Graspop Metal Meeting - Dessel

05.07.2007 | 22:00

22.06.2007, Festivalgelände

Am nächsten Tag haben wir Großes vor. Schon um zwölf Uhr mittags wollen wir auf dem Festivalgelände sein, obwohl wir wissen, dass der letzte Gig mit AMON AMARTH um halb elf nachts enden wird. Das sieht also nach einer ausgeprägten Stehparty für Rückenkranke aus, aber ich will mir nicht die Gelegenheit entgehen lassen, Sonntagmittag einen Eindruck von ELUVEITIE zu gewinnen, von denen ich mal wieder viel gelesen, aber noch nichts live gehört habe.

ELUVEITIE

Sie reihen sich ebenfalls in die Folk-Metal-Klimperer der Gegenwart ein, reißen mich dann aber letztlich ebenso wenig vom Hocker wie Herrn K. aus M. Die Schweizer Filzläuse mischen folkloristisch-traditionelle Instrumente wie Flöten und Geige mit Death-Metal-artigem Gebrüll und harschen Saiteninstrumenten. Die Kombination ist nicht wirklich neu, ELUVEITIE sind gut gelaunt und fröhlich dabei, für meinen Geschmack aber geht der folkloristische Einschlag doch irgendwie zu weit. Mir ist das zu viel, und so freue ich mich, mit TURISAS gut eine Dreiviertelstunde später etwas mehr Bombast und weniger Folk präsentiert zu bekommen.

TURISAS

Die finnischen Helden mit ihren putzigen Pelzkostümchen geben heute ein ähnliches Programm wie vor einem Monat auf dem Rock-Hard-Festival zum Besten. Etwas Anderes war auch nicht zu erwarten, dennoch schlagen sie bei den zahlreich anwesenden Fans gleich zu Beginn mit dem Song 'Fields Of Gold' der soeben veröffentlichten neuen Scheibe gut ein.

In Bierlaune versetzt Shouter Warlord die Fans mit 'One More' und unterstellt sodann, dass doch in all unseren Herzen letztlich eine Vorliebe für Disco schlummere. Eine gute Gelegenheit also, uns mit einer Paganversion des alten BONEY-M.-Klassikers 'Rasputin' zu amüsieren, der natürlich zu TURISAS' kriegerischen Arrangements viel besser passt als zu Bobby Farrell (wobei: Der alte Siebziger-Schinken ist schon Kult. Watch out: http://www.myspace.com/bobbyboneym ).

'Battle Metal' darf natürlich nicht fehlen, und dann wird uns mit 'Miklagard Overture' noch ein Song des neuen Albums präsentiert. Durch die schwungvollen bekannten Songs in Stimmung gebracht, formiert sich im Publikum an dieser Stelle eine muntere Wall of Death, die wir erwartungsvoll beobachten. Als das eher ruhige 'Miklard Overture' dann beginnt, schließen sich die Fronten der fast enttäuschten Fans aber schnell wieder. Zu einer müßigen Schnulze lässt es sich schlecht bekriegen.

Der Auftritt von TURISAS ist ganz plötzlich rum. Ruckzuck, ehe wir uns versehen, verschwinden sie von der Bühne und haben für eine Zugabe keine Zeit.

MOONSORROW

Die Pagan-Metal-Saison ist aber gerade erst eröffnet, und so freuen wir uns nach einer kurzen Verschnaufpause, während der BLACK LABEL SOCIETY von der Hauptbühne übers Festivalgelände brettern, auf MOONSORROW, die mit ihren beiden letzten Alben epische Werke von bis zu halbstündiger Länge pro Song komponiert haben. Wir fragen uns, wie Derartiges live präsentiert werden soll, und werden dann erfreulicherweise mit den Frühwerken der Finnen beglückt.

Wie zu erwarten war, haben auch diese jungen Männer an Kunstblut nicht gespart, um ihrer Show das richtige Wikingerambiente zu verpassen. Dass die Bandmitglieder aber gleichwohl in T-Shirt und Jeans auftreten, passt zwar nicht so ganz zur roten Farbe, aber in der Kunst ist ja alles erlaubt.

