SOULFLY: Interview mit Marc Rizzo

09.05.2007 | 13:48

Interviewtermine am frühen Morgen sind doch immer wieder die pure Wonne.

Zwei Uhr mittags, also quasi mitten in der Nacht, steht man im Innenhof der noch friedlichen Konzerthalle und wartet gespannt auf das, was da gleich aus dem Tourbus klettern wird. Nicht, dass man in dem Moment selber ein Paradebeispiel an Morgenfrische wäre, das Festival des Vortages in niederländischen Gefilden hinterließ auch seine Spuren, was durch ein launisches "Lucky me not being the only one who's drained." auch noch bestätigt wird.

Marc Rizzo, seines Zeichens Gitarrist in Max Cavalera's Schunkeltruppe SOULFLY, kriegt dann endlich doch noch die Augen auf, weil ihm ein blinder Abstieg aus dem Tourbus wohl doch zu gefährlich scheint. Nachdem man sich schlaftrunken irgendwie begrüßt hat, folgt man der Dame in einen gottseidank abgedunkelten Raum in dem es sich bei Coke und Kippe angenehm unterhalten lässt, was dem dunkelhaarigen, und meinen Maßstäben nach verdammt kleinen Rizzo eher behagt als die brüllende Sonne im Innenhof.

Der allgemeinen Verfassung nach gestaltet sich die darauffolgende Plauderei auch eher locker, die nunmehr zweite Tour zum Album läuft ziemlich gut, die Publikumsreaktionen wie immer nicht weniger als euphorisch, und sowieso alles cool. Vor allem das Album, das jetzt mindestens die halbe Welt in Händen halten sollte.

Richtig interessant wird es, wenn man Marc's Dasein als SOULFLY-Gitarrist aufrollt. Warum der Wechsel von ILL NINO zu Max und Co.? Ganz einfach: "ILL NINO suck. They lipsink." Und für ihn war das einfach nicht genug, live vom Band zu spielen. Im Gegensatz dazu SOULFLY, die ihre Instrumente live spielen würden und so eine wirkliche Herausforderung darstellen würden.

Die Frage nach dem "warum" kann der Mann natürlich nicht beantworten, man müsse dafür den Sänger und den Drummer fragen, was die Gründe und Vorteile dessen gewesen sein sollen. Für ihn persönlich gab es keine Vorteile, es würde einfach nur beschissen klingen. Was bei SOULFLY eben nicht der Fall ist. Sowieso wären die Anforderungen an ihn als Musiker von einer vollkommen anderen Art. SOULFLY seien nicht nur thrashiger im Sound, sondern auch von der Arbeitseinstellung Max Cavaleras her ein absolutes Novum für ihn. Es war nicht unbedingt so, dass er der Band beitreten müsse um neues Blut beizusteuern, und das war für ihn das Ausschlag gebende.

Und das erste Treffen? Ein Mensch, der mal eben kurz seine komplette Band feuert und sie neu zusammenstellt, zählt nicht unbedingt zu den Personen, die man sofort zu den angenehmsten Erscheinungen der Menschenwelt zählen würde? Ein verkniffenes Grinsen zieht sich über Marcs Gesicht, die Frage gehört wohl in die Top 10 der meistgehassten. Hand auf's Herz: Max würde zu den coolsten Gestalten gehören, mit denen man Zeit verbringen kann. Was von Freunden und Musikern, die er getroffen habe, immer wieder unterstrichen wird. Jeder, der einmal Probleme mit ihm gehabt hätte, gehöre der Vergangenheit an: Das ist nicht mehr Max. Alles sei cool, locker, wahnsinnig angenehm. Und dies wäre die absolute Wahrheit.

Die Tatsache, dass Max als SOULFLY angesehen wird, und SOULFLY als Max, macht ihm weniger Sorge als sein ehemaliger Status in ILL NINO; er habe jetzt mehr zu sagen als in der Band, die er selbst mitgegründet hatte. Natürlich würde jede Entscheidung und jede Änderung durch die Hände von Max und Gloria gehen, aber seine Möglichkeiten etwas in der Band zu bewegen, seien so groß, dass es ihm schon selbst etwas unheimlich war.

Kommt mir jetzt nicht unbedingt wenig seltsam vor, schließlich hört man ja genug über die egozentrischen Eigenarten des SOULFLY-Masterminds. Bei diesem Satz nickt er traurig mit dem Kopf, er höre so was immer wieder. Aber schließlich brauche er so was nicht vorzutäuschen, um in der Band keinen Ärger zu bekommen. In der Musikszene würde jede Menge Scheiße geredet um etwas über andere herauszubekommen. Aber er selbst sei nun mal der Meinung: "You don't know somebody, until you know him."

Sowieso: Das mit Max wäre total überinterpretiert. Ja, auch für ihn selbst ist SOULFLY Max Cavalera, aber sie würden sehr fair behandelt und auch fair bezahlt. Selbst die Fans haben ihn und die anderen sehr herzlich in der Band willkommen geheißen, es wäre für ihn wie Musik in den Ohren, wenn die Leute sagen, dass er der Gitarrist in ihrer Lieblingsband sei.

Er gäbe sich mit der Rolle des Bandsoldaten mehr als zufrieden, Bands wie ILL NINO, in der jeder was in die Band-Angelegenheiten reinreden will, seien viel gefährdeter irgendwann derbe auf die Schnauze zu fallen, als es bei Ein-Mann-Führungssystemen wie SOULFLY der Fall sei, warum also nicht?

Für ihn als Vollblut-Gitarristen wäre SOULFLY sowieso ein Traum, er könne endlich das machen was er schon lange tun wollte, bei ILL NINO aber nie die Chance dazu bekam: Hooklines ausdenken, Soli spielen, tiefer in die musikalische Materie eintauchen.

Deswegen auch sein Soloalbum?

Die Idee dazu sei ihm schon während seiner Zeit bei ILL NINO gekommen, und er hätte damals auch schon daran gearbeitet, schließlich seien seine Ideen in seiner alten Band mehr als unwillkommen gewesen, aber letztendlich hätte der Wechsel zu SOULFLY Energien freigesetzt, die man sich jetzt auch auf Platte anhören kann. Die Gitarre, das wäre seine Liebe, und sein Stil wurde vor allem durch seine Lehrstunden an der Flamenco-Gitarre geprägt. Die Saiten würden ihm halt durch Mark und Bein gehen.

Ein Blick auf die Uhr verrät, dass die mir gegönnte halbe Stunde gleich um ist, und er gibt mir noch seine persönliche Sicht des SOULFLY-Vibes mit: Die Band würde Menschen verbinden. Sie sei keine "Rumhüpf"-Variante von SEPULTURA mehr, sondern eine Band, die ihren eigenständigen Stil und somit auch eine eigene Fanbase habe. Nicht zu sehr Hardcore, nicht zu sehr Metal, sondern von allem etwas. Und das ist es, was SOULFLY für ihn ausmacht: die Ungebundenheit.

Redakteur:
Michael Kulueke

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