SUN: Im Sonnenschein mit einer besonderen Künstlerin

06.05.2025 | 11:30

Bei der Musik geht wahrlich die Sonne auf. Zugegeben, das Wortspiel ist eventuell etwas blumig und überholt, dennoch passt es zu SUN, dem "Brutal Pop" der Künstlerin und ihrem neuen Album "Krystal Metal". Kennt ihr das Gefühl, dass sich irgendetwas Großes entwickelt? Nun, hört euch SUN an und bildet euch selbst eine Meinung zu diesem gewaltigen Ausbruch. Und weshalb sie sich SUN genannt hat, was "Krystal Metal" eigentlich bedeutet und wie sie die jetzt schon enormen Karrieresprünge verdaut hat, erfahrt ihr im sehr schönen Gespräch mit ihr – Townsend sei Dank!

Hallo SUN, wie geht es dir?
Hallo Marcel, ich bin sehr aufgeregt, dass meine erste LP endlich das Licht der Welt erblickt. Es ist mir ein Vergnügen, mit dir zu sprechen.

Die Freude ist ganz meinerseits! Mit deinen ersten EPs hast du ein Genre geschaffen, das man als Brutal Pop bezeichnen kann, so als hätten NO DOUBT und GOJIRA ein heimliches Kind bekommen. Inwieweit passt der Vergleich und an welchen Bands hast du dich in deiner Anfangszeit vor einigen Jahren orientiert?
Ich habe als kleines Mädchen angefangen, Mainstream-Pop zu hören: JANET JACKSON, NO DOUBT, DESTINY'S CHILD und habe dann die Riotgrrrls der 90er Jahre entdeckt. LUNACHICKS, HOLE, SLEATER KINNEY, L7 und allmählich bewegte ich mich zu rockigeren, weiblichen Künstlern wie MY RUIN, DRAIN STH, KITTIE. An diesem Punkt öffnete ich schließlich die Tore zum extremen Metal. Ich bin ein großer Fan von Eric Rutans Arbeit (als Musiker und als Produzent). HATE ETERNAL, MORBID ANGEL, CANNIBAL CORPSE, IMMOLATION wären da als Beispiele zu nennen und ich verbrachte meine frühen Teenagerjahre damit, ihre Musik zu entschlüsseln und an meinen rhythmischen Gitarrenfähigkeiten zu arbeiten. Dann: Boom! STRAPPING YOUNG LAD und DEVIN TOWNSEND kamen wie eine Flutwelle in mein Leben und veränderten alles für immer. Endlich hatte ich einen Plan, wie man Harmonie und helle Pop-Akkorde mit Blast-Beats zusammenbringt. Zusammenfassend könnte man sagen, dass ich Pop-Songwriting, Metal und einen Indie/90er Jahre-Sound mag.

Gibt es einen Grund, warum du dich SUN genannt hast? Was verbindest du mit der Sonne oder hat es nichts damit zu tun?
Ich habe meinen Vater verloren, als ich noch sehr jung war. Ich hatte mich für eine Sonnenblume entschieden, die auf seinem Grabstein eingraviert werden sollte. Nachdem sein Grab entfernt worden war, wollte ich unbedingt, dass man sich auch ohne Grab an ihn erinnert. Ich wählte SUN als Hommage an meinen Vater. Auf diese Weise ist seine helle und warme Energie immer bei mir und ich kann über ihn sprechen.

Eine sehr schöne Geste. Die letzten Jahre waren unglaublich aufregend: der FAIR-Preis, die Zusammenarbeit mit Andrew Scheps, der Auftritt bei der Pre-Show von METALLICA... hattest du überhaupt die Möglichkeit, all diese Eindrücke bei den 120 Konzerten, die du gegeben hast, zu verarbeiten?
Um ehrlich zu sein, habe ich das Gefühl, dass ich diese Zeit irgendwann einmal verarbeiten werde. Aber im Moment konzentriere ich mich darauf, alles zu geben, was ich habe. Ich fühle mich extrem energiegeladen und glücklich, das zu tun. Als ich meine Karriere als Musikerin begann, musste ich nebenbei in Musicals singen und als Schauspielerin in Filmen und Theaterstücken auftreten, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen und mein eigenes Label zu finanzieren. Aber schließlich haben mein Team und ich es geschafft, dass es funktioniert. Jetzt von meiner brutalen Popmusik zu leben, fühlt sich manchmal surreal an. Ich kann es kaum erwarten, dass sich jeder das Album anhört.

Wie ich schon sagte: 120 Konzerte in 18 Ländern auf 4 Kontinenten - was war dein absolutes Highlight, was wird dir für immer in Erinnerung bleiben, weil es so beeindruckend war?
So viele! Ich werde mich immer daran erinnern, in Laos und Japan gespielt zu haben, als Highlight! Vor allem Laos überraschte mich mit einer sehr blühenden Extrem-Metal-Szene. Ich fand es auch toll, als Vorgruppe von SHAKA PONK auf deren Arena-Tour zu spielen. Jeden Abend vor 15.000 Leuten zu spielen, war der Wahnsinn! Ich mag definitiv große Menschenmengen! Ich kann meine Deutschland-Gigs im Mai kaum erwarten! Das letzte Mal, dass ich in Hamburg und Berlin gespielt habe, ist zwei Jahre her und seitdem hat sich viel an meinem Set geändert, hehe.

