzürnt wie immer, niemals endender Hass schlägt dem Publikum entgegen und begräbt die Massen unter tonnenschwerem Death Metal. Im Backstage-Zelt hinter der Bühne türmen sich derweil ebenfalls die Menschen auf der trunkenen Seite des Lebens, Klassensieger ist eindeutig der Frontmann von GOREROTTED. Auch UNLEASHED-Brüllkopf Johnny Hedlund ist nicht eben ein Ausbund an Nüchternheit, seiner Stimme schadet das aber nicht: Krächzend-tief entfahren ihm Flüche und Verwünschungen, Erinnerungen an selige Krachkapellen wie ASPHYX werden wach. Doch UNLEASHED haben gerade solche Kult-Combos überlebt, sind immer noch aktiv, das aktuelle Album "Sworn Allegiance" gleicht einem großen nordischen Todeshammer. Doch vergessen UNLEASHED ihre alten Weggefährten nie: 'Evil Dead' von DEATH widmen sie Chuck Schuldiner, eine fast schon rührende Geste. Irgendwann freut sich Johnny lautstark, dass UNLEASHED dieses Jahr ihren fünfzehnten Geburtstag feiern. Der logische Song zu diesem Jubiläum: 'Death Metal Victory'! Verdammt richtig!
Hernach eskaliert es wieder im Festzelt, auf dem Campingplatz, im Backstagebereich. Doch egal, wie sehr die Luft brennt, die rund 250 Party.San-Helfer und Security-Leute scheinen die Lage gut im Griff zu haben. O-Ton der Veranstalter: "200 Quadratmeter Müll und 25 geistige Tiefflieger mussten entsorgt werden." Der Rest versorgt sich mit den letzten Resten des legendären "Brutz und Brakel"-Cocktailstands... Wegschießen geht nicht nur mit Gitarren - was Kollege Stappert vom RockHard auch in einem hinteren Stübchen seiner Psyche germerkt haben dürfte, als ihn ein Krankenwagen in Richtung Ausnüchterungszimmer transportiert. YEAH!
(Henri Kramer)
- Redakteur:
- Henri Kramer