HIM - Leipzig

24.02.2006 | 00:52

17.02.2006, Haus Auensee

Die Autos stauen sich, alle wollen auf einen Parkplatz, trotz unverschämten 3,50 Euro Parkgebühren: Gerade einmal kurz nach 18 Uhr herrscht großer Andrang nahe des Haus Auensees in Leipzig. Der Saal ist die Location für den zweite Konzertabend in Folge der finnischen Gothic-Rock-Band HIM. Im Schlepptau haben die Jungs THE RASMUS und NEGATIVE sowie Fans im Überfluss, die zwischen 10 und 40 Jahre alt sind - der weibliche Anteil an Fans überwiegt jedoch nur gering. Die ausverkaufte Halle ist angenehm warm, doch mit Beginn von NEGATIVE wird es richtig heiß. Die hübschen Jungs der Band sind durchweg bunt und feminin gestylt. Und sie wissen ganz genau, wie sie auf die Mädels in den ersten Reihen wirken - Rufe bleiben nicht aus, Rosen fliegen auf die Bühne. Die Finnen dagegen geben bei ihrem Auftritt nichts auf das hiesige "gute" Benehmen: Doch wen stört es schon, ob die Bühne vollgespuckt wird oder auf einer Box riesengroß "Lets Fuck" steht? Den Fans gefällt es; es erinnert an die früheren Jahre von BON JOVI. Die Jungs vermitteln einem das Feeling einer neuen Band, aus der noch etwas wird, so wie es HIM mit ihrem ersten großen Hit 'Join Me' damals schafften - heute müssen HIM schon Zusatzkonzerte geben um die Fans annähernd zu befriedigen. Mal sehen wie lange das bei NEGATIVE noch dauert. Rocken und Mädchenherzen brechen können die Jungs schon mit Sicherheit. Ein klasse Auftritt für die erste Band des Abends, einfach nur mitreißend, rockig und cool.

(Franziska Böhl)

Besonders Sänger Jonne Aaron, der mit seinem schlanken Körper, den geflochtenen Rastas und ohne Bart auf den ersten Blick wie ein Mädchen wirkt, bleibt in der Erinnerung haften. Diese Band hat mit ihren fetzig rockenden Nummern durchaus das Zeug, die nächste große Musik-Sache aus Finnland zu werden. Obwohl sie musikalisch eigentlich totale Retro-Klischees bedienen: Sie machen eben den Glam-Rock, den GUNS'N'ROSES oder früher BON JOVI einst spielten. Optisch dagegen verzichten sie auf die bunten Tücher von damals und setzen lieber auf ein moderates Gothic-Image. Die Mischung geht auf, die Fans sind begeistert. MTV und VIVA haben hier gute Arbeit geleistet, der kleine Hype um NEGATIVE zeigt in Leipzig große Wirkung. Zurecht!

(Henri Kramer)

Nachdem sich die ersten Reihen mit Wasser abkühlen, kann nun endlich auch die zweite Band auftreten: THE RASMUS. Gleich zu Beginn ertönen einige wenige Rufe nach Sänger Lauri Ylönen. Die Band kommt im Gegensatz zu ihren Vorgängern in schlichter schwarzer Kleidung auf die Bühne - nur Lauri trägt zur Verschönerung seiner Wollmütze ein paar Federn am Kopf. Zwar musste ein erster Fan schon rausgetragen werden, aber von Rocken und Hysterie kann nicht die Rede sein. THE RASMUS setzen da eher auf softere Töne. Eine tolle Bühnenshow wie bei NEGATIVE bleibt auch aus. Ein Auftritt der nicht sonderlich rockig ist, aber eingängig. Die Stimmung steigt erst gegen Ende nach oben als ihre "Klassiker" gespielt werden: 'First Day Of My Life' etwa, oder natürlich 'In The Shadows', ihr erster Hit. Dabei erklingen sogar Mitsingchöre aus dem Publikum. Insgesamt ist es aber ein zu langer Auftritt, vor allem da nun das sehnsüchtige Warten auf den Hauptakt folgt.

