THEM - Interview mit Gitarrist Markus Ullrich

22.10.2025 | 19:56

Bei THEM gibt es auf Album Nr. 5 textlich eine Horror-Story mit fiesem Twist und musikalisch weniger KING DIAMOND, dafür aber mehr Thrash Metal. Gitarrist Markus Ullrich bringt für uns Licht ins Dunkle.

Hallo Markus, magst du dich unseren Lesern kurz vorstellen?
Ich bin der Ulle und ich spiele Gitarre, unter anderem bei THEM, die Band, um die es heute geht. Bei THEM schreibe ich einen Großteil der Songs und der Musik. Die Texte sind von unserem Sänger Troy und einen Teil der Songs schreibt unser anderer Gitarrist, Markus Johansson aus Chicago. Wir sind eine ziemlich multinationale Band. 

Wie hat die Geschichte von THEM begonnen und wie kommen deutsche Musiker zu einer amerikanischen KING DIAMOND-Coverband beziehungsweise umgekehrt?
Es war so: Ich habe vorher in einer deutschen Prog-Power-Metal-Band namens LANFEAR gespielt und habe mit der Band sieben Alben rausgebracht. Im Jahr 2012 haben wir in Atlanta auf dem ProgPower-USA-Festival gespielt. Ein paar von uns haben gesagt, wenn wir schon drüben in den Staaten sind, hängen wir noch einige Tage dran, nehmen uns ein Auto und fahren nach New York. Unter anderem war ein Bekannter von uns dabei, der ein kleines Label hatte, mit dem er auch einige Re-Releases herausgebracht hat - und darunter war eine Band namens COLD STEEL, die in den 80ern und Anfang der 90er so etwas wie die New Yorker B-Version von ANTHRAX war. Und der meinte: Wenn wir auf Long Island sind, möchte ich einen alten Bekannten treffen. Eben den ehemaligen Sänger von COLD STEEL namens Troy Norr. Wir haben uns abends in einem Lokal auf Long Island zum Essen getroffen und haben uns sofort ziemlich gut verstanden.

Band 1Troy hat erzählt, dass er in einer KING DIAMOND-Tribute-Band namens THEM singt. Ich habe gesagt: "Ja gut, aber kannst du das denn auch so rüberbringen wie der King?" Er meinte nur: Klar - und dann hat er in diesem Lokal ein paar hohe Quietscher losgelassen, das war schon ziemlich lustig.

Troy hat erzählt, dass er schon ein Logo für die Band hat und eigentlich gar nicht mehr covern möchte. In dem Fall von Troy und THEM hieß covern, dass die im Prinzip das komplette Arsenal von KING DIAMOND aufgefahren haben, so richtig professionell mit dem alten Friedhof auf der Bühne und so. Aber Troy wollte lieber eigenes Material performen, THEM hat da, laut ihm, bereits an einem Album geschrieben. Mir hat das gefallen, ich fand, das sei eine gute Idee und habe ihm gesagt, dass er das ruhig machen solle, weil der KING wahrscheinlich die nächsten fünf Jahre kein Album rausbringt. Ich wusste nicht, dass es eher zehn oder fünfzehn werden... (lacht)

Wir sind lose in Kontakt geblieben und ungefähr ein Jahr später hat er sich bei mir über Facebook gemeldet und meinte: "Markus, die Jungs kriegen es nicht gebacken. Nach einem Jahr habe ich gerade mal einen Refrain und das war es. Meine Musiker kriegen den Arsch nicht hoch und wollen halt doch lieber nur covern, hast du nicht Bock, die Platte zu schreiben?" Da habe ich kurz überlegt, weil ich damals eine Thrash-Band namens SEPTAGON in Gründung hatte, die in den nächsten Jahren übrigens auch drei Alben rausgebracht hat. Aber egal, ich hatte Bock darauf. Wir haben die Platte zu zweit geschrieben und dann für die Aufnahme ziemlich schnell ein paar Musiker gefunden, da war plötzlich Mike LePond von SYMPHONY X am Bass dabei. Ich habe mir seinetwegen sogar extra einen Bass gekauft, weil ich die Demos mit einer runtergepitchten Gitarre eingespielt habe und nur dachte: "Alter, ist das peinlich, wenn der Mike das hört!"

