Holtebüttel Rockt-Festival 2025 - Langwedel

20.07.2025 | 12:51

06.06.2025, Pferdeweide

Punk und Core auf dem Dorf.

Freitag

Den Auftakt für meinen persönlichen Festival-Sommer macht in diesem Jahr das "Holtebüttel rockt" in der niedersächsischen Provinz. Das kleine Open Air im Landkreis Verden mit leicht punk- und core-lastigem Einschlag gibt es schon seit 2010 und es hat sich bis heute stets weiterentwickelt.

Im vergangenen Jahr gelang es dem veranstaltenden Verein erstmalig, alle 2.000 verfügbaren Tickets unter das rockende Volk zu bringen, und auch dieses Jahr ist es wieder genau so voll auf dem gemütlichen Infield.

Gegen 17 Uhr entert als erste Band BEYOND THE BREACH die gegenüber dem Vorjahr nochmal deutlich angewachsene Festivalbühne. Optisch fühle ich mich im ersten Augenblick an die deutschen ESC-Vertreter von vor zwei Jahren erinnert, akustisch ist man hier aber zu meinem Glück eine ganze Ecke härter unterwegs. Auch wenn der Mix aus Nu Metal und Metalcore nicht meinem bevorzugten Geschmack entspricht, machen die wirklich guten Vocals mit abwechselnd Klargesang und reichlich energiegeladenen Screams und Shouts schon einmal gute Laune. Bei zwar leicht durchwachsenem aber zumindest noch trockenem Wetter, sehen das auch reichlich andere angereiste Musikfans so, denn vor der Bühne tummeln sich schon jetzt so viele Leute, wie noch vor einigen Jahren am ganzen Festival-Wochenende vor Ort waren.

Stilistisch recht ähnlich übernimmt CHAOSBAY anschließend das Instrumentarium auf der Hauptbühne, nachdem auf der kleinen Nebenbühne im hinteren Bereich des Infields ACOUSTIC GUERILLAS die Beschallung während der Umbau-Pause übernommen hat. Nun, wie gesagt, wieder in den Fahrwassern des Metalcore unterwegs, erklingen zuerst jede Menge elektronische Klänge aus der Konserve. Dies, gepaart mit etwas zu generischem restlichen Sound, lässt mich erst einmal nur verhalten mit der Fußspitze wippen. Was man der Band jedoch keinesfalls ankreiden kann, ist mangelnde Spielfreude und auch hier sind die stimmlichen Darbietungen wieder auf den Punkt. Die beiden Opener am Freitag sind an ihren Instrumenten und den Stimmbändern jedenfalls einwandfrei unterwegs. Das hat man definitiv auch schon anders erlebt. Das Set der Berliner wird schließlich mit 'Money' abgeschlossen, einem Song, der hier live extrem Spaß macht, und mich am Ende dann doch nicht so enttäuscht zurücklässt, wie es mich die ersten Töne hatten vermuten lassen.

Zwischen den Acts bleibt dann Zeit, das kleine und unglaublich gemütliche, familiär anmutende Festivalgelände zu erkunden. Viele unterschiedliche Möglichkeiten zum Verweilen, kurze Schlangen an den Getränke-Ständen, eine reichliche Auswahl an unterschiedlichen Speisen – auch für den veganen Gaumen – und jede Menge liebevolle Deko tragen neben den Künstlern einen ganz erheblichen Teil zum Gesamteindruck dieses Wochenendes bei.

Neben einem Stand einer lokalen Jugendhilfe-Organisation, an welchem mit kreativen Ansätzen Spenden eingeworben werden, gibt es auch noch ein eigenes Merch-Zelt, in welchem die Bands dieses Festivaltags ihre Musik und die üblichen Fanartikel zum Verkauf anbieten und außerdem bereitwillig für Autogramme und Gespräche zur Verfügung stehen. Bei den kleinen Regenschauern des Abends findet aber auch der oder andere Zuschauende kurzfristig einen trockenen Unterstand.

MAELFØY kommt ganz aus der Nähe, nämlich aus Ganderkesee auf die Holtebütteler Bühne. Stilistisch bleibt es ähnlich, aber im Intro sind hier immerhin schonmal Gitarren zu hören. Insgesamt ist die Truppe eher melodisch unterwegs und es gibt viel Klargesang auf die Ohren. Trotz großer musikalischer Bandbreite mit Deutschrap-Einlagen und Akustikgitarre will mich das Gesamtpaket schlussendlich nicht vollständig abholen – ebenso wie die beiden Vorgänger-Acts auf den Brettern.

