Knorkator - Potsdam

16.02.2006 | 12:59

09.02.2006, Lindenpark

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Schmutzfinken sind es allesamt, denn so viel Dreck macht keine andere Band. Dies ist denn auch eine der wesentlichen Erkenntnisse des Zusatzkonzerts von KNORKATOR an jenem Donnerstag im Potsdamer Lindenpark: Einem bizarren Abend mit Brot und Laub. Und das, obwohl nur rund 300 Besucher da sind, die aber feiern, als wäre der Saal so ausverkauft wie beim zweiten Gig der Berliner Band am Tag danach an selber Stelle.

Zwei der prägenden Szenen: Drei Meter hoch steht KNORKATOR-Sänger Stumpen auf einer Box und springt. Er fliegt nach unten und rollt sich sportlich perfekt ab. Das Publikum johlt. Und Stumpen strahlt über beide Backen, tollt weiter über die mit Laub übersäte Bühne. Später verrät er das Backstage-Passwort für den Lindenpark, dass jeder aufsagen muss, um an dem breitschultrigen Wachmann vorbeizukommen - viele hätten es schon versucht, deshalb wären auch nur noch so wenige da, weil all die armen Groupies im Krankenhaus landeten. Und das Passwort? "Fotze", natürlich. Prädikat: Völlig wahnsinnig. KNORKATOR losgelöst...

Dabei fängt alles fast harmlos an. PI, benannt nach der berühmten Zahl, sind die Anheizer. Da sich zu der Zeit erst knapp 200 Leute großflächig im Lindenpark verteilen, stellt Co-KNORKATOR-Sänger Alf Ator vorher eine Bedingung: "Wenn ihr nicht richtig jubelt, spielen wir nicht." Übel nimmt ihm die gespielte Arroganz keiner. Und der Applaus fällt nicht schwer. Denn die Dresdner von PI, die sich offiziell als Finnenrocker im Genre des "Brutal Finnish Porncore" ausgeben, machen ihre Aufgabe richtig gut, spielen eine abwechslungsreiche Mischung aus Rock, Alternative und ein wenig Metal und scheinen sich auf ihrer Tour mit KNORKATOR immer besser in Szene setzen zu können. Mittelpunkt der Truppe ist die zierliche Sängerin Claudia, die mit variabler Stimme und ihren mädchenhaften Pippi-Langstrumpf-Grimassen den Saal verzaubert. Obwohl sie einen furchtbar blau-weiß karierten Rock trägt. Doch der Rest der Band hat sich vergleichbare Modeverbrechen als Kleidung ausgesucht - etwa der Gitarrist in seinen viel zu weiten, viel zu bunten Hosen...

Doch gegen die bizarre Kleiderwahl von KNORKATOR wirken PI völlig gewöhnlich. Stumpen und Alf Ator kommen nur in halbkurzen, weiten Jeans mit Hosenträgern und bunten Fransen auf die Bühne. Doch Stumpen ist selbst dieses luftige Outfit zu warm, was wohl auch an seinen zahlreichen Untertrikotagen liegt: Denn als er die Hose abwirft, befindet sich darunter ein neongrünes Puschelröckchen. Später ist auch das Stoffteil weg, ein enganliegender Schlüpfer spannt sich unter dem strammen Bierbauch. Auf der Unterhose steht: "Kurz und klein."

KNORKATOR scheren sich nicht um guten Geschmack. Sie verkaufen T-Shirts mit Aufschriften wie "Ich verachte Jugendliche", sie spielen Songs mit Namen wie 'Ich will nur ficken' oder 'Schmutzfink'. Eine von den Fans auch an diesem Abend im Lindenpark gern mitgesungene Refrainzeile lautet: "Ich bin ein ganz besonderer Mann, der mit dem Arschloch essen kann..."
KNORKATOR pendeln ständig auf diesem schmalen Grat zwischen absolutem Schwachsinn und witzigem Nonsens. Ihr Konzept funktioniert im Gegensatz zu Peinlichkeiten wie J.B.O., weil KNORKATOR ähnlich wie Helge Schneider so übertrieben grotesk wirken, dass Gedanken über Geschmacksgrenzen gar nicht erst aufkommen.

Zu den lyrischen Ergüssen hämmert ihr Metal-Sound, deftiger und einfach gestrickter Uffta-Uffta-Rock zum Feiern und Biertrinken. Dazu besitzen KNORKATOR eine Affinität zu ohrwurmenden Evergreens: In ihrem Programm finden sich Coverversionen von so bekannten Hits wie 'Ma Baker' von BONEY M, 'Geh zu ihr' von den PUHDYS oder 'All That She Wants' von ACE OF BASE. Stumpen interpretiert die Nummern mit seiner ausgebildeten Sängerstimme, die manchmal hoch bis zur Schmerzgrenze schrillt.

Die Menge tobt und schwitzt. Fast zwei Stunden lang. Den Spannungsbogen ihrer Show können KNORKATOR auch deshalb halten, weil sie auf ihre Fans eingehen und ihre Auftritte immer möglichst bizarr gestalten. Da darf etwa ein alter Rocker-Typ mit Quasi-Weihnachtsmannbart auf die Bühne, weil er die Mutter der "Schwester", also dem ständig rauchenden und saucoolen KNORKATOR-Gitarristen Buzz Dee sein könnte. Dreckig wird es ab der Hälfte der Show: So holt Stumpen drei blaue Müllsäcke mit Laub auf die Bühne und wirft das Zeug über seine Fans. Kurz darauf bringt er einen Pappkarton an: die darin enthaltenen Kuchenböden und Weißbrotscheiben landen ebenso bei den Zuschauern. Am Ende aller Kapriolen, kurz vor dem finalen 'Ich hasse Musik', will Stumpen es noch einmal genau wissen. "Meint ihr, dass ihr für das Unterhaltungsprogramm nicht umsonst bezahlt habt?", fragt er. Das Publikum schreit, eine Scheibe Brot fliegt nach vorn. Nur der Aufräumdienst im Lindenpark dürfte in diesem Moment nicht begeistert gewesen sein.

Redakteur:
Henri Kramer

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