WALTARI: Interview mit Kärtsy

01.01.1970 | 01:00

Was lange wärt, wärt gut. Eigentlich sollte dieses Interview parallel zum Release des lang erwarteten neuen Albums "Rare Species" bereits Ende März online sein, aber dann fiel die Beantwortung meiner Fragen dem Tourstress zum Opfer. Letztlich brachte es Kärtsy, Sänger und Bigmind von WALTARI, aber doch noch fertig, mir sehr aufschlussreiche Antworten auf meine Fragen zu senden.

Wiebke:
Hey! Wie geht's? Bevor ich mit dem Interview anfange, will ich hier mal kurz meinen eigenen ersten Eindruck von eurem neuen Album "Rare Species" loswerden. Als ich es mir das erste Mal anhörte, war ich fast ein bisschen enttäuscht, weil ich es mir etwas rauer und aggressiver vorgestellt hatte. Besonders, weil es ja seit der letzten Veröffentlichung "Back To Persepolis" im Jahr 2001 sehr still um WALTARI gewesen war. Beim Weiterhören erschlug mich dann aber plötzlich der zwölfte Song 'No Limit/ Symphony of Destruction'. Die darauf folgenden Songs sind ebenfalls ein ganzes Stück schneller und punkiger als die erste Hälfte des Albums. Wieso habt ihr die noch mal da drauf gepackt? (Sie erschienen ja schon auf "Back To Persepolis".)

Kärtsy:
Eigentlich war es geplant, diese Stücke als Bonus-EP zu der ersten Auflage von "Rare Species" zu veröffentlichen. Aber dann entschied sich unser deutsches Label Vielklang dafür, doch alles auf eine CD zu bringen. Da diese Songs sowieso zur selben Zeit wie das Album entstanden sind, hatten wir kein Problem damit. Jedenfalls wollten wir uns nicht in der Richtung limitieren, nur aggressive Songs zu schreiben. Ich glaube, diesen Anspruch hatten wir nie. Wenn du dir unser erstes Album "Monk Punk" anhörst, wirst du feststellen, dass es nicht sehr schnell ist. Alle Prinzipien, nach denen man Musik machen kann, sind uns egal. Wir wollen nur ehrlich sein!

Wiebke:
Wie waren die Reaktionen auf "Rare Species" in Europa bisher?

Kärtsy:
Nicht so schlecht, wirklich. Nur die finnischen Medien waren nicht besonders offen dafür. Um ehrlich zu sein, wir sind zum Glück NICHT mehr so etwas wie ein Schoßhündchen der finnischen Presse, Gott sei Dank! THE RASMUS und HIM dürfen dieses Kreuz jetzt tragen. Aber egal, unser Album war fast in den finnischen Top Ten! Also besser als das Letzte. Frankreich, Italien und Tschechei werden "Rare Species" erst im Juni veröffentlichen und das Echo von da war bisher ganz gut. Und die deutsche Fachpresse mag das Album natürlich.

Wiebke:
Als ich mir das Album ein zweites Mal anhörte, entdeckte ich die Ironie in den Texten und der Musik. Jeder, der WALTARI kennt, weiß, dass ihr auf einem schmalen Grat wandelt zwischen Metal, Eighties-Electro und Rap, um nur ein paar Einflüsse zu nennen. Ein paar Synthies hier, eine fette Bassline da, ein bisschen Gitarrenpower dazu und eine klare Stimme, die sich plötzlich zu einem unglaublich starken True-Metal-Schrei verwandelt. Und am Ende passt das alles so perfekt zusammen! Die Songs fließen und man fühlt den unwiderstehlichen Drang tanzen zu müssen. Wollt ihr die Leute - Metalheads, Popfans und noch ganz andere Spezis - zum Ausrasten bringen?

Kärtsy:
Na unbedingt! Gut, vielleicht nicht, dass sie völlig ausfreaken? aber sie sollen ihre Augen öffnen!! Diese langweilige "Nowadays Rock Scene" muss wirklich mal durchgeschüttelt werden! Wir wollen die Leute an die ursprüngliche Rock-Attitüde erinnern, welche in dem langweiligem und konservativen Rock 'n' Roll der vergangen zwei Jahrzehnte völlig verloren gegangen ist. Seid offen! Vielseitigkeit! Darum geht es in unserer Musik! Denkt doch mal an QUEEN und LED ZEPPELIN - Sind die nicht richtig ausgeflippt, was Stile angeht? Wir nutzen nur die Stile von heute, weil wir Kinder unserer Zeit sind und die Rockmusik auf die nächst höhere Stufe bringen wollen. Jedenfalls hasse ich jegliche Form von Retrorock!