Ein kleines vorgezogenes Tages-Highlight ist dann MASSENDEFEKT: Metalcore wird abgelöst von grundsolidem Punk-Rock. Man merkt, dass auch das Publikum dies ganz ähnlich sieht, denn es ist noch einmal deutlich mehr im Infield los. Die Gute-Laune-Klänge mit deutschsprachigen Texten werden von der Meute abgefeiert bis zum letzten, hoch durch die Luft geschleuderten Tropfen Bier aus dem Plastikbecher. Spaß haben hier alle, egal ob vor, auf oder neben der Bühne.

Der Headliner des Freitagabends und der wahrscheinlich größte Name, der bisher in der Geschichte des Festivals hier auf dem Dorf aufspielen darf, ist dann schließlich die deutsche Nu-Metal-Größe EMIL BULLS. Die Bühne wird noch einmal richtig herausgeputzt und zusätzliche Lichteffekte installiert. Das größte Manko an der nun stattfindenden einwandfreien Show, ist vermutlich der etwas späte Time-Slot in der Running Order. Aufgrund des spontanen Wegfalls der nachfolgenden Band wird sogar noch länger als geplant aufgespielt und um Mitternacht ist das Publikum dann doch schon arg ausgedünnt. Das ist ein bisschen schade, denn viel Freude an dem lautstarken Auftritt haben eigentlich doch alle.

Samstag

Am Samstag stehe ich am frühen Nachmittag das erste Mal wieder unter den hohen alten Eichen, zwischen denen die Open-Air-Bühne ein kleines bisschen weniger groß wirkt. Das Wetter ist schon den Vormittag über eher durchwachsen gewesen und es hat immer mal wieder Schauer gegeben. Bei VON GRAMBUSCH ist es zunächst dennoch erst einmal trocken. Stilistisch geht man den Tag heute etwas ruhiger an als gestern. So richtig mitreißend ist die Musik der Lokalmatadore aus Bremen beileibe nicht, dafür passt der alternative Rock umso besser zum kuscheligen Flair des kleinen Festivals. 

Einige hundert Menschen wurden zumindest unter ihren Pavillons hervorgelockt und auch der Shuttle-Bus vom nahegelegenen Regionalbahnhof hat schon so einige Musikfans bis fast vor die Bühne gebracht. In den gemütlichen Tagesstart hinein bricht dann aber zuerst der Regen aus den Wolken und dann eine amtliche Unwetterwarnung. Der Auftritt wird kurzerhand abgebrochen und die Besucher werden aufgefordert, Schutz in ihren Autos oder in der angrenzenden Schützenhalle zu suchen. Innerhalb weniger Minuten ist das Gelände erfolgreich geleert, sehr vorbildlich. Mit einer Akustik-Gitarre bewaffnet macht die Band dann kurzerhand im Schützenhaus weiter und bringt unter viel Applaus den Auftritt zu Ende.

Bald darauf hat sich das Unwetter dann aber schon wieder verzogen und THE LIVELINES darf mit etwas Verspätung auf der Bühne durchstarten. Man startet auch hier ohne Backing Track, was auch ganz hervorragend zur zurückhaltenden Optik der Band passt. Voreingenommen könnte jemand meinen, er hätte eine Schülerband vor sich – aber weit gefehlt! Ein perfekt abgestimmter Sound, aus dem man die toll gespielte Gitarre und den Bass gut heraushören kann, wird von der klaren und kraftvollen Stimme der jungen Sängerin komplettiert. Keine – wie gestern manchmal vernommene – Wand aus Lärm, in welcher feine Details untergehen würden. Alle, die schon bei der zweiten Band des heutigen Billings vor der Bühne stehen, werden mit einem guten Song nach dem anderen belohnt, denn Füller sucht man im Set der Osnabrücker Rockband heute vergebens. Die Spielfreude der Band und die energiegeladenen Vocals tun ihr Übriges und transportieren pure gute Laune von der Bühne auf das ganze Festivalgelände. Ein frühes Glanzlicht zwischen viel Matsch und vereinzelten Sonnenstrahlen.