Gleich zu Beginn verblasen MOONSORROW ihr bestes Pulver mit 'Sankarihauta' und 'Kylän Päässa'. Dann folgt ein Querschnitt durch die ersten drei Alben, mit dem es der Band gelingt, das Publikum ordentlich aus der Reserve zu locken. Glücklicherweise ist die Show abgesehen vom Kunstblut wenig poserhaft, mit aufgeblasenen Ansagen wird gespart, stattdessen zocken die Jungs ihr Material herunter und verschwinden nach einer Dreiviertelstunde abrupt von der Bühne. Ob sie sich zu einer Zugabe dann doch extra bitten lassen wollen oder im Bühnenhintergrund erst klären müssen, ob noch Zeit dazu ist, bleibt verborgen, jedenfalls wird zur Freude der Paganmeute noch ein Song nachgeschoben, bevor wir dann, bemüht, den Anfang nicht zu verpassen, aus dem Zelt eilen, um HAMMERFALL auf der Hauptbühne zu sehen. Fast zu hektisch ist uns die Aneinanderreihung von guten Bands an diesem Nachmittag, die nicht einmal eine kleine Verschnaufpause zulässt. Aber schließlich haben wir nicht fette 135 Euro für unser Ticket bezahlt, um dann die Bands der Stunde von einem schlechten Platz aus als Hinterbänkler zu verfolgen.

HAMMERFALL

HAMMERFALL sehen wir ebenfalls nicht zum ersten Mal in dieser Saison, und so ist das, was Joacim Cans und seine Genossen bieten, beileibe keine Überraschung mehr. Wir wissen schon vorher, dass gleich wieder "zehn Jahre HAMMERFALL" beschworen werden, können aber immer noch wertschätzen, dass sich die Band bei den wahren Metalfans für den Support bedankt, der sie zu dem gemacht hat, was sie heute ist. Und dann wird eben auch wieder kräftig gepost - mit 'Riders On The Storm' und 'Renegade' genauso wie mit dem Ohrwurm 'Blood Bound' und 'Fire Burns Forever'.

Der HAMMERFALL-Gig ist mal wieder von wechselhaften Regengüssen gekennzeichnet, während derer einige Leute damit beschäftigt sind, ihre Kapuzenjacken aus Plastik an- und wieder aus- und wieder anzuziehen. Einzig Oscar Dronjak verzichtet auf ein Regenmäntelchen und bangt mit seiner Gitarre im üblichen Kettenklimperstil am Rande der Bühne im nassen Wind. 'Let The Hammer Fall' wird gemeinsam mit den Fans zelebriert und 'Hearts On Fire' bildet dann wie erwartet den Abschluss.

Bei HAMMERFALL neige ich dazu, immer das gleiche Resümee zu ziehen. Ihre Auftritte sind ein bisschen albern, aber sehr sympathisch und unterhaltsam und trotz aller Unkenrufe über diese Band zieht es doch immer wieder – so auch heute – eine beträchtliche Menge von Leuten vor die Bühne. Da können HAMMERFALL ja so schlecht nicht sein.

CHILDREN OF BODOM

Während dann KORPIKLAANI als x-te Folk-Metal-Mischung die Bühnenbretter erklimmen, gönnen wir uns doch ein kleines Päuschen, um uns geistig auf den Auftritt der Hatecrew CHILDREN OF BODOM vorzubereiten. In der Regel weiß man auch bei denen, was man hat, und braucht mit Enttäuschungen nicht zu rechnen, vielmehr mit fetten Cirlce Pits, die sich im späteren Verlauf auch erwartungsgemäß im Publikum breitmachen. Ja, die finnische Hatecrew sorgt sogar dafür, dass entgegen der ausdrücklichen Beschilderung "No crowdsurfing" doch so einige Körper Begeisterter über die Masse hinweggetragen werden.

Ansonsten ist alles wie immer. Alexi, bleich wie ein Ziegenkäse, spart nicht an leicht verständlichem restringiertem Code [soll heißen: Er teilt sich in gediegener Ruhrpott-Maurer-Manier mit - d. Red.], bläst den Fans die übliche Songauswahl der vergangenen Tour um die Ohren und hat offensichtlich Spaß. Wir auch. Der Sound ist gut, wir haben einen guten Platz vor der Bühne, und ich lasse mich diesmal besonders begeistert von Jaskas Drumaktivitäten mitreißen, die das akustische Bild bestimmen. Es knallt ordentlich.

