Full Rewind Festival 2025 - Roitzschjora
12.08.2025 | 11:1731.07.2025, Flugplatz
Der härteste Acker und die entspanntesten Menschen.
Donnerstag:
Der Tag startet recht windig mit durchwachsenem Wetter. Bedrohlich wirkende Wolken wechseln sich mit Sonne ab. Doch laut Vorhersage soll es eigentlich trocken bleiben. Na schauen wir mal. Durch einige widrige Umstände schaffen wir es leider nicht zur Eröffnung und schlagen erst etwas später auf als geplant. Da ist die englische Hardcore-Punk-Band POLAR und die amerikanische Metalcore-Band ATTILA bereits im Feierabend. Letztere Band musste ihren Gig wegen einer Autopanne kurzfristig absagen, wobei es über den wahren Grund der Absage beim Festival und der gesamten Tour diverse Gerüchte gibt. Da ist es doch von Vorteil, wenn Musiker ihre Frau mithaben und gemeinsam auch noch eine Band. So tritt als Ersatz THE DEFECT auf, bestehend aus dem Sänger von THE BROWNING und dessen Frau. Glücklicherweise gestaltet sich der Karten- beziehungsweise Bändchentausch bei Norman recht fix und unkompliziert und so können wird noch kurz das Gelände im Innenbereich inspizieren. Im Anschluss geht es zur Hauptbühne.
Dort schickt sich die amerikanische Trancecore-Band THE BROWNING an, die Bühne zu entern. Sie ist aktuell mit den Kollegen von POLAR auf Tour und war bereits 2012 auf diesem Acker zu Gast. Damals im Zelt. Ihre Mischung ist durchaus gewöhnungsbedürftig, Deathcore-Riffs vermischen sich mit Disco-Klängen und abrupte Tempowechsel machen es dem Hörer nicht gerade einfach.
Ach so, Rap-Einlagen gibt es ja auch noch. Doch insgesamt ist die wilde Mischung in sich recht stimmig und die Besucher freuen sich über den Gig. So gibt es beispielsweise 'Deceiver' oder 'Bloodlust' auf die Ohren und die Menge vor der Bühne läuft sich langsam warm.
Persönlich finde ich nicht jeden Song der Band klasse, doch der eine oder andere Track findet auch bei mir Anklang. Was ein wenig überzogen wird, das ist der Bass, der wird doch recht mit Übermaß eingesetzt. Der Rausschmeißer in Form des Covers von 'Blue (Da Ba Dee)' (EIFEL 65) lässt mich allerdings Reißaus nehmen. Das liegt jedoch daran, dass ich das Original einfach furchtbar finde und das kann auch keine Coverversion der Welt jemals ändern. Dennoch ist der Auftritt der Amis ein gelungener Einstand in den ersten Festivaltag!
Da am Donnerstag "nur" die Hauptbühne bespielt wird, können die Umbaupausen heute ausgiebig genutzt werden, um sich in Ruhe einen Überblick über die Stände im Infield zu machen. Schon dabei fällt auf, dass hier alle sehr freundlich und gut gelaunt sind. Die Leute von der Security haben immer ein Lächeln und ein freundliches Wort auf den Lippen. Das ist nicht selbstverständlich und macht das Festival aus. Toll ist auch, dass relativ regionale Getränke kredenzt werden. Einzig die Tatsache, dass es beim Schwarzbier eine Fehlkalkulation gibt, trübt die Sache. Das ist nämlich am Freitagnachmittag schon alle. Aber Samstag ist die Welt wieder in Ordnung.
Kommen wir zurück zur Musik. Die Ägyptologen von NILE servieren technischen Death-Metal aus dem Lehrbuch, wobei sie vielmehr die Lehrmeister sind, zelebrieren sie diese Musik doch schon seit 1993. Die Herrschaften aus South Carolina hatten in den letzten Jahren einige Besetzungswechsel hinter sich. Mal sehen wie sich das heute hier gestaltet.
Man könnte meinen, die Truppe hat den Regen heraufbeschworen, der jetzt einsetzt. Irgendwie ist der Wetterbericht unzuverlässig. Es sollte heute trocken bleiben. Das ist wohl auch der Grund, weswegen sich viele Besucher den Gig nicht ansehen, denn vor der Bühne ist es leerer geworden.
Wer bleibt wird nach einem interessanten und etwas unheimlich anmutenden Intro belohnt. Gestartet wird mit 'Stelae Of Vultures', was vom aktuellen Album "The Underworld Awaits Us All" stammt. Unerbittlich wird nach vorn geprügelt, was das Zeug hält. 'Kafir' oder 'Sarcophagus' zeigen wo der Hammer hängt und erfreuen das Publikum. Die aktuelle Besetzung wirkt gut eingespielt und zockt sich unerbittlich und ohne große Worte durch ihr Set. So wirkt die Formation recht unnahbar. Aber vielleicht ist es auch so gewollt. Und so grotesk der Gig begonnen hat, so endet er auch. Wenn jetzt auf dem Acker nicht ein paar ägyptische Dämonen auferstanden sind, dann weiß ich auch nicht...Wobei diese im Anschluss von AGNOSTIC FRONT wieder zurückgepustet werden, denn die Band ist auf der Bühne immer noch eine Macht und macht ordentlich Druck. Und vor allem Spaß! NYHC der alten Schule steht jetzt auf dem Programm. Die Herrschaften haben auf dem Acker schon zahlreiche Konzerte gespielt und gehören quasi zum Inventar.
An diesem Tag starten sie ihre "Last Warning Tour 2025 PT 2", danach geht es quer durch Europa zu diversen Festival- und Clubgigs. Der Formation um Frontmann Roger Miret merkt man die Freude auf die anstehende Tour an und so ist die Stimmung bestens. Schon bald bilden sich die ersten Moshpits vor der Bühne. Natürlich darf 'For My Family' an diesem Tag nicht fehlen und dabei singt das Publikum lautstark mit.Auch 'Gotta Go' wird super abgefeiert und verbreitet gute Laune. Die Tatsache, dass der Song von 1998 aufgrund seines Alters schon zu den Oldies gehört, die blenden wir mal fix aus. Wie die Jungspunde zockt die Band sich durch ihr Set und über das Alter denkt gerade keiner nach. Gefühlt viel zu schnell verabschiedet sich AGNOSTIC FRONT mit dem RAMONES-Cover 'Blitzkrieg Bop' von ihren Fans, die die Musiker mit viel Beifall verabschieden.
Ganz andere Töne serviert danach die französische Rap-Metal-Band RISE OF THE NORTHSTAR. Auch sie war bereits 2018 auf dem With Full Force zu Gast. Mit der Band hat sich das Durchschnittsalter vor der Bühne etwas verjüngt, im Vergleich zum Konzert von AGNOSTIC FRONT.
Der Japan- beziehungsweise Manga-Background der Band ist bei Sänger Victor Leroy heute nicht ganz so präsent, so trägt er nur ein Basecap und keine Maske. Das erledigt dafür der Gitarrist. Musikalisch macht die Formation ordentlich Druck und die Menge feiert ausgelassen. Meine Musik ist es jetzt nicht ganz so, aber die Livedarbietung überzeugt mich durchaus. Einzig die etwas zu lang geratenen Samples zwischen den Songs machen in meinen Augen die gute Stimmung vor der Bühne immer wieder etwas zunichte. Bei den Fans der Band fällt das wohl weniger ins Gewicht und sie können sich über 'Welcame (Furyo State Of Mind)' oder 'Rise' freuen. Am Ende schaut man in überwiegend zufriedene Gesichter vor der Bühne und das ist ja die Hauptsache!
So langsam geht der erste Festivaltag zu Ende und mit NAILBOMB ist nun der Headliner an der Reihe. Auch diese Band startet auf dem Full Rewind ihre Europatour. Bevor es am nächsten Tag zum Wacken Open Air geht, reißt die Band um Frontmann Max Cavalera erst einmal Roitzschjora nieder. Mit einer derartigen Wut und Hass im Gepäck, prügelt die Formation geradezu ihren Sound in die Gehörgänge der Besucher. Während Max seine Wut ins Mikro schreit und sich relativ wenig bewegt, springt sein Kollege wie ein Berserker mit der Gitarre herum. Ja es wirkt geradezu, als wäre er von Wut und Hass besessen, so wie er in sein Mikrofon schreit. Generell geht von der Band eine extreme Energie aus, die nicht gegensätzlicher von den Musikern gezeigt wird.
Während die beiden genannten die Gegensätze in ihren Aktionen sind, arbeitet der Rest hervorragend zwischen den beiden Extremen. Die Fans freuen sich über '24 Hour Bullshit', zu dem ordentlich gefeiert wird. Auch 'World Of Shit' fehlt heute Abend nicht und bringt das Fass zum Überlaufen. Keine Frage, der Auftritt ist nicht jedermanns Sache, doch wem es zusagt, der kommt hier voll auf seine Kosten. Einfach voll auf die zwölf, ohne viel Umschweife. Bedenkt man die Tatsache, dass die Band vor zwanzig Jahren nur einen Auftritt auf dem Dynamo Open Air in Eindhoven hatte, spricht es für das hervorragende musikalische Können der Protagonisten. Zugegeben, sie spielten damals nicht in der heutigen Aufstellung, doch so einen genialen Gig bringt so manche Band selbst nach zehn Jahren nicht zustande. Aufgewühlt entlässt NAILBOMB die Zuschauer in die Nacht. Der erste Festivaltag ist vorüber. Ob es sich nach diesem Gig überhaupt gut schlafen lässt?
Text: Swen Reuter
Foto Credits: Norman Wernicke
Foto Credits: MINISTRY: Christina Gaudlitz - Black Label Pictures
Foto Credits: PERKELE: Swen Reuter
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