Wiebke:
Macht ihr euch nicht ein bisschen lustig über die Metalszene und ihre Klischees?

Kärtsy:
Nein, nicht wirklich. Rockmusik (und alle anderen Musikstile) sind unser Spielfeld, und WALTARI ist das Labor, in dem wir unsere "chemischen" Tests machen! Und du kannst Gift drauf nehmen, dass wir verdammt viel Spaß haben und es von Jahr zu Jahr interessanter, wilder und ungezähmter zugeht...

Wiebke:
Viele Elemente in eurer Musik erinnern an Songs, die in den Achtzigern und Neunzigern populär waren. Fühlt ihr euch nicht manchmal wie Diebe in der Nacht?

Kärtsy:
Diesmal gaben wir uns die Erlaubnis so zu agieren, wie das andere Bands permanent tun... Das war ein Tribut an die Helden unserer Kindheit, an die Eighties!

Wiebke:
'Life Without Love' ? ein sehr trauriges Thema, besonders in der heutigen Welt, wo das Individuum in Arbeit und Funktionalität verloren geht. Aber die Musik zu dem Song klingt wie der Soundtrack zu einem irren Trip ins Weltall. Sehr cool und psychedelisch. Welche Geschichte steckt dahinter und warum wurde dieses Lied als erste Single ausgekoppelt?

Kärtsy:
Darüber entscheiden immer die Plattenfirmen. Ich persönlich denke, die meisten Songs auf dem Album wären als Single geeignet. Vielleicht entschieden sie sich für diesen, weil er zu den Stücken gehörte, die im Studio als erste fertig wurden. Nun ja, stilmäßig wollten wir einfach mal RAMMSTEIN mit CHER kombinieren.

Wiebke:
Auf der Single ist außerdem ein Remix von Ex-FAITH NO MORE-Billy Gould enthalten. Wie kam es dazu? Kennt ihr ihn? Kennt er die Musik von WALTARI?

Kärtsy:
Ja, ja. Wir sind gute Freunde, schon seit ihrer "Angel Dust"-Periode. Zu dem Remix kam es eines Abends bei der "Pop-Komm", als ich eine 'Life Without Love'-Demo bei mir hatte. Er nahm das Tape und sagte: Klar, ich mache einen Remix. Wir sagten: Ja, nette Idee. Und WAS FÜR eine Version dann dabei rauskam! Die ist so irre und eigenartig...aber schön, warum nicht!?

Wiebke:
Zurück zu der Ironie, die ich vorher schon mal erwähnte. Wenn du den Refrain singst, "Do you believe in life without love, wow!", klingt das ganz und gar nicht tragisch. Genauso in dem Song "Pain", wo du das Wort "pain" so lange dehnst, bis es seine Bedeutung zu verlieren scheint. Verdrehst du gerne mal die Bedeutung von Wendungen, die normalerweise als negativ bewertet werden?

Kärtsy:
Oh Mann, über solche Sachen denke ich doch nicht so genau nach. Ich singe einfach so, wie es meinem Gefühl nach am besten zu dem jeweiligen Song passt.

Wiebke:
Mir persönlich gefällt 'Mega City Rain' am besten. Es hat diesen treibenden Industrialbeat, eine orientalische Melodie und sehr starke Bassparts. Am Ende wird der Song schneller und schneller, fast deathmetal-artig, aber die Stimme darauf bleibt cool und klar. Letztlich klingen die Gitarren wie unzählige Regentropfen, die auf grauem Asphalt platzen. Wann habt ihr diesen Song geschrieben?

Kärtsy:
Im selben Zeitraum wie die anderen Songs, zwischen 2000 und 2001. 'Megacity Rain' gehörte zusammen mit 'Life Without Love' und 'What I Really Know' zu den ersten Kompositionen auf dem Album. (Und den ersten zwei Songs auf der Punk-EP) Das Ende kam ganz zufällig bei den Aufnahme-Sessions im letzten Jahr.

Wiebke:
Wisst ihr schon, welcher Song der nächste Hit wird? Vielleicht 'Alone'? (Wegen dieses hypnotisierenden "Do you want to feel mental?" darin. Ich hoffe, ich hab die Zeile richtig verstanden.)

Kärtsy:
Yeah, hast du! ("Do you wanna..."). Darüber will ich wirklich nicht spekulieren. Ich denke all die guten Songs der Welt sollten Hits sein!

Wiebke:
Glaubt irgendjemand von euch Jungs an Aliens? Was würdet ihr machen, wenn ihr mal eins treffen würdet?

Kärtsy:
Ich glaube die meisten von uns glauben daran. Ich persönlich glaube (ich bin mir fast sicher), dass es überall im Universum (oder in den Universen) lebende Organismen gibt. Ich finde es eine sehr idiotische und egoistische Denkensart zu glauben, dass wir der alleinige Herrscher der Welt sind. Ich muss sagen, das ist sehr dumm, sogar naiv. Jeder weiß doch, dass das Leben dort im Himmel weitergeht. Also, warum sollte es dann nicht andere echte Lebensformen wie uns geben? Warum daran glauben, dass wir die einzigen sind? Ich würde hingehen und seine Hand schütteln...oder sowas in der Art.

Wiebke:
Mögt ihr Science-Fiction-Filme? Welche? Und was sonst noch?

Kärtsy:
Ich bin ein großer "Star Wars"-Fan. (Ich freue mich schon auf den letzten Teil nächstes Jahr!) Tatsächlich mag ich fast alle Sci-Fi-Movies plus alle möglichen UFO-Filme, sogar "E.T." und andere Kinderfilme in der Art... Aber wenn die Aliens als zu aggressive Wesen dargestellt werden, wie in solchen billigen Science-Fiction-Movies, die ich zu amerikanisch finde, wenn du weißt was ich meine... Ich bin sicher, dass die Aliens nicht auf solch einem niedrigen Level leben, wie in "Men In Black" und dergleichen. Das ist schrecklich!
Auf der anderen Seite mag ich sehr diese realistischen Filme, die über sehr normale Dinge und Menschen erzählen, wie die finnischen Mika-Kaurismäki-Filme. Die sind echt cool, und ein bisschen künstlerisch zudem. Und yeah, historische Filme...Ich bin ein großer Geschichtsfan!

Wiebke:
Was haltet ihr von Theorien über Parallel-Universen?

Kärtsy:
Also, ich weiß nicht so recht. Ich bin mir sicher, dass die Prinzipien für ein Leben in Welten "outside" etwas sind, was zu den 90 Prozent unserer Gehirnkapazität gehört (entsprechend Einsteins Theorie), welche wir verloren haben und nicht nutzen können. (Vielleicht bekommt man einen leichten Schimmer von diesem Teil unseres Gehirns, nachdem man LSD oder etwas ähnliches genommen hat. Aber, dann ist es immer noch nur eine körperliche Erfahrung?). Ich glaube diesen geistigen Teil des Lebens kann niemand wirklich verstehen.

Wiebke:
Wie begegnest du Leuten, die nur leere Worthülsen von sich geben? (Ich frage, weil mir gerade wieder die Zeile "I'm into something that doesn't exist" in dem Song 'What I Really Know' einfällt.)

Kärtsy:
Einfach so reden wie jeder andere. Wenn du auf demselben Level mit jemandem oder etwas bist, werdet ihr euch früher oder später miteinander verstehen... Einmal daran gedacht, z.B. eine sehr sexy Person in Finnland zu treffen, mit der du wirklich gerne f***en möchtest, dann wirst du nicht notwendiger Weise die selbe Sprache sprechen, aber ihr werdet euch beide ziemlich schnell verstehen, denke ich....

Wiebke:
Lange hat man darauf gewartet. Ihr wart endlich wieder auf Tour und zwar zusammen mit SUBWAY TO SALLY und REMEMBER TWIGHLIGHT. Wie haben euch die Konzerte in Deutschland gefallen und wo gab es die heißeste Crowd?

Kärtsy:
Trotz der harten Position, die wir als Support für SUBWAY TO SALLY hatten, hat mir dieser Teil sehr viel Spaß gemacht. Durch unsere lange Pause ist es schon ein Weilchen her, dass wir vor größerem Publikum gespielt haben. Ich mag es immer in großen Räumen zu spielen. Ich glaube, dass unsere Musik da am besten wirkt (wenn man an unseren breiten Sound denkt). Es war ein völlig neues Publikum und eine Herausforderung für uns, großartig!
Von diesen Shows erinnere ich mich besonders an Kiel, Krefeld, Darmstadt und Pratteln in der Schweiz.
Mit uns als Headliner sind mir vor allem große Momente in Prag (ganz gewiss!), Duisburg in dieser "Pulp" genannten "gotischen Kirche" (Diesen Ort kann ich wirklich empfehlen, Unglaublich schöne Dekoration!... und spezieller Cocktail, genannt "Lights On", huh...), Köln natürlich (ziemlich kleine Location, aber dieses Mal fühlte es sich an wie in einem Stadiom, huh), Hamburg war schön und Winterthur in der Schweiz hatte irgendwie einen total eigenartig "himmlischen" Vibe in dem Raum, wo wir spielten... Ooh, mir hat die ganze Tour sooo viel Spaß gemacht!

Wiebke:
Und wie war es mit diesen beiden Bands auf Tour?

Kärtsy:
Toll! Die SUBWAY TO SALLY-Leute waren sehr nett zu uns, es war eine gute Atmosphäre zwischen beiden Bands und viel Respekt. Und natürlich ein "Großes Hallo" an unsere "Twilights", mit ihnen zu touren war ebenfalls sehr schön und die einzigartige Instrumentierung in ihrer Metalmusik (Oboe und Violine!) hat mir sehr gut gefallen.

Wiebke:
Ich hab euch auf eurem Abschlusskonzert in Jena gesehen. Da sahst du aus wie ein Hybrid zwischen dem Riddler aus "Batman" und Frank aus der "Rocky Horror Picture Show". Für diejenigen, die vielleicht zum ersten Mal von WALTARI hören, kannst du vielleicht mal eine bildhafte Beschreibung von einer typischen WALTARI-Fanmenge im Konzert geben?

Kärtsy:
Hah, da gibt es keinen typischen Typ! Da siehst du Metalheads, Gothics, Rapper, alte Hippies, Raver, "normale" Leute, Mädchen, Mütter, Ladys, Punks... alles dabei! Du weißt nie, was dich erwartet. Das Beste für uns ist, dass da auch Mädels involviert sind! Diese Rockmusik, wie wir sie machen, steht wirklich über jeglicher Kategorisierung. Aliens hab ich noch keine im Publikum gesehen - noch nicht! Unsere Musik würde ich als moderne Hardrock-Musik beschrieben, die von allen zeitgemäßen Stilen beeinflusst ist (manchmal sogar außerhalb der Rockmusik).

Wiebke:
Meine letzte Frage ist folgende: Was ist eine rare Spezies?

Kärtsy:
Wir. Wir, die wir alleine wandern in dieser kalten stereotypen Welt und versuchen, wenigstens ein bisschen strahlende kreative Energie in die Köpfe der Leute zu bringen! Individuelle Denkweisen sind heutzutage ebenfalls selten. Die meisten Bands kopieren nur einander, und denken dabei, das wäre der richtige Weg zum Erfolg. Das ist eine Illusion! Letztlich sucht doch jeder nach eigenen einzigartigen Ausdrucksweisen und Momenten, die ihn forttragen würden von einem langweiligen Alltagsleben. Jeder hat auch das Recht er/sie selbst zu sein, solange es niemand anderem Schaden zufügt!

Wiebke:
Nun entspann dich, lehn dich zurück und lies die Namen der folgenden Musiker. Dann gib bitte zu jedem ein kurzes Statement ab!

ROBERT JOHNSON

Kärtsy:
Der erste Rocker! Er sollte der reichste Rock-Künstler unserer Zeit sein (obwohl er tot ist).

Wiebke:
BLACK SABBATH

Kärtsy:
Erste Rock-Metal-Band. Was kann ich da sagen? Wir alle schulden ihnen was, so wie sie den BEATLES was schulden.

Wiebke:
EUROPE

Kärtsy:
'Final Countdown' hat eine geniale Synth-Melodie, One-Hit-Wonder. Künstlich, aber egal, nicht von der übelsten Sorte.

Wiebke:
DAVID HASSELHOFF

Kärtsy:
Fake. Ich mochte nicht mal den "Knight Rider".

Wiebke:
CANNIBAL CORPSE

Kärtsy:
Medium Metal. Ziemlicher Standard.(Obwohl ich nicht alles von ihnen kenne?)

Wiebke:
Okay, gibt es noch etwas, was du unseren Lesern mitteilen möchtest?

Kärtsy:
Traue deinen Sinnen.

Wiebke:
Vielen, vielen Dank für die Worte und die Zeit!

Kärtsy:
Danke dir!

Redakteur:
Wiebke Rost

Login

Neu registrieren