Lacuna Coil, Moonspell - Halle

11.01.2004 | 09:14

08.01.2004, Easy Schorre

Passend zum tristen Grau, das nach dem nur kurz währenden Schneefall nun wieder die Szenerie bestimmt, machten vier Acts mit düsterer Musik im Gepäck Station in Halles Easy Schorre. Wer auf Gothic Metal steht, durfte sich diese Tour wahrlich nicht entgehen lassen. Neben den "Superstars" MOONSPELL und LACUNA COIL standen mit POISONBLACK und PASSENGER auch zwei noch etwas unbekannte Bands auf dem Billing, die allerdings durch ihre namhaften Mitglieder Ville Laihiala (SENTENCED) bzw. Anders Friden (IN FLAMES) schon Einiges an Aufmerksamkeit erhaschen konnten.

Der Auftritt von POISONBLACK ging uns leider aufgrund der gewohnt frühen Anstoßzeit in der Easy Schorre durch die Lappen, da es halt schon ein bisschen dauert, bis man an einem Werktag von zu Hause loskommt und die Strecke von Leipzig nach Halle zurückgelegt hat. Zum Glück versorgte uns Freya von GothicParadise.de mit ihren Eindrücken von dem Auftritt.

Bereits um halb acht eröffneten POISONBLACK den Abend. Zu früh für das Hallenser Publikum, wie es schien, denn die Halle war gerade einmal zur Hälfte gefüllt. Der Grund dafür dürfte auch darin gelegen haben, dass die Band für Viele noch absolutes Neuland ist - schließlich wurde vor gut einem Jahr erst das Debütalbum "Escapextasy" veröffentlicht. Ein Blick hinter die Kulissen lässt aber sogleich feststellen, dass hinter POISONBLACK doch recht bekannte Größen stehen. Sänger J.P. Leppäluoto (CHARON) und SENTENCED-Sänger Ville Laihiala an der Gitarre überzeugten mit typisch finnischen Düsterrock, der zumindest in den vorderen Reihen begeistert aufgenommen wurde.
Wem POISONBLACK auf CD noch zu seicht rüberkamen, der zeigte sich nun begeistert. Die Finnen packten live noch einiges an Härte drauf: Herr Laihiala bewies, dass er auch der Gitarre brachiale Klänge entlocken kann, Keyboarder Marco Sneck ließ nicht nur Haare sondern auch die Finger über das Keyboard fliegen und J.P. entlockte mit seiner düster-tiefen Stimme auch den zunächst noch Skeptischen mehr als nur Höflichkeitsapplaus. Wer an diesem Abend zu spät kam, hatte definitiv einen mehr als würdigen Opener verpasst.
[Freya - www.GothicParadise.de]

Als zweite Band kamen PASSENGER zum Zug, eine schon etwas längere Zeit lose bestehende Formation mit Anders Friden von IN FLAMES am Mikro und Niclas Engelin von GARDENIAN an der Gitarre sowie den Herren Patrik Sten (ex-TRANSPORT LEAGUE) und Hakan Skoger (HEADPLATE). Seit Kurzem gibt es nun auch endlich das erste, selbstbetitelte Album der Truppe. PASSENGER boten ein knackiges Riffgewitter in der Schnittmenge aus Heavy Rock, Melodic Death und New Metal auf. Man konnte den Songs gut folgen, die prägnanten Riffs waren zwar einfach strukturiert, aber ziemlich wirkungsvoll.
Es dauerte natürlich nicht lange, bis der erste IN FLAMES-Song gefordert wurde. Der kam natürlich nicht, allerdings muss man auch sagen, dass man dem PASSENGER-Sound sowieso eine nicht unbeträchtliche IN FLAMES-Komponente raushören konnte. Als härteste Band des Abends (auch wenn MOONSPELL ebenfalls mächtig abrockten) servierte man in Form von beispielsweise 'In My Head' und 'I Die Slowly' ordentliches Kraftfutter für die Nackenmuskeln, die abschließende Ballade 'Eyes Of My Mind' war hingegen reichlich unspektakulär. Dennoch war es ein gelungener Gig, der die Zuschauer schon mal etwas in Fahrt bringen konnte.
[Stephan Voigtländer]

