Graspop Metal Meeting - Dessel

05.07.2007 | 22:00

22.06.2007, Festivalgelände

Herr K. aus M. und ich verkriechen uns in den klimatisierten Schuhkarton und sind froh, am Samstag erst am späten Nachmittag auf dem inzwischen doch recht vermatschten Festivalgelände erscheinen zu müssen. Den Tag verbringen wir mehr als faul, krabbeln nach dem Frühstück erstmal wieder ins Hotelbett und träumen süße Träume bis nachmittags um drei. Ein Kaffee und ein leckeres Mittagessen in der Fußgängerzone von Turnhout retten uns vor einem weiteren Regenguss und dem Festival-Catering, bevor wir uns dann zu HEAVEN AND HELL endlich vor der Hauptbühne einfinde - und doch nass werden.
[Erika Becker]

HEAVEN AND HELL

Gespannt bin ich auch auf den Auftritt von HEAVEN AND HELL. BLACK SABBATH gehören zwar nicht zu meinem engeren Favoritenkreis, gleichwohl bin ich neugierig, welche der unsterblichen Songs es denn auf die leider nur einstündige Setlist geschafft haben. Zur Einstimmung habe ich zu Hause immerhin mal wieder die "Live Evil" herausgekramt. Ich muss gestehen, außer 'Children Of The Sea', 'Heaven And Hell' und 'Neon Knights' ist mir keiner der dargebotenen Songs präsent. Da aber 'Heaven And Hell' in einer über zehnminütigen epischen Breite dargeboten wird und die beiden anderen von mir genannten Lieder auch nicht gerade kurz und knackig auf den Punkt kommen, ist auch nicht mehr sehr viel Zeit für den restlichen Set. Da ich jedoch schön aufmerksam auf die Ansagen von Dio achte, bleiben mir noch die Songs 'Die Young' und 'Voodoo' in Erinnerung. Ronnie James Dio agiert wie bei seinen Soloauftritten gewohnt agil und stimmsicher auf der Bühne und kann so manchem zwanzig bis dreißig Jahre jüngeren Metalkollegen noch etwas vormachen. Es zahlt sich halt doch manchmal aus, nicht ständig auf der Überholspur zu leben (nicht wahr, Herr bleichgesichtiger Alexi Laiho!?) An Tony Iommi sind die Lebensjahre zwar auch nicht spurlos vorübergegangen, gleichwohl macht er im schwarzen Ledermantel und mit dem um den Hals hängenden riesigen silbernen Kreuz einen sehr düsteren Eindruck. Durch das Tageslicht und die limitierte Spielzeit kommen die nostalgischen Freunde aber unter dem Strich nur zu einem eingeschränkten Vergnügen. Ich glaube, wer richtig Bock auf diese Fahrt in die Vergangenheit hatte, der ist beim Headliner-Gig vom BANG YOUR HEAD besser aufgehoben.
[Stefan Karst]

TIAMAT

Nach dieser Einlage der Altherrenriege haben wir kaum Zeit, uns durch das Getümmel angefeuchteter Metaller über schlammigen Boden in eines der Zelte zu begeben, in dem sodann TIAMAT aufspielen. Fast verpassen wir den Anfang und sind uns dann nicht einmal sicher, ob wir hier richtig sind. Johan Edlund ist auf der Bühne in Armylook mit passender Kappe und dazu einem Drei-Tage-Bart gar nicht sofort wieder zu erkennen. Unverwechselbar ist dann aber der typische Sound des eigenwilligen Schweden, diese Mischung aus fetten Metalgitarren und sphärischen Keyboardklängen.