Wir haben die Platte aufgenommen und klar brauchten wir natürlich auch Keyboards, so kam noch der Ritchie (Seibel), der mit mir schon bei LANFEAR gespielt hat, dazu. Bei diesem Album dachte ich mir noch, naja, schreibst du halt was, das so ein bisschen in die KIING DIAMOND-Richtung geht, ein bisschen härter vielleicht. Ich war da auch noch der Meinung, THEM wäre ein einmaliges Projekt. Aber plötzlich hatten wir ein Angebot auf Tour zu gehen. Wir waren im Vorprogramm von HELLOWEEN in den Staaten und Kanada unterwegs und so war THEM halt plötzlich eine richtige Band. 

Die Handlung der ersten drei Alben spielt im England des 19. Jahrhunderts. Mit dem vierten Album seid ihr aus dem alten England in die Zukunft, in das New York der 80er Jahre, geflogen. Inwieweit schließt das neue Album, "Psychedelic Enigma", über das wir ja heute hauptsächlich reden wollen, an die Handlung von "Fear City" an, wo der Protagonist die Nachkommen seiner alten Widersacher in den 70er Jahren jagt?
CoverDas ist jetzt die Frage, was ich verraten soll oder nicht. Okay, ich kann verraten, die Story spielt jetzt, heutzutage, aber es hat irgendwie mit diesen alten Geschichten zu tun. Aber diesmal spielt sich alles mehr im Kopf des Protagonisten ab, wie eine Erinnerung oder eine Zusammenfassung von dem, was passiert ist... wobei man gar nicht weiß, ob das alles wirklich geschehen ist. Der Hauptprotagonist ist nicht K.K. Fossor, der auf den ersten vier Alben die Hauptrolle hatte, sondern die Figur auf dem Frontcover des Albums - wer immer das ist. Unseren ehemaligen Protagonisten sieht man hingegen nur von hinten.

Im Vordergrund ist die Person, die nach Jahren aus dem Koma erwacht und es geht darum, dass ihm dann erklärt wird, dass er etwas Schlimmes getan hat. Es kann schon sein, dass du dir im Kopf irgendeine Scheiße zusammengesponnen hast, wenn du 17 Jahre im Koma warst. Aber hast du deine Familie umgebracht? Es kann sein, dass es so ist oder dass er es nur erfunden hat - oder spielen ihm seine Gedanken einen Streich? Es kann auch sein, dass K.K. Fossor da irgendwie mitmischt.

Ich weiß es nicht, also habe ich Troy gefragt. Er hat gesagt, er weiß es auch nicht so genau, es ist mysteriös – oder doch nicht? Es kann gut sein, dass etwas Übersinnliches mitspielt. Und am Ende des Albums, im letzten Stück, wird der Mensch, der nach seinem Koma in der Klinik ... behandelt ... wird, um mal nicht zu viel zu verraten, auch mit seinem richtigen Namen angesprochen. Aber keine Sorge, der echte Troy hat seine Frau nicht umgebracht - zumindest hoffe ich das. (lacht)

Das Album endet mit den Worten "It's not over yet". Also nehme ich an, dass die Reise von THEM weitergeht?
Ja, das kann gut sein. Dann wird es jedoch eine Geschichte sein, die komplett neu ist. Die alte Story ist jetzt abgeschlossen, das war ein Wunsch von meiner Seite. Es wäre aus meiner Sicht nicht gut, aus der Handlung der bisherigen THEM-Alben eine never-ending Story zu machen. Bis hierher war es okay, für mich die Story nach den ersten drei Teilen auserzählt, aber ich fand diesen vierten Teil deshalb interessant, weil er in den 80ern spielt. Ich bin jemand, der sich eigentlich ungerne wiederholt, ich würde gerne immer alles anders machen.

Bei "Fear City" konnte ich die ganzen 80er Sachen mit einfließen lassen, ein John-Carpenter-Intro, einen waschechten Hardrock-Song, so Sachen fand ich cool. Mir war einfach wichtig zu sagen, dass es jetzt mit dem fünften Album eine Wendung mit der Handlung geben muss. Ich wollte das Ganze auch weniger comichaft haben. Es gibt diesmal einen Dialog am Anfang und es gibt einen Dialog am Schluss, aber es gibt dazwischen kein Gequatsche mehr, sonst hatten wir immer wieder Dialoge zwischen den Songs. Mir war es ein Anliegen, dass das sehr ernst wird, dass es diesmal nichts gibt, das man als trashig interpretieren könnte.

