SABATON: Von verschenktem Gold zur Legendenbildung

15.10.2025 | 18:28

Im Zuge der Kölner Gamescom im August wurde auch SABATON eingeladen, dort die Gamer in die Welt der Legenden musikalisch zu begleiten. Ohnehin herrschen aufregende Zeiten bei den Schweden, kam nicht nur Thobbe Englund zurück an die Klampfe oder wurde mit Better Noise Music eine neue Label-Heimat gefunden. Auch wurde mit "Legends" ein taufrisches, sehr verheißungsvolle Album eingetütet, das sicherlich ein brandneues Kapitel im großen Buche SABATONs aufschlagen wird. SABATON hat viel zu erzählen und wir haben die große Freude, mit Frontmann Joakim und Schlagzeuger Hannes im Kölner Radisson Blu Hotel über die neuesten Entwicklungen, Legendenbildungen, vergangene Großtaten und verschenktes Edelmetall zu sprechen.

Ihr beiden, zunächst einmal wurdet ihr von der Gamescom eingeladen. Das hat mich sehr überrascht...

Joakim: Ja, wir haben hier das erste Mal gespielt. Ich weiß nicht mehr, in welchem ​​Jahr es war, aber wir haben damals schon mit Wargaming zusammengearbeitet. Und sie wollten im Grunde eine Show an ihrem Stand, und wir dachten: "Moment mal, das klingt lustig." Und schließlich waren alle von uns Gamer - außer Thobbe. Er ist der Einzige, der keine Videospiel-Vergangenheit hat. Es ist ein etwas anderes Publikum. Nicht jeder ist ein Metalhead. Nicht jeder war schon mal auf Metal-Konzerten wie du. Du weißt, wie man sich zu verhalten hat und was einen erwartet. Es macht uns Spaß, auf der Bühne zu stehen. Und vielleicht gewinnt man ja auch neue Fans. Aber wir können auch Spaß daran haben, Leute zu sehen, die noch nie auf einem Metal-Konzert waren und sich fragen: "Was ist hier los? Was zur Hölle? Warum schütteln die Leute den Kopf? Warum laufen die Leute hier im Kreis? Warum trinkt er Bier auf der Bühne?"

Und ihr schlagt auch ein brandneues Kapitel auf. Ihr seid jetzt bei Better Noise Music. Welche Möglichkeiten eröffnen sich euch dadurch nach zwölf Jahren bei Nuclear Blast?

Joakim: Nun, wir hoffen tatsächlich auf viele. Es ist schwer zu sagen, was sich am Anfang ergeben wird, aber sie waren diejenigen, die sich am meisten, wirklich am meisten auf die Zusammenarbeit mit SABATON gefreut haben. Und sie verstehen es, sowohl nach alten als auch nach neuen Methoden zu arbeiten, denn die Plattenindustrie hat in den letzten Jahren einen massiven Wandel durchgemacht. Viele Labels sind in alten Mustern verhaftet und haben die neuen Vorgehensweisen noch nicht wirklich aufgegriffen. Aber das eine muss das andere nicht ausschließen. Und es fühlt sich an, als ob Better Noise die Kompetenz und das Know-how für beide Arbeitsweisen hätte. Gegen Nuclear Blast haben wir überhaupt nichts einzuwenden. Es fühlte sich an, als hätten wir einen gewissen Punkt erreicht oder wären schon lange genug dabei gewesen. Und es gibt so viele Leute, mit denen wir gerne zusammenarbeiten. Leider sind die meisten von ihnen nicht mehr da.

So wie auch Tommy nicht mehr Teil von SABATON ist. Und ich muss ehrlich sein, ich war sehr positiv überrascht von Tommys freundlichem Abschied, weil er sehr herzlich und verständlich war, da er sein eigenes Ding machen will. Und er blieb bei SABATON, bis Thobbe gefunden wurde. War Thobbe also der logische Nachfolger von Tommy?

Joakim: Ja, aber ich glaube, das wussten wir damals nicht. Es war generell manchmal etwas verwirrend. Tommy musste ja schließlich sein eigenes Ding durchziehen. Und, weißt du, es war cