AYREON: AYREON 30th Anniversary - An Amazing Flight Through Time" - Tilburg
20.09.2025 | 16:0513.09.2025, 013 Poppodium
Viel mehr als nur ein Konzert!
Nachdem mein geschätzter Kollege Stefan mehrfach die Show von AYREON besuchen und 2023 eine "Once In A Lifetime Experience" erleben durfte, habe ich in diesem Jahr das Vergnügen. Ich werde oft gefragt, warum ich mir das antue. Okay, als akkreditierter Fotograf und Redakteur bezahle ich nichts für das Ticket. Aber wieder einmal lege ich insgesamt mehr als 1100 Kilometer zurück, nehme mir zwei Tage Urlaub und brauche eine Übernachtungsmöglichkeit für drei Nächte. Viele verstehen einfach diesen Aufwand nicht. Es hängt ja deutlich mehr daran als sich einfach nur ein Konzert anzuschauen.
Nun, ich bin einfach ein Konzertjunkie. AYREON höre ich schon viele Jahre und die veröffentlichten Blu-rays ziehen mich immer wieder in den Bann. Ungefähr alle zwei Jahre versammelt Mastermind ARJEN LUCASSEN eine Menge Musiker um sich herum, um eine neue Show auf die Bühne zu bringen. Das besondere daran ist, dass es keine AYREON-Tour gibt, wie zuvor gibt es mehrere Shows im niederländischen Tilburg. Insgesamt werden 15.000 Ayreonauten - so nennen sich die Fans der Band - fünf Shows an drei Tagen erleben.Ich mache mich am Freitag auf dem Weg nach Tilburg und lande nach 569 Kilometer auf einem Campingplatz neben einem Safaripark. Es gibt zwar einen Campingplatz direkt in der City, auf dem ein paar spezielle AYREON-Aktivitäten über das ganze Wochenende veranstaltet werden, doch dieser ist längst ausverkauft, als ich meine Bestätigung bekomme.
So schwinge ich mich Samstag am Vormittag aufs Rad und erreiche nach sechs Kilometer die Halle. Die Show beginnt um 14 Uhr und Einlass ist 90 Minuten davor. Damit bleibt mir noch genug Zeit, meine vorbestellten Merch-Artikel im Popup-Store abzuholen, das Ganze läuft extrem reibungslos und entspannt.
Auch die Formalitäten laufen perfekt, und ehe ich mich versehe, stehe ich im Innenraum des 013 Poppodium. Auf dem Weg zum Tresen lese ich auf zahlreichen digitalen Displays, dass es sich um eine Phone-Free Show handelt. Die Besucher werden gebeten, die Handys stecken zu lassen um die Show zu genießen. Ich lasse mich überraschen, ob das funktioniert.
Wird in Deutschland immer wieder gejammert, dass auf vielen Konzerten und Festivals mittlerweile nur noch Kartenzahlung möglich ist, scheint das in Holland selbstverständlich zu sein. Ich zücke meine Karte und wenige Augenblicke später erhalte ich mein kühles Blondes.
Es bleibt noch etwas Zeit für einen Rundgang durch die 3.000 Besucher fassende Halle. Neben dem großen Infield gibt es im hinteren Bereich ein paar treppenähnliche Ränge, auf denen man die Show gut sehen kann. Ebenfalls hinten gibt es einen Balkon, der bereits jetzt gut gefüllt ist und einen tollen Blick auf die Stage bietet.Ab zum Graben, ich gebe zu, dass ich mächtig aufgeregt bin. Mit drei weiteren Fotografen warte ich auf den Beginn der Show. In der Vergangenheit wurde die Bühne recht aufwändig gestaltet. In der "01011001 – Live Beneath the Waves"- Show vor zwei Jahren waren die Musiker über eine Art Gerüst über mehrere Stockwerke verteilt. Der Vorhang fällt und ich sehe, dass die Stage recht spärlich ausgestattet ist. Mike Mills eröffnet den musikalischen Nachmittag mit ein paar einleitenden Worten, bevor es dann mit 'My House On Mars' so richtig los geht.