Da muss man bei Amerikanern aufpassen, weil die Definition von Horror für einen Amerikaner anders ist als für ein Europäer. Zumindest merkt man da kulturelle Unterschiede. Für mich ist "Freitag der 13." oder "Nightmare On Elm Street" nicht wirklich Horror. Das ist für mich eher Splatter-Zeug, eher Action, aber echter Horror ist es für mich nicht - aber für einen Amerikaner, für den ist es Horror. Davon wollte ich ein bisschen weg und alles ein bisschen bedrohlicher, ernster machen. Wobei ich mit der Story nichts zu tun habe, die kommt komplett von Troy.

Meiner Meinung nach ist das neue Album deutlich härter, thrash-lastiger, es hat stärkere ANTHRAX- und MEGADETH-Vibes, weniger Power Metal und weniger KING DIAMOND. Wo siehst du musikalisch den Unterschied zwischen dem neuen Album und seinen Vorgängern? Jetzt nicht unbedingt zu "Fear City", das ja bewusst einige 80er-Einflüsse hatte.
Band Quer gründOkay, ja, also kann durchaus sein. Ich meine, das hört jeder anders heraus. Prinzipiell waren von Anfang an immer Thrash-Elemente auf allen Alben. Wobei das erste Album halt noch eher eine Art Experiment war, da habe ich noch bewusst so zwei, drei KING DIAMOND-Zitate und ähnliche Vibes reingespielt. Ab dem zweiten Album war das für uns schon gegessen.

Ich bin ein alter Thrasher. Und es wird tatsächlich in fast allen Interviews gesagt, dass "Psychedelic Enigma" im Verhältnis sehr hart und thrashig wäre. Ich bin mir nicht so sicher, denn ich glaube, das liegt auch viel am Aufbau dieses Albums. Die anderen Alben sind vom Aufbau ein bisschen logischer, wo der Hörer mal musikalisch ein bisschen was auf die Fresse kriegt, dann wird es aber auch wieder ein bisschen langsamer. Dieses Mal ist der musikalische Aufbau komplett der Story geschuldet. Ich sage mal, es ist kommerziell nicht sonderlich clever, das Album so aufzubauen, weil es halt extrem hart anfängt, dann eher progressiver und komplexer wird und zum Schluss mit drei Longtracks ziemlich episch aufgeblasen wird.

Klar, ich bin MEGADETH-Fan, aber ich höre bei THEM jetzt nicht unbedingt MEGADETH raus. Nimm beispielsweise 'Psychonautic State', dieses sehr abgefuckte dreieinhalb-Minuten-Ding, da dachte ich mir: "Was wäre, wenn ich was im Sinne von WATCHTOWER, HADES oder TOXIK machen würden?" Also in diese Richtung, oder wie CORONER, so richtig technischer Thrash. Diese Bands hatten auch großen Einfluss auf mich. 



Ich bin mit Oldschool-Thrash aufgewachsen, aber eher die amerikanische Richtung. Also: Du liegst mit deiner Einschätzung nicht ganz falsch. Und Troy hat auch diese Thrash-Vibes, 'Remember To Die' hat diesen groovigen New Yorker Thrash-Shout-Gesang. Jemand hat geschrieben, das wäre schon fast Rap, was ich sehr lustig fand, und hat dann auch, wenn ich mich nicht vertue, geschrieben, dass der Song an KORN erinnert - was ich noch viel lustiger fand.

Du hast mir die nächste Frage zum Aufbau des Albums vorweggenommen, denn wie du schon sagst, das Album fängt knackig und hart an, wird dann ein bisschen progressiver und endet dann ziemlich episch. Meine Frage ist: Ist das musikalisch bewusst so gehalten oder der Story geschuldet, aber das hast du auch schon beantwortet. Aber was entsteht als erstes? Ist erst die Musik, der Song da und dann die Story zum Song oder wird das irgendwie parallel entwickelt?
Wir arbeiten parallel. In der Regel ist die komplette Musik fertig, bevor auch nur ein einziger Text steht. Das bedeutet aber nicht, dass die Story nicht schon da ist. Troy bekommt von mir meist direkt die Demos und ich frage ihn auch zwischendurch, was er von der Stimmung oder von den Vibes der Story her musikalisch braucht.

Bei anderen Alben war es tatsächlich so, dass ich ein ganzes Album am Stück geschrieben habe, die zweite Scheibe wurde fast komplett in der Reihenfolge geschrieben, wie die Songs auf der Platte stehen, aber dieses Mal war es überhaupt nicht so. 



Ich hatte relativ schnell einen Eindruck davon, was nach dem Intro 'Catatonia' der Opener sein muss, aber den Rest habe ich Troy überlassen. Und als er mir dann seine vorgeschlagene Reihenfolge geschickt hat, dachte ich nur: "Alter, bist du noch ganz dicht?" (lacht) Da knallst du die drei Songs mit sechs, sieben und acht Minuten ans Ende, die halt auch noch ziemlich fordernd sind, Wahnsinn. Dadurch, dass die Stücke zum Teil so lang sind, wäre es nur mit Mühe und Not gelungen, das Album auf LP herauszubringen. Und für eine einzelne LP hätten wir das Herzstück 'Twisted Minds' weglassen müssen, damit die Musik auf zwei Seiten passt.

Ich habe gesagt: "Nur über meine Leiche." Ich schreibe nicht so einen Song, dass er dann irgendwann auf YouTube landet oder nur eine digitale Single wird. Ich habe dann Oli von unserer Plattenfirma Steamhammer angehauen und habe gefragt, wie es denn mit einem Doppelalbum aussieht, so ein Gatefold-Vinyl? Und er meinte nur: "Markus, das bringen wir schon..." Als Bonus für die Vinyl-Käufer haben wir auf die Seite D unsere letztjährige EP draufgepackt, die es bisher nicht auf Vinyl gibt.

Das Album ist schon ein ziemlicher Brocken und es ist tatsächlich so, dass der Aufbau rein aus kommerzieller Sicht nicht logisch oder clever ist. Aber alles für die Kunst und alles für die Geschichte! Und wenn ich es mir jetzt anhöre, könnte ich es mir komischerweise gar nicht anders vorstellen.

Ich habe das Album beim ersten Hören als sehr anstrengend empfunden, weil in den Stücken so wahnsinnig viel passiert und man wirklich permanent von der Musik durchgeprügelt wird. Erst am Ende findet man so etwas wie Ruhepunkte und man kann etwas durchatmen. Im Nachhinein muss ich allerdings sagen, das Album ist völlig logisch so, wie es ist. Es passt wie Arsch auf Eimer, vor allem, wenn man auf die Story achtet.
Es ist schön, dass du das sagst. Ich hoffe halt natürlich, dass es viele so sehen. Was halt immer schwierig ist, auch wenn du jetzt Singles veröffentlichst. Da ist egal, was du von der Platte veröffentlichst, das sagt nichts aus über die anderen Songs. 

Im Begleitschreiben der Plattenfirma fehlt bei der Angabe der aktuellen Bandbesetzung von THEM der Schlagzeuger. Wer hat das Ding eingetrommelt?
Ja, stimmt, das habe ich auch gesehen. Der Schlagzeuger heißt David De Linier, er kommt aus Ecuador, ist ein studierter Schlagzeuger, Session-Drummer und Schlagzeuglehrer. Und er hat sein eigenes Studio. Wir haben viel kommuniziert und Sachen geändert oder ergänzt, man ist flexibler, als wenn ein Session-Drummer in ein eigens angemietetes Studio geht und die Drums nach deinen Demos einspielt, da musst du dann am Ende mit dem Material arbeiten, dass du hast.

Es ist so: Ich mache grundsätzlich Demos, auf denen auch das Schlagzeug dabei ist, das programmiere ich erstmal. Das klingt auch schon gut, aber ich möchte einfach kein programmiertes Schlagzeug haben, das mag ich nicht. Ich bin jetzt keiner dieser Super-Ultra-Verfechter, wo es heißt, es ist nur echt, wenn es auf einer Müllhalde oder im Kohlenkeller von der Oma aufgenommen worden ist. So muss es nicht klingen, aber ich mag es jetzt nicht, wenn die Drums so getriggert sind, dass es nur klickt und klackt. Es soll echt sein.

Es ist so, dass das, was ich programmiere, nicht in Stein gemeißelt ist, sondern der Schlagzeuger sagen kann, okay, ich weiß, was du meinst, aber ich habe da eine Idee. Super - probiere das aus, mach, was du willst. Ich schreibe dann wirklich nichts vor. Der David ist richtig gut, er spielt momentan, also gerade während des Interviews, auch schon wieder Drums für mich ein, für ein Instrumental, das ich geschrieben habe. Er ist halt einfach tierisch fit und kann alles spielen, egal, ob du mit Grindcore oder Funk kommst, der kann das. Eigentlich wollten wir jemanden aus Deutschland, damit man, sollten jetzt Gigs anstehen, zumindest den Schlagzeuger nicht einfliegen lassen müsste. Aber es ist nicht ganz so leicht, in Deutschland jemanden auf dem Niveau zu finden, der halt nicht bei Bands spielt, mit denen er Geld verdient.

Habt ihr denn Pläne für eine Tour oder hat THEM eventuell irgendwelche Festival-Einladungen für das nächste Jahr vorliegen?
Band grün hochkantBisher nicht. Es ist schon so, dass wir von Festivals Anfragen kriegen. Aber man muss halt realistisch sein. Wie gesagt, wir müssen momentan drei Leute aus den USA einfliegen. Das ist mittlerweile schweineteuer. Oder nimm die Tourbusse, die Kosten haben sich verdoppelt. Wenn du dir die Line-ups der üblichen Festivals anschaust, wirst du sehen, dass bekanntere Bands gerne mal aus den USA kommen, aber kleinere eher selten zu sehen sind. Natürlich kriegen wir mit THEM eine gute Gage, so ist es nicht. Aber das Geld würde nicht im Ansatz reichen, die Flugkosten aus den USA sind unfassbar teuer geworden. Wir müssten erst mal 5.000, 6.000 Euro investieren, um die Leute hier in Europa zu haben. Das kriegst du selbstverständlich nicht mit einem Festival-Gig gestemmt, wir müsstest mindestens zwei, drei Festivals spielen und dann dazwischen noch irgendwelche Shows buchen - das ist im Sommer natürlich extrem schwierig, gerade während der Festivals-Saison. Daher sage ich, dass eine Tour momentan unwahrscheinlich ist.

Wir waren zweimal in Europa auf Tour, aber das war noch vor Covid. Da konntest du dann zehn bis vierzehn Tage Tour einplanen und bist dann so auf null rausgekommen. Und das wäre jetzt nicht mal so schlimm, wenn wir nicht auf null rauskommen und wir ein bisschen was drauflegen - kein Ding. Keiner von uns muss von THEM leben oder damit sein Geld verdienen. Trotzdem kannst du nicht Tausende von Euro versenken, das ergibt keinen Sinn.

Ich habe jetzt wieder eine Tour-Anfrage aus Spanien gekriegt. Der Promoter schreibt dann auch, er kann sechs oder sieben Gigs planen – aber Spanien ist halt immer mit Skandälchen verbunden, dann kann es halt auch zwei Wochen vorher sein, dass, naja, schade - der Promoter mit der Kohle durchgebrannt ist und solche Sachen, Spanien ist immer etwas schwierig. Aber ich sage jetzt nicht niemals nie. Wir hätten Bock, aber es ist halt momentan eher unwahrscheinlich.

Dann waren wir vorhin ja beim Thema Horrorfilme. Im Promotext der Plattenfirma wird die Handlung des Albums mit Filmen wie "The Sixth Sense" oder "The Others" verglichen. Sind das Filme, die du magst? Was wäre deine Empfehlung? "Freitag, der 13." hast du ja schon erwähnt. 
Also, "Freitag, der 13". ist eher nicht so mein Ding. Ja, als 15-Jähriger fand ich das geil. Wenn Steamhammer einen Text für die Promotion erstellt, dann machst du vorher tatsächlich immer ein Interview, in dem ich eigentlich nur gesagt habe, das Plot-Ende von "Psychedelic Enigma" ist halt sehr plötzlich und eine ziemliche Wendung, ähnlich wie beispielsweise eben bei "The Others" oder "The Sixth Sense". Das war eigentlich alles. Aber es ist halt tatsächlich solch ein Plot-Twist. Aber es ist jetzt nicht so, dass ich sagen würde, das sind meine Lieblingsfilme. "The Others" finde ich gut und "The Sixth Sense" kennt jeder, der Film ist echt cool. Vor allem den kannst du auch ein zweites Mal gucken und stellst fest: Eigentlich hättest du den Twist viel eher bemerken müssen - aber man merkt es eben nicht, klasse gemacht!