Jetzt wird dein Debütalbum "Krystal Metal" veröffentlicht. Was ist der Unterschied zwischen den Genres Krystal Metal und Brutal Pop, was sind die musikalischen Merkmale von Krystal Metal?
"Krystal Metal" ist nur der Name des Albums. Es ist ein kleines Wortspiel mit Crystal Meth. Es geht um die Kämpfe von Teenagern und darum, sich selbst als junger Erwachsener zu finden. Dieses Wort ("Krystal Metal") ist mir einfach in den Sinn gekommen. Das Album ist definitiv mein typischer Brutal-Pop-Stil: poppige Songstrukturen und Melodien, Metal-Spielereien und Rock-Sound. Für mich ist diese LP die beste Version dessen, wie mein Brutal Pop eigentlich klingt. Ich habe das Album selbst produziert (Scheps hat mich dazu ermutigt) und ich bin sehr froh, dass ich mich voll und ganz ausdrücken konnte.

Ich war sehr beeindruckt von der Single 'Warrior Riot Grrrl', ein großartiger Song! Er ist eine Hommage an die Grrrl-Bewegung der 1990er Jahre. Würdest du das gerne näher erläutern?
Ich meine, ich weiß, dass wir dazu neigen, sie in eine Schublade zu stecken, obwohl viele von ihnen das Label Riot Grrrl nicht erfreut hat. Aber mich haben Frauen wie die vorhin genannten sehr inspiriert. Später kamen KITTIE und Angela Gossow. Ohne sie als Vorbilder hätte ich nicht den Mut gefunden, eine Gitarre in die Hand zu nehmen und in ein Mikrofon zu schreien.

Auch 'My Funeral' hat mich sehr bewegt. Hast du schon eine Vorstellung davon, wie deine Beerdigung aussehen soll oder wovon der Text handelt?
Ich bin so froh, dass du das Lied magst! Es ist ein bisschen wie ein Drama-Queen-Song, haha! Ich habe über die Leute nachgedacht, die mir Unrecht getan haben, und darüber, dass ich sie nicht zu meiner Beerdigung einladen würde, nur um es ihnen heimzuzahlen. Wir alle wissen, dass Arschlöcher alles überleben, also ist es nur logisch, dass sie länger leben würden als ich. Das ist sehr kindisch. Aber ich kenne definitiv den Song, der auf meiner Beerdigung gespielt werden soll: 'Jerk Of All Trades' von LUNACHICKS! Ich glaube, das würde mein Leben schön zusammenfassen, mit einem kleinen Hauch von Sarkasmus.

Düster wie Metal, bunt wie Pop - siehst du eine Verbindung zwischen den beiden Genres, eine Brücke zwischen ihnen?
Ich trenne sie nicht, denke ich. Solange es eine Popsong-Struktur mit einem großartigen Refrain und einer guten Geschwindigkeit gibt, kann es ein Doppelpedal enthalten, es kann fette rhythmische Breaks und Growls haben. Für mich ist das immer noch Pop.

Mitte Mai wird Deutschland endlich in den Genuss deiner Live-Musik kommen. Wie kann ich mir ein SUN-Konzert vorstellen, was kann ich erwarten, wenn ich z.B. am 14. Mai in Hamburg bin?
Es ist eine sehr energiegeladene Show. Live ist es ein Power-Trio (ich habe einen Schlagzeuger und einen Keyboarder/Bassisten) und wir gehen auf die Bühne, um alles zu zerreißen - in einem Prinzessinnenkleid natürlich und mit einer Menge Haare, die im Wind wehen, haha. Ich möchte, dass die Leute den größten Spaß haben, den sie je hatten, headbangen, tanzen, moshen und auch einige dunklere, kathartische Momente haben, um nachzudenken und Atem zu holen.

Nachdem wir nun ein wenig in die Zukunft geblickt haben, habe ich eine Frage zur Vergangenheit. Wenn du dich entscheiden müsste, welcher Künstler den größten Einfluss auf dich hatte, wen würdest du nennen?
Es gibt so viele Künstler, die mich inspiriert haben, aber die Band, bei der alles einen Sinn ergab, war eben STRAPPING YOUNG LAD. Und in noch größerem Maße DEVIN TOWNSEND. Ich habe mit HOLE angefangen, Musik zu machen, aber mir wurde klar, welchen Weg ich einschlagen wollte, als ich SYL durch ihre DVD "Live In Australia" entdeckte. Das hat mich buchstäblich umgehauen!

Eine letzte Frage, die mehr mit der großen Leinwand zu tun hat. Wirst du nach der Hauptrolle in "Tom Medina" in Zukunft in anderen Filmen zu sehen sein oder wird dein Herz immer der brutalen Popmusik und der großen Bühne gehören?
Ich liebe die Schauspielerei, aber ich versuche, mit Bedacht zu wählen. Ich bin definitiv eine Musikerin und mein Herz gehört der Musik, aber manchmal macht ein Film Sinn. Vor kurzem habe ich mit Bertrand Mandico drei Arthouse-Filme zum Thema Conan der Barbar gedreht. Es hat sehr viel Spaß gemacht, eine Fantasiefigur in einer surrealen, gewalttätigen Welt zu spielen. Und ich liebe Bertrands Arbeit, also machte es Sinn, aber im Moment stehe ich nicht für Nebenprojekte zur Verfügung. Aber man kann ja nie wissen.

Liebe SUN, was möchtest du abschließend unseren Lesern und deinen Fans noch sagen?
Vielen Dank für dieses tolle Interview! Ich kann es kaum erwarten, wieder nach Deutschland zu kommen.

 

Fotocredits: Alex Pixelle

Redakteur:
Marcel Rapp

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