Ursprünglich war Sänger Edward Reekers für diesen Song vorgesehen, doch leider hat der niederländische Musiker wenige Tage vor den Shows erklärt, dass er aufgrund seiner Krebserkrankung nicht auftreten kann. Natürlich hat diese Nachricht alle Ayreonauten geschockt und sicher hat diese Situation auch Spuren bei Jermain van der Bogt, besser bekannt als Wudstik, seine Spuren hinterlassen. Doch der Sänger gibt sich keine Blöße und bringt den Song gemeinsam mit den Backing Vocals von Marcela Bovio und Irene Jansen eindrucksvoll auf die Bühne.Auf dieser gibt es bis auf ein paar künstliche Felsen eher wenig zu bestaunen. Vielmehr fällt die riesige digitale Leinwand ins Auge, auf der viele KI-generierte Filme zum einen die Show untermalen, zum anderen aber auch etwas von den hervorragenden Musikern ablenken. Zum Beispiel von Maggy Luyten, welche zu 'Sail Away To Avalon' die Bühne betritt. Die belgische Sängerin ist mir, wie viele andere Musiker in der Show, noch nicht bekannt. Offensichtlich hat der Benelux-Raum richtig gute Musiker, welche bis auf wenige Ausnahmen eher selten in Deutschland zu sehen sind. Maggy liefert richtig gut ab und ich bin froh, dass sich durch diese Show mein musikalischer Horizont erweitert. Die Frau hat eine enorme Bühnenpräsenz und sorgt dafür, dass in der brechend vollen Halle immer wieder die Pommesgabeln in die Luft gereckt werden.
Zu 'Green and Cream' betritt dann mit Tommy Karevik ein Sänger die Bühne, den ich schon sehr oft erleben durfte. Der gar nicht so alte Schwede ist mir von seiner Band KAMELOT bekannt und immer wieder ein gern gesehener Gast bei AYREON. Auch bei der heutigen Show kann er absolut überzeugen. Zum vierten Song erscheint dann Mastermind ARJEN LUCASSEN auf der Stage und ich freue mich wie ein Schnitzel, dass ich 'Days Of The Knights' noch aus dem Graben ablichten darf. Der Meister ist in feinstem knallroten Zwirn gekleidet.
Der Track stammt von Arjens Freitag wiederveröffentlichten Album "Pools Of Sorrow, Waves Of Joy", welches er bereits 1993 unter dem Namen ANTHONY, seinem zweiten Vornamen debütiert hat. Gilt Arjen eher als introvertiert und schüchtern, erlebe ich den Komponisten und Sänger bei seiner Darbietung schon fast extrovertiert. Der Mann kann also auch Show und kommt richtig aus sich raus. Den beiden eher im Hintergrund agierenden Sängerinnen Marcela und Irene gibt Arjen genug Raum um sich auch einmal im hellen Scheinwerferlicht zu präsentieren. Natürlich jubelt die Menge frenetisch angesichts des Auftritts ihres Helden.Für mich wird es Zeit, den Graben zu verlassen und mir einen guten Platz zu suchen. Ich lande auf dem Balkon neben einem Paar aus dem Saarland, welches mit Paul den siebenjährigen Sohn dabei hat. Die drei sind einfach klasse und ich bemühe mich, ihnen mit meiner Kamera nicht allzu sehr im Wege zu stehen. Doch es sind nicht nur wir deutschen und viele Niederländer in Tilburg. AYREON hat wenige Tage zuvor eine Auswertung veröffentlicht. Aus Sage und Schreibe 71 Ländern sind die Ayreonauten angereist, um eine oder gar mehrere der fünf Shows zu sehen. 45 Chilenen sind nach Tilburg gereist, vier Sudanesen haben den Weg auf sich genommen, von der Elfenbeinküste sind zwei Gäste hier, ebenso wie zwei Peruaner. Sollte mich wieder mal jemand fragen, warum ich mir das alles antue, verweise ich gerne auf die genannten Fans.