Und ansonsten mag ich schon auch die klassischen Slasher-Filme, aber das war, wie gesagt, eher so mit 15, 16 Jahren - da war das lustig. Wenn es um Horror geht, mag ich eher Filme wie "Das Omen" oder "Der Exorzist". Oder die klassischen Filme aus dem Hammer-Studio - nicht, weil sie gut sind, aber weil ich halt den Vibe und den Look einfach mag. Und sobald halt irgendwas schwarz-weiß ist, ist es eh unheimlicher. Sowas ist dann eher mein Ding. Aber mit THEM hat das nichts zu tun. THEM ist von der Handlung her halt einfach mehr Action, ist einfach amerikanischer, ganz klar. 



Um den Elefant nochmal in den Raum zu ziehen, hast du in diesem Jahr eines der Konzerte von KING DIAMOND besucht?
Tatsächlich nicht, es hat mich auch nicht so gereizt. Die Leute denken immer, dass ich, weil ich bei THEM bin, der größte KING DIAMOND-Fan der Welt bin. Was nicht heißen soll, dass ich kein Fan bin, mich hat jetzt die Phase von "Fatal Portrait" bis "Conspiracy", vielleicht auch noch "The Eye", stark geprägt. Das finde ich auch gigantisch. Aber ich sage mal so: Die letzten Alben, die von KING DIAMOND kamen, da waren für mich zwar auch immer ein paar gute Songs drauf, aber mehr war da auch nicht.

Ganz unverblümt: KING DIAMOND macht jetzt seit 15 Jahren Kohle mit den alten Kamellen. Und ich bin ein Songwriter. Mich interessieren dann irgendwann diese alten Geschichten nicht mehr, was nicht heißt, dass ich mir den KING nicht doch noch mal angucken würde, aber verdammt, jetzt mach doch endlich mal dein Album fertig. Ich verstehe das auch nicht, dass man das nicht gebacken kriegt. Entschuldigung, wir haben jetzt mit THEM fünf Alben in neun Jahren gemacht, dazu habe ich in der Zeit auch noch drei Scheiben mit SEPTAGON veröffentlicht. Ich habe das Debüt von UNDER RUINS aufgenommen und ich schreibe gerade die dritte COSMIC TRAIL-Scheibe, ein reines Instrumentalalbum. Und ich arbeite auch noch ganz normal. Erzählt mir bitte keine Scheiße von wegen: Wir haben keine Zeit. Natürlich kostet Musik machen extrem viel Zeit, aber man muss halt effektiv sein und effizient arbeiten, dann funktioniert das.

Aber bei KING DIAMOND kommt erst eine Tour, dann noch eine, dann kommt noch eine Special Tour dazu und so weiter. Ich mag die Musik, ich finde es geil, ich finde KING DIAMOND auch als Typen geil. Aber da bin ich raus. Ich gehe dann lieber auf kleinere Konzerte und kaufe mir ein Vinyl der Band, die da gerade spielt. Weißt du, man tendiert häufig dazu alles zu beschönigen... wenn wirband lila rechts mal ehrlich sind, in den 90ern hat sich kein Schwanz für KING DIAMOND interessiert. Ich war, lass es 1998, 1999 gewesen sein, in Wacken - übrigens zum letzten Mal. Und da hat MERCYFUL FATE gespielt, mittags um zwei. Das wollte kein Mensch sehen. Ich war auf dem Zeltplatz, habe gefragt: "Wer geht mit?" Keiner! Also habe ich mir das mittags angeguckt, da war alles frei vor der Bühne. Muss man zehn oder zwölf Jahre weg sein und plötzlich will dich jeder sehen? Da frage ich mich, aber wo wart ihr denn damals? Jetzt ist KING DIAMOND plötzlich riesengroß, das sind so diese Sachen, die ich immer merkwürdig finde.

Oder ein anderes Beispiel: Der alte Schlagzeuger von THEM, Angel Cotte, spielt bei DEMOLITION HAMMER, das ist extremer Thrash. Die gab es Anfang der 90er, die habe ich in Ludwigsburg gesehen, da waren 20 Leute da, maximal 25. Angel hat mir erzählt, sie mussten damals Tourneen abbrechen, weil niemand gekommen ist. Heute wird die Band recht hoch auf Festivals gebucht - obwohl die seit Mitte der 90er kein Album mehr herausgebracht haben. Die haben einfach gesagt, wir sind wieder da und jetzt headlinen sie die größten Festivals. Die Jungs sagen selbst, wir haben keine Ahnung warum, aber wir nehmen das mit. 