(Franziska Böhl)

Zwischenruf: Der klare Blick vom Zigarettenautomat an der Seite sieht bei THE RASMUS ebenfalls nichts Spektakuläres. Die Gitarren sind auf poppiger Lautstärke nach untern gedreht, RASMUS-Sänger Lauri kokettiert mit seinem Aussehen. Und viele Mädels klatschen begeistert. Wer fies sein will, kann hier von einer Band sprechen, die zur perfekten Projektionsfläche für die Schattenseiten des Singe-Dasein wird. Diesen Status besitzen HIM in gewisser Weise auch. Nur eben, dass sie musikalisch viel mehr Kreativität als THE RASMUS versprühen. Das aber auch HIM aufpassen müssen, nicht von jungen und frischen Bands überholt zu werden, beweist ein Gespräch, geführt auf dem Klo des Auensee-Hauses. Dort passt ein junger Typ auf seinen kotzenden Kumpel auf und erzählt, wie er den Abend so erlebt. "Früher war ich totaler HIM-Fan, jetzt liebe ich aber NEGATIVE noch mehr - cool, dass sie alle beide zusammen auf dieser Tour sind..." Ob es sein Kumpel bis HIM geschafft hat, seinen Magen wieder unter Kontrolle zu bringen, bleibt gleichwohl ungewiss. Wenn nicht, wird er es bereut haben, denn HIM machen ihre Sache professionell, routiniert und gut. Ende des Zwischenrufs.

(Henri Kramer)

Schon während der Pause wird die Bühne mit riesigen Kronleuchtern geschmückt und auch ein übergroßes Heartagramm kommt zum Vorschein. Das Getränkeholen bleibt diesmal aus, um den guten Platz nicht zu "verlieren" oder um noch weiter nach vorn zu kommen. Dann geht es endlich los: Laute Rufe nach Sänger Ville Valo. Bei dem Gekreische verspürt man den Drang irgendwie mitzumachen - ein Gefühl wie zu Teenie-Zeiten. Spätestens bei dem fünften Song 'Join Me' verfallen fast alle dem Feeling. Auch die Begleiter der weiblichen Fans dürften nun aufgetaut sein. Aber nach Hits wie 'I Love you', 'Right Here In My Arms' oder Chris Isaaks Hit-Cover 'Wicked Game' sollte es kein Problem darstellen, "warm" geworden zu sein. Es ist wie Magie, die einen fesselt, wenn man nur will. Gerade 'Join Me' scheint diese maßgeblich zu verbreiten. Dem Lied folgen weitere wie 'It's All Tears', 'Pretending', 'Razorblade Kiss' oder 'Your Sweet Six Six Six'. Der rauchende Ville scheint gut gelaunt zu sein, aber irgendwie ist es verständlich, da das Publikum ebenso sichtlich glücklich ist. Anschließend gibt es noch vom aktuellen Album "Dark Light" 'Vampire Heart' zu hören sowie 'Poison Girl' und 'The Sacrament'. Trotz der gewohnt dürftigen Bühnenshow ein wunderbares Konzert mit so viel Gefühl, dass die Fans natürlich mehr wollen. Eine Zugabe gibt es sehr schnell: 'The Funeral Of Hearts' folgt da zum Beispiel. Den krönenden Abschluss bildet ein feuerwerksähnliches Knistern, danach ist leider Schluss. Traurig geht trotz allem keiner nach Hause, obwohl der Abend hätte länger gehen können. Aber das Adrenalin und die gute Laune sind auf einem so hohem Level, dass selbst die halbe Stunde Wartezeit, um wieder von dem überteuerten Parkplatz zu kommen, nicht sonderlich nervig wirkt.
[Franziska Böhl]

Redakteur:
Franziska Böhl

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