Überraschungen gibt es auch hier nicht mehr, gleichwohl liegt der Gewinn auch dieses Gigs in der mitreißenden Stimmung der vorwiegend jüngeren BODOM-Fans. Kann man sich immer wieder angucken.

FINNTROLL

Nach einer guten Stunde geht das Gehetze zum nächsten Zelt dann mit FINNTROLL weiter, die allerdings den Kompromiss in Kauf nehmen müssen, dass nicht nur wir ihre Show noch vor dem offiziellen Ende verlassen, um uns vor der Hauptbühne ein geeignetes Plätzchen für den SLAYER-Gig zu sichern. Nichtsdestotrotz lässt sich eine begeisterte Menge im fast bis zum Rand gefüllten Zelt eine gute Dreiviertelstunde von den ebenfalls finnischen Folk/Pagan/Black-Metallern unterhalten. Festzustellen ist, dass Neusänger Vreth heute bedeutend lässiger und weniger gestelzt-verkrampft auf der Bühne agiert als noch vor einem Jahr in Wacken bei einem seiner ersten FINNTROLL-Auftritte in Deutschland. Inzwischen wird man wohl sagen können, dass er die Songs ebenso gut präsentiert wie sein Vorgänger, der dicke Wilska.

Erfreulich, dass die Trollköppe am heutigen Abend nicht nur Songs der letzten beiden Langeisen spielen - auch wenn mit 'Trollhammaren' deftig die Post abgeht -, sondern sich auch an "Jagtens Tid" erinnern und dieser Scheibe mit zwei Stücken gedenken. Für mich bleiben FINNTROLL in Sachen Folk-Metal-Gemisch prägende Trendsetter, gegen die Spaßklimperer wie KORPIKLAANI letztlich doch nicht anstinken können.

SLAYER

Bei aller Liebe verlassen wir das Zelt dann aber um zwanzig vor acht und stimmen uns mit einer beträchtlichen Zahl Die-hard-Fans auf SLAYER ein. Natürlich bleibt es uns nicht erspart, auch bei dieser Show gymnastisch unsere Regenjäckchen an- und auszuziehen. Irgendwann gerät das aber in Vergessenheit, und Petrus, das Weichei traut sich letztlich doch nicht, bei SLAYER die Schleusen ganz zu öffnen.

Zum Bühnenbild der amerikanischen Thrashlegende braucht man wenig zu sagen: Marshall und im Hintergrund ein Abbild des Covers von "Christ Illusion". Als es losgeht, sind wir erst mal irritiert. Tom Araya, der im vergangenen Jahr zwar das ein oder andere Mal mit großväterlichem Vollbart in Erscheinung getreten war, hat sich zwar wieder fein rasiert, ist aber im Gesicht erschreckend auseinander gegangen. Offenbar ereilt ihn das Schicksal aller Mittvierziger, die nicht auf die Figur achten. Agil sind er und seine Mitstreiter aber auf der Bühne immer noch, und so fällt mir auch hier heute insbesondere die eindrückliche Leistung von Dave Lombardo am Drumkit auf, der so manches Feuerwerk in unglaublichem Tempo abschießt.

Los geht’s im eher von neueren Werken bestimmten ersten Teil mit 'Disciple', dem sich 'Cult' vom aktuellen Album anschließt. Auch bei SLAYER sind die Crowdsurfer nicht zu bremsen. Ja, auf der Leinwand neben der Bühne können wir beobachten, dass sich die Moshpits sogar zu lustigen Kreisspielen entwickeln, in denen ein paar Fans eine Art Nachlaufen spielen. Es gibt doch immer wieder neue Varianten, SLAYER abzufeiern! Tom sieht's und grinst sich eins.

Letztlich warten aber wohl alle auch auf die altbewährten Songs der frühen Jahre, und so werden wir zunächst mit 'Mandatory Suicide', später mit 'Dead Skin Mask' und 'South Of Heaven' beglückt, bevor die Show dann mit 'Raining Blood' wie immer ihren Höhepunkt erreicht. SLAYER dürfen ihre Fans fünfundsiebzig Minuten unterhalten, dann ist's Zeit für 'Angel Of Death'. Nach dieser abgefeierten Nummer ist dann die Show auch schon wieder vorbei. Tom Araya bedankt sich in der ihm eigenen zurückhaltenden Art, und die Herrn sind verschwunden.