Es geht munter weiter durch die Setliste und irgendwie erinnert mich die ganze Show an ein anderes Projekt. Ich erlebe eine Rock- und Metaloper, die Sänger und Sängerinnen geben sich die Klinke in die Hand. Tommy singt mit Damian, Irene und Marcela haben eine weitere Solo-Einlage und die Instrumentalisten können sich immer wieder mal am Bühnenrand präsentieren. Bitte folgendes nicht falsch verstehen. Ich bin ein riesengroßer Fan von AVANTASIA und liebe die Shows von Toby und seinem Cast. Für mich ist eine AYREON-Show wie eine AVANTASIA-Show für Erwachsene. Ich entdecke viele Parallelen im Aufbau. Die Musik ist für mich jedoch irgendwie anders, komplexer, anspruchsvoller. Okay, in AYREON steckt eine gehörige Portion Progmetal. Vielleicht ist das der entscheidende Unterschied.
Mit Anneke van Giersbergen entdecke ich eine Musikerin auf der Bühne, welche mir durchaus bekannt ist. Auch sie macht ihre Sache, unter anderem bei 'Actual Fantasy' richtig gut. Doch all die ganzen Stimmen wären nichts ohne das musikalische Gerüst. Die beiden Gitarristen Ferry Duijsens und Timo Somers haben sichtlich Spaß an der Sache, Bassist Van Stratum hält sich eher zurück. Etwas erhöht sehe ich Joost van den Broek, welcher an gefühlt 666 Keybords in die Tasten greift und für den typischen AYREON-Sound sorgt.
Auch Drummer Ed Warby hockt mit seinem Instrument auf einem Podest am rechten Bühnenrand. Leider bekommt der Schlagzeuge während der ganze Show meinem Empfinden nach zu wenig Licht, was ich sehr schade finde. Ed hatte in letzter Zeit etwas Pech. Während einen Sturzes vom Rad hat er sich wenige Tage vor den Shows zahlreiche Blessuren zugezogen. Den Unfall merkt man dem Musiker jedoch nicht an. Zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk gibt Ed den Rhythmus an.Die Zeit vergeht wie im Flug und der Meister betritt die Bühne. Er bedankt sich von ganzen Herzen bei den angereisten Fans und widmet dem erkrankten Sänger Edward Reekers ein paar rührende Worte. Mit 'Day Two: Isolation' geht es in das große Finale, bei dem sich der komplette Cast noch einmal präsentiert. Natürlich brandet ein nicht enden wollender Jubel von den Fans auf. Und es hat sogar geklappt, bis auf wenige Ausnahmen haben die Ayreonauten ihre Handys stecken gelassen und die Show genossen.
19 Musiker haben eine für mich sehr eindrucksvolle, einmalige Show geboten. 27 Songs in knapp 2,5 Stunden haben mich in die grandiose Live-Welt von AYREON entführt. Natürlich könnte ich über jeden der Tracks seitenlange Texte schreiben, doch ich freue mich über die garantiert wieder erscheinende Blu-ray, welche ich jedem ans Herz legen kann. Ich hoffe, dass ich in zwei Jahren wieder das Vergnügen habe, AYREON live in Tilburg zu sehen.Setliste: My House On Mars; Sail Away To Avalon; Green And Cream; Days Of The Knights; Day Six: Childhood; Dragon On The Sea; Day Thirteen: Sign; Sea Of Machines; The Year Of '41; The First Man On Earth; The Lighthouse; The Argument 2; The Parting; Carried By The Wind; The Theory Of Everything, Part 1; The Theory Of Everything, Part 2; Actual Fantasy; Into The Black Hole; Dreamtime; Dawn Of A Million Souls; Valley Of The Queens; Day Sixteen: Loser; The Castle Hall; Amazing Flight; Everybody Dies; Zugaben: Set Your Controls; Day Two: Isolation
Gesang:
Arjen Lucassen; Wudstik; Robert Soeterboek; Damian Wilson; Anneke van Giersbergen; Marcela Bovio; Irene Jansen; Heather Findlay; Maggy Luyten; Mike Mills; Tommy Karevik; Dino Jelusick
Band:
Keyboard: Joost van den Broek; Drums: Ed Warby; Gitarren: Ferry Duijsens und Timo Somers; Bass: Johan van Stratum; Flöte: Jeroen Goossens; Violine: Ben Mathot; Cello: Jurriaan Westerveld
Text und Photo Credit: Andre Schnittker
- Redakteur:
- Andre Schnittker