Gegenüber dem, was anschließend folgte, war das allerdings nur ein laues Lüftchen. MOONSPELL gaben ordentlich Gas und das Publikum mit ihnen. Sie präsentierten sich in sehr überzeugender Verfassung und waren nicht nur für mich der klare Gewinner des Abends. Im Mittelpunkt stand natürlich die sonore Stimme von Fernando Ribeiro, der sich während und auch nach dem Auftritts sehr lustig und ausgelassen zeigte. Zudem kann er so herrlich böse gucken und sorgte mit seiner besonderes Ausstrahlung für eine schöne Untermalung der Düster-Songs. Lustig war auch das Rumgefuchtel mit seinem Voodoo-Stab, der nicht seinen letzten Einsatz an diesem Abend haben sollte.
Die Songauswahl (siehe Setlist) wurde neben dem neuen Album "The Antidote" überraschend deutlich von dem Kultalbum "Irreligious" dominiert (drei Songs), was ich sehr begrüßenswert fand. In Kombination mit den fünf Songs vom wieder richtig hart geratenen neuen Album bedeutete dies eine ziemlich heftige Show, der aber trotzdem auch stets das düster-romantische Flair MOONSPELL's anhaftete. Überall flogen die Matten wild durch die Luft und die Portugiesen wurden zu Recht wie ein Headliner abgefeiert. Nach einer knappe Stunde war allerdings schon Schluss, da ja noch eine weitere Band auf dem Programm stand.
[Stephan Voigtländer]

Setlist MOONSPELL:
Antidote (Intro)
In And Above Men
From Lowering Skies
Alma Mater / Vampiria
The Southern Deathstyle
Everything Invaded
Opium
Devilred
A Walk On The Darkside
Abysmo
Ruin And Misery
Full Moon Madness

Nichts gegen den Headliner LACUNA COIL, ich mag diese Band sehr, aber an MOONSPELL kamen sie heute nicht heran. Dennoch war es bedauerlich, dass bereits erste Auflösungserscheinungen im Publikum zu registrieren waren. Denn dass diese Band sowohl musikalisch als auch showtechnisch ebenfalls eine Menge zu bieten, sollte sich auch ohne das neuerdings vorhandene VIVA-Airplay mittlerweile rumgesprochen haben. Das Sextett mit dem männlich-weiblichen Kontrastgesang bot dem Publikum eine engagierte Show, das die zum Großteil im Midtempo angesiedelten Songs (mit 'Tight Rope' als einzige wirklich harte Ausnahme) allerdings mit deutlich weniger Bewegungsdrang honorierte als zuvor bei MOONSPELL. Das Debütalbum "In A Reverie" wurde diesmal komplett ausgeklammert, dafür gab es reichlich Futter von den beiden sehr erfolgreichen Nachfolgern (siehe Setlist).
Richtig amüsant wurde es dann bei 'Heaven's A Lie', der ersten von zwei Zugaben, welches von Cristina Scabbia und den drei Sängern der Vorgängerbands gemeinsam intoniert wurde. Im Laufe des Songs enterten dann nach und nach alle Musiker der anderen drei Bands die Bühne und das alles mündete schließlich in einem herrlichen Rumgekasper. Es war ja die Abschlusszeremonie dieser Tour und es hatten sich einfach alle lieb. Die Herren Musiker lagen sich gegenseitig in den Armen und feierten eine ausgelassene Party auf der Bühne (mit Fernando's Voodoo-Stab als gern genommenes Posing-Requisit). Es war offensichtlich, dass dem im Laufe dieser Tour bereits etliche feucht-fröhliche Feiern vorausgegangen waren. Oder wie eine andere Person, die hier nicht näher genannt werden soll (und es war nicht Henri), die Szenerie beschrieb: "Das ist Metal. Friede, Freude, Eierkuchen und Saufen." Ein besseres Schlusswort fällt mir auch nicht ein.
[Stephan Voigtländer]

Setlist LACUNA COIL:
Swamped
To Live Is To Hide
Entwined
Self Deception
Humane
Cold Heritage
Senzafine
When A Dead Man Walks
Tight Rope
---
Heaven's A Lie
Daylight Dancer


Und nun noch als krönender Abschluss, wie mein geschätzter Kollege Henri das Konzert erlebt hat.