AMON AMARTH

Für uns heißt es nun "Auf ins letzte Gefecht!". AMON AMARTH sind die letzte Band, die wir an diesem letzten Festivaltag sehen wollen. Und so lassen wir uns mit dem Strom von SLAYER-Fans, die sich mit den schwedischen Wikingern ebenfalls anfreunden können, zum letzten Mal an diesem Abend ins Zelt treiben und kommen gerade noch rechtzeitig, um den Anfang der Show mitzubekommen. AMON AMARTH haben sich ja ein kleines Spektakel ausgedacht und lassen zu Beginn zwei in Ritterrüstung und Kettenhemd verpackte Figuren mit Schwertern aufeinander losknüppeln, bis des Einen Pappschild kaputt ist und er scheinbar zu Boden geht.
Dann betreten die Musiker fast schon majestätisch die Bühne und Walhalla erwartet uns.

Im Zelt ist sogleich gute Stimmung, jeder Platz ist aufs Engste gefüllt. Daran bemessen, wie die Band hier abgefeiert wird, wird man wohl sagen können, dass AMON AMARTH den Durchbruch endlich geschafft haben. Ihre Show ist anspruchsvoll, stimmungsgeladen und knallt einfach gut. Abwechselnd in rotes und violettes Licht getaucht, hören wir in überwiegendem Maße Songs von "With Oden On Our Side", werden aber auch mit 'Death In Fire' bombadiert und mit 'Fate Of Norns' bei Laune gehalten.

Johan Hegg kommt schnell ins Schwitzen, dass ihm das Haar schweißnass am Kopfe klebt. Da ist's Zeit, den Fans mit dem Trinkhorn zuzuprosten. Noch einmal bekommen wir Helden in Ritterrüstung zu Gesicht, die quasi als Bühnendekoration für das richtige Ambiente zu den Songs sorgen. Auch Herr K. aus M. und ich geben headbangergemäß noch mal alles, obwohl wir weit entfernt vom Wikingerheldentum als zivilisierte Sesselpuper eigentlich über Rückenschmerzen und Fußweh vom langen Stehen klagen mögen. Aber da muss man ja durch. Wir haben es ja dann auch bald geschafft, geben bei 'Pursuit Of Vikings' noch mal alles, und dann ist Schluss. Fett war's!

Wieder an der Frischluft haben sich vor der Hauptbühne alle Neugierigen versammelt, die zur Vervollständigung des gestrigen HEAVEN AND HELL-Gigs den alten OZZY OSBOURNE noch mal sehen wollen. Und so beschließen auch wir, vor dem Heimweg noch mal ein Auge zu riskieren. Aber oh je, Ozzy kommt wirklich wie ein klappriger Greis herüber. Seine Stimme ist zwar unverkennbar, und er scheint auch atemtechnisch noch ganz munter zu sein, tappelt aber doch eher kleinschrittig und grobmotorisch wie ein polyneuropater Patient ["Polyneuropathie" - eine Nervenerkrankung - d. Red.] über die Bühne. Da haben Ronnie James Dio und Tony Iommi am Vortage aber eine bessere Figur abgegeben. Und so lassen wir denn Ozzy und seine Show hinter uns und begeben uns nach drei Tagen Steh- und Regenparty auch etwas grobmotorisch auf den Heimweg.

Insgesamt wird man wohl sagen können: Der Besuch des GRASPOP METAL MEETING hat sich gelohnt. Wenn es auch zu einem der kostspieligeren Vergnügungen unter den Sommerfestivals gehört, so wurden doch eine ganze Reihe hochkarätiger Bands aufgefahren, die uns teilweise gar nicht zur Ruhe haben kommen lassen. Im Schnitt haben wir uns – mal abgesehen davon, dass der eine oder andere Nu-Metal-Krams eben zu erdulden war – wenig gelangweilt, hatten wenige Wartezeiten zu überbrücken. Eine solche Auswahl an ansprechenden Bands der bevorzugten Couleur bieten uns nicht alle namhaften Festivals. Und so nehmen wir auch das hässliche Bonsystem beim Essen in Kauf und kommen bestimmt nächstes Jahr wieder.

Redakteur:
Erika Becker

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