Gibt es bei LANFEAR nochmal eine Chance für eine Reunion, um dann vielleicht auch die großen Festivals zu headlinen? 
LANFEAR hat schon immer die falsche Musik für große Festivals gespielt. Bei LANFEAR ist es auch einfach so, dass mich die Musik nicht mehr wirklich interessieren würde, oder gar so etwas nochmal zu schreiben. Okay, ich habe ja dieses Jahr mit UNDER RUINS ein Album rausgebracht, wo Nuno (Nuno Miguel de Barros) von LANFEAR singt. Da gibt es vielleicht ein paar Anleihen an die Musik von damals. Aber dieser so leicht rockige Metal... ich persönlich fand LANFEAR auch nie wirklich proggy. LANFEAR war für mich melodischer Metal, der halt ab und zu mal ein bisschen härter war. Aber wir wurden einfach in diese Progressive-Ecke gesteckt und dann hast du verloren. Es sei denn, du bist DREAM THEATER oder FATES WARNING, dann geht das.

Es ist einfach nicht mehr die Musik, die ich heute gerne machen würde. Und wenn, dann müsste es halt auch die alte Besetzung sein und das geht aus diversen Gründen auch nicht, obwohl wir noch befreundet sind und in Kontakt stehen. Also: Eine LANFEAR-Reunion, da muss ich dich enttäuschen, wird es nicht geben.

Schade. SEPTAGON hast du vorhin auch schon erwähnt. Gibt es die Band noch? 
Das weiß ich nicht so richtig. Die Band ist jetzt nicht aufgelöst, aber es ist einfach so, dass Markus (Becker, Sänger) extrem mit ATLANTEAN KODEX beschäftigt ist und auch Familie und Kinder hat. Da hat SEPTAGON sich ein bisschen totgelaufen, aber wir haben uns jetzt nicht aufgelöst. Wir verstehen uns auch nach wie vor gut. Und: Ich habe natürlich ein Album auf dem Rechner, zumindest die Musik ist fertig geschrieben. Ob es von SEPTAGON mal was Neues gibt, ich weiß es nicht. Das ist jetzt für mich auch nicht so dringend und es ist nicht so, dass jemand drauf wartet. Der eine oder andere wird schon sagen: "Schön, cool, dass da ein neues Album kommt." - aber es ist jetzt nicht so, dass wir die Größe hatten, dass die Rückkehr von SEPTAGON in der Szene heiß erwartet werden würde.

Insofern habe ich dann halt mit UNDER RUINS das Album gemacht, was ich schon lange machen wollte, ein bisschen was Epischeres. Und dann habe ich noch COSMIC TRAIL, die Instrumental-Band, die ich mal hatte, da bin ich jetzt an einem neuen Album dran und werde bald eine erste Single veröffentlichen. Ich schätze mal im November. Und es ist ein 15-Minuten-Track, da habe ich mich dann gut ausgetobt.

Es liegt bei keiner Band daran, dass ich nicht Bock oder Zeit hätte. Aber es wird halt immer schwieriger, wenn du mehrere Mitglieder hast und je älter die Jungs werden, desto schwieriger ist es halt. Bei mir ist das nicht so. Ich bin auch getrieben. Ich bin getrieben, Musik zu machen. Ich drehe sonst komplett durch! 

Hast du noch irgendwas, das du gerne an unsere Leser loswerden möchtest?
Zunächst mal: Vielen Dank an dich. Ich bin auch langjähriger Leser von POWERMETAL.de. Und es freut mich immer, wenn Leute interessante Fragen stellen. Das kommt auch nicht immer vor, du kriegst oft meistens nur den üblichen Quark serviert. 

Und meine letzten Worte am Ende: Da die Singles nicht wirklich repräsentativ für das neuen THEM-Album sind, gebt "Psychedelic Enigma" am Besten im Ganzen eine Chance. Hört euch das Album in Ruhe am Stück und wirklich bis zum Schluss an – es lohnt sich!



Photo Credit: (c) Band

Redakteur:
Maik Englich

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