Edlund beglückt die doch recht zahlreich im Zelt erschienenen Fans mit einer Kombination aus Songs unterschiedlichster Alben. So bringt er das Publikum mit 'So Much For Suicide' und 'Brighter Than The Sun' ebenso zum finsteren Headbanging wie mit 'Whatever That Hurts' oder 'Cold Seed'. Eine Stunde haben TIAMAT Zeit, ihre Kunst auszubreiten, in der neben den in guter Soundqualität dargebotenen Songs ansonsten aber nicht viel Aufregendes passiert. Mit ausschweifenden Ansagen und verbalen Selbstdarstellungen hält sich der unterkühlte Edlund zurück, verwendet die Zeit lieber darauf, die Fans mit 'The Sleeping Beauty' und 'Phantasma De Luxe' bei Laune zu halten, bevor er sich sodann - erwartet und erhofft – mit 'Gaia' verabschiedet.

TIAMAT gehören nach meiner Auffassung auch mit dem heutigen Gig zu jenen Bands, bei denen man zwar nichts Überraschendes erwarten kann, sich aber gleichwohl auf ein solides Programm ohne die Gefahr von Enttäuschungen verlassen kann. Das ist ja auch nicht das Schlechteste!

DIMMU BORGIR

Nach dieser Show ist es dann leider so weit, dass wir KORN über uns ergehen lassen müssen. Wir nutzen die Stunde für eine kleine Chill-out-Phase im Zelt vor der Bühne, auf der im Anschluss endlich DIMMU BORGIR erwartet werden. Das Zelt füllt sich zügig mit vorwiegend jungen Fans. Wir heben offensichtlich zu dieser Stunde gehörig den Altersdurchschnitt unter den Anwesenden. Vor der Bühne wird es dann auch schnell unruhig. Obwohl noch eine gute halbe Stunde Zeit ist, drängt die Black-Metal-Fraktion nervös nach vorne, als gäbe es dort etwas umsonst.

Dann endlich verfinstert sich das Zelt und das Intro zu 'The Fallen Arises' ertönt. Im Lichte gleißend aufleuchtender Scheinwerfer begeben sich Shagrath und seine Mannen auf die Bühne. Und dann beginnt eine beeindruckende einstündige Show, in der sich DIMMU BORGIR von ihrer besten Seite zeigen. Es gelingt ihnen, die Fans sofort in Stimmung zu versetzen. Endlich mal wird ordentlich mitgebrüllt und gebangt, und die Black-Metal-Show wird nicht durch unpassendes Sonnenlicht zerstört, wie es den Norwegern schon so manches Mal in der Vergangenheit geschehen ist. Klar, DIMMU BORGIR sind Poser, aber trotzdem machen sie mit ihrer überzogenen Kostümierung, den angemalten Gesichtern und vor allem Shagraths wunderbar verzerrter Knörgelstimme einfach fett Spaß.

Das Programm ist gut gemischt. Neue Songs wechseln sich ab mit Wiederbelebtem der "Stormblast"-Scheibe und Material aus der "Death Cult Armageddon"-Sammlung. Es fehlt an nichts, was hier zu erwarten gewesen wäre. Und so explodiert die Stimmung natürlich noch einmal im Schlusshöhepunkt mit 'Mourning Palace'. Das ist und bleibt einfach der beste DIMMU-Song, den wir uns denken können.
[Erika Becker]

IRON MAIDEN

Wer zu spät kommt, den bestraft die Fußwipper-Fraktion. In selbige muss ich mich einreihen, da ich den DIMMU BORGIR-Auftritt bis zum letzten Ton ausgekostet habe. Wäre ja auch unverzeihlich gewesen, vor 'Mourning Palace' das Feld zu räumen. Insofern kann ich mich bei IRON MAIDEN zwar noch so weit vorschieben, wie es eben geht, aber irgendwann ist es mit dem Vorbeischlängeln einfach vorbei. Die besten Plätze sind halt schon vergeben - und das bei einer Sichtweite von über fünfzig Metern bis zur Bühne. Bei keiner anderen Band des Festivals ist der Andrang größer, so dass man feststellen muss, dass die Jungfrauen trotz ihres fortgeschrittenen Alters noch eine sehr große Anziehungskraft besitzen. Ob diese Vorschusslorbeeren gerechtfertigt sind? Nicht ganz, wie der eingefleischte IRON MAIDEN-Fan aus M. im Nachhinein feststellen muss. Aber immer der Reihe nach.