Alternativer Punk mit Pop- und NDW-Einschlag und viel Inhalt wird anschließend von TYNA präsentiert und die Hamburger Truppe hat offenbar einen ganzen Fanclub mitgebracht. Nicht nur der und die Band haben Spaß bei den eingängigen Texten, die von großen Teilen der Festivalgängerinnen schnell mitgegrölt werden. Punk war ja (zum Glück) noch nie unpolitisch und die linksgrünversiffte Wokeness in den Zeilen macht in meinen Ohren einfach Sinn. Regelmäßig habe ich bei Konzerten von mir zuvor unbekannten Bands den Eindruck, dass ich deutlich mehr Spaß hätte, wenn ich mit den Songs schon vorher vertraut gewesen wäre. TYNA hingegen ist der pink-gewordene Beweis dafür, dass auch das Gegenteil der Fall sein kann.

Nur mit einem halben Ohr nehme ich dann TRIPKID wahr, während ich mit meiner Begleitung mal etwas Pause mache. Der Crêpe mundet mir ganz wunderbar, die Hintergrundbeschallung hingegen nur in Teilen. Aber auch das ist auf einem Festival mal erlaubt.

Sage und schreibe elf große Fahnen werden im Publikum geschwenkt noch bevor die ersten Töne von JACK POTT zu hören sind. Spannend zu sehen, dass auch hier die Fans der Band hinterherzureisen scheinen. Das, was vom Quartett selbst als Disco-Punk bezeichnet wird, sind deutsche Texte mit Hammond-Orgel und einer guten Portion Ska. Liest sich etwas merkwürdig, ist aber wenigstens live absolut stimmig. Der Mann an den Tasten und am Mikrofon verdient den Ausdruck Rampensau im positivsten Sinne. Während sich die Pferdeweide trotz im Augenblick ausbleibenden Regens zunehmend in einen matschigen Acker verwandelt, tut das der Stimmung auf beiden Seiten der Bühnenbarrikaden überhaupt keinen Abbruch. DEICHKIND-Sound im letzten Song? Geht absolut klar!

Kaum steht APRIL ART auf der Bühne, öffnet der Himmel wieder einmal seine Schleusen. Der rotzige Alternative Metal lockt dann auch erstmal nicht so viele Menschen aus dem trockenen Merchandise-Zelt vor die Bühne.

Man kennt die Truppe in Holtebüttel allerdings auch schon und auch wenn optisch einiges geboten wird und man heute beim Sound der Gießener das erste Mal von Metal sprechen kann, holt mich das Gesamtkonzept am Ende nicht vollständig ab. Ein paar der vorherigen Bands haben mich mehr überzeugen können – auch wenn man da "nur" von Rock sprechen konnte.

Das Festival wird dann schließlich krönend abgeschlossen von den Herren der DRITTEN WAHL. Die Klänge sind nun wieder deutlich puristischer und beim Mithüpfen ab dem ersten Song ist die Regen-Kälte, die sich im Laufe des Abends ihren Weg bis auf die Knochen gesucht hat, schnell abgeschüttelt. Der Himmel ist zwar inzwischen schwarz und nicht so blau wie Curaçao, wie besungen, aber das tut dem Deutschpunk der fast vierzigjährigen Gruppe überhaupt nicht weh.

Jeder einzelne Song lädt zum Mitsingen ein und eine wundervolle Stimmung stellt sich vor der Bühne ein, während die zum Teil ungezwungen und dann doch wieder sehr ernsthaften Texte einem gar nicht mehr aus den Ohren gehen wollen. Das Publikum scheint entsetzt, als von der Bühne dann die Mitteilung kommt, dass nun das letzte Stück erklingen würde, denn das Set ist wie im Flug an allen vorbeigezogen. Der Refrain vom 'Fliegen' wird dann vom Publikum noch einige Minuten lang skandiert, auch nachdem die Band längst von der Bühne getreten ist. Für mich ein absolut gelungener Abschluss des diesjährigen Holtebüttel rockt! Noch am nächsten Morgen soll ich mit 'Panama' im Ohr aufwachen.

Offiziell ist das Festival jetzt noch nicht vorbei, denn den sprichwörtlichen Sack schließt dann ab kurz vor Mitternacht die Band DEAD ROCK PILOTS. Die Band mit ihren in der Regel musikalisch sehr sauber dargebotenen Cover-Versionen aus unterschiedlichen Genres habe ich aber schon einige Male live gehört und der lange und vor allem nasse Tag steckt mir dann doch in den Knochen, sodass ich schon verfrüht das Gelände verlasse – zugegebenermaßen aber sehr zufrieden.

Text: Daniel Lindhorst

Fotocredit: Carina Rohde

Redakteur:
Daniel Lindhorst

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