Die Tour ist am Ende, die Bands noch lange nicht. In Halle feiern sie noch einmal ihren letzten Auftritt. Schon bei POISONBLACK beginnt es. Die Band um den hier klampfenden SENTENCED-Sänger Ville Laihiala begeistert die vielen Fans in der "Schorre" schon ab Punkt halb acht mit abwechslungsreichem Gothic Metal aus Finnland. Krönender Abschluss: Der sichtlich alkohol-angeschlagene MOONSPELL-Sänger Fernando wankt auf die Bühne und lässt mit Ville zusammen die alte PARADISE LOST-Herrlichkeit bei einem herrlichen Cover entstehen - welches es war? Naja... Die Erinnerung....
PASSENGER können da im Anschluss nicht mithalten. Die Band um IN FLAMES-Röhre Anders Fridén klingt wie eine billige Schweden-Version von KORN, dementsprechend hält sich der Jubel im Publikum in überschaubaren Grenzen. Fürs Grinsen reicht es dennoch: Der Basser mit seinem kleinen Iro sieht aus wie 16, der Drummer wirkt ein Jahr älter, posen können Beide aber schon wie die Großen. Das macht die Musik aber nicht interessanter, spätestens nach einer halben Stunde nervt der Sound - die Lieder klingen allesamt, als hätten IN FLAMES zu lange zu viel Nu Metal gehört.
Zeit zum Ärgern bleibt kaum, denn MOONSPELL entschädigen für alles. Die Portugiesen sind live in bestechender Form und lassen den Hektoliter Dunkelheit ihrer neuen Platte "The Antidote" pechschwarz in die Halle stürzen. Sänger Fernando Ribeiro ist immer noch nicht nüchtern, mimt dennoch den Zeremonienmeister des gothischen Untergangs in perfekter Weise. MOONSPELL verlassen sich fast gänzlich auf ihre neuen Düsterperlen von "The Antidote", dazu kommen noch die Klassiker von "Wolfheart" und "Irreligious" - die restlichen Scheiben werden nur sporadisch gestreift. Eine weise Entscheidung!
Die Drumschläge von Mike Gaspar klingen hypnotisch, mit ihrem leichten Tribal-Touch geben sie dem Sound der Südländer die erste unverwechselbare Note. Dazu kommen die unglaublichen Melodien von Stücken wie "From Lowering Skies" oder "A Walk On The Darkside". Spätestens bei "Alma Mater" als drittem Stück ist es um die Wahrnehmung der realen Umwelt geschehen - die Welt verschmilzt zu einem Ort des permanenten Kopfschüttelns, der galoppierenden Gänsehäute, der kompletten Hingabe an begnadete Musiker aus einer anderen Dimension der Akustik. Zwar mag die reichlich überzogene Bühnenshow von Fernando nicht jedermanns Geschmack sein, etwa wenn er mit einem Totenkopfstock auf der Bühne steht. Doch dieser Typ ist Südländer, lebt und schwitzt seine Kompositionen, vermag mit seiner Leidenschaft die Massen vor der Bühne mitzureißen. Am Anfang von "Fullmoon Madness" steht er allein im Kegel eines einzigen Scheinwerfers, im Publikum reißen beim anschließenden Mosh einige Nackenbänder: Der Jubel nach dem Auftritt von MOONSPELL kennt kaum Grenzen, auch die Musiker müssen vor Freude über soviel Zuneigung breit lächeln.
LACUNA COIL haben es dementsprechend schwer überhaupt noch Beachtung zu finden. Ihr Auftritt gleicht eher einer gemütlichen Chill-Runde als einem Rock-Inferno, da hilft auch die beeindruckende Haarschüttel-Show von Sängerin Cristina Scabbia und ihrem stimmlich unterlegenem Kollegen Andrea Ferro wenig. Trotzdem wird der Auftritt kein Desaster, dafür sind heute trotzdem einfach zu viele LACUNA COIL-Fans in der "Schorre". Die feiern ihre Chart-Helden mit aller Kraft, auch die Songs der aktuellen CD "Comalies" kommen gut im Publikum an. Doch spektakulär ist der Auftritt der melodischen Pizza-Rocker aus Mailand nicht. Doch dann kommen die letzten zehn Minuten der Show...
Die drei anderen Bands entern gemeinsam die Bühne und zocken zusammen mit LACUNA COIL deren Hit "Heaven's A Lie". Alle Musiker haben sich lieb, alle singen und jammen zusammen, irgendwie wirkt die Szenerie wie eine außer Kontrolle geratene Gothic-"Superstars"-Show, wenn alle Kandidaten zum Schluss noch ein Liedchen für die Single-Charts trällern dürfen. Da darf Cristina einmal des Fernando's Schädelstab schwingen, während der MOONSPELL-Sänger den POISONBLACK-Ville herzt wie einen alten Kumpel, da stolpert ein jeder über den anderen: Ein ungekünstelter und wunderbarer Abschluss einer guten Tour, bei der MOONSPELL allerdings der Headliner-Status hätte gehören müssen.
[Henri Kramer]

Redakteur:
Stephan Voigtländer

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