Im Vorfeld wurde ja viel spekuliert, wie viele der Songs der aktuellen Scheibe "A Matter Of Life And Death" zu Gunsten der alten Klassiker gegenüber der Hallentour von der Setlist gestrichen werden würden. Bruce Dickinson hatte ja im Vorfeld angekündigt, dass bei den Sommerauftritten wieder mehr älteres Material zum Zuge kommen werde. Das Versprechen wird, sagen wir mal, einigermaßen eingehalten. Die fünf neuen Songs werden geschickterweise bereits in der ersten Hälfte des Auftritts zum Besten gegeben, so dass dramaturgisch genügend Spielraum bleibt, die Stimmung zum Ende des Sets ordentlich hochzufahren. Der Fünferpack 'Different World', 'These Colours Don't Run', 'Brighter Than A Thousand Suns', 'The Reincarnation Of Benjamin Breeg' und 'For The Greater Good Of God' wird mit den üblichen Verdächtigen 'The Trooper' und 'Wrathchild' etwas aufgelockert. Nicht, dass die neuen Songs schlecht wären, das Metalvolk dürstet aber nach gänzlich anderem Elixier.

Wie auf Zuruf ertönt die düstere Stimme aus dem Off: "... let him who hath understanding reckon the number of the beast for it is a human number, its number is six hundred and sixty-six". Okay, der Rest sind wild in die Höhe gestreckte Fäuste und der Schlachtruf "666 - the number of the beast!". Bei 'Run To The Hills' wird der Refrain bis in die hinteren Reihen so laut mitgesungen, dass ich von meinem Platz aus den Gesang von Bruce Dickinson überhaupt nicht mehr vernehmen kann. Apropos: Meines Erachtens hat der gute Bruce gesanglich nicht seinen allerbesten Tag erwischt. Einiges klingt nicht so souverän wie gewohnt. Überhaupt stelle ich fest, dass der Sound doch etwas dünn aus den Boxen kommt. Bei nominell drei Gitarren sollte das eigentlich nicht passieren. Weniger Kaspergehampel von Janick Gers und dafür mehr Gitarrensaft wäre vorteilhafter. Immerhin können IRON MAIDEN noch ein Ass aus dem Ärmel schütteln: 'Children Of The Damned'. Meines Wissens wurde das nicht einmal auf der eigens ausgewiesenen Early-Years-Tour zwei Jahre zuvor gespielt. Der Rest des Sets sind die üblichen Standards, wobei 'Two Minutes To Midnight' und 'The Evil That Men Do' immerhin gegenüber der "Dance Of Death"-Tour wieder aus der Versenkung geholt werden.

Bruce Dickinson bedankt sich artig bei den 30000 Anwesenden für den Support und rührt schon mal kräftig die Werbetrommel für die Special-Tour im kommenden Jahr, auf der ausschließlich die mittleren Alben berücksichtigt werden sollen, und schwärmt bereits jetzt von den Powerslave-Pyramiden und dem Intro zu 'Aces High'. Gerade Letzteres hätte 2007 eigentlich eine Generalprobe verdient. So heißt es jedoch Geduld üben und sich im heimischen Wohnzimmer mit den dann avisierten Klassikern vertraut machen, wenn das überhaupt nötig sein wird. IRON MAIDEN 2007 präsentieren sich zwar gutklassig, können die Erwartungen aber nicht ganz erfüllen.
[Stefan Karst]

Nach dieser Traditionsnummer ist der zweite Festivaltag beendet und mit uns verlassen ungefähr 30000 andere Figuren das Festivalgelände und fahren mit ihren Autos davon. So kommt es uns zumindest vor, denn auf dem Parkplatz für Tagesgäste hängen wir erstmal in der schlammigen Warteschleife fest, bevor wir in unsere klimatisierte Karnickelbox zurückkehren können.

Redakteur:
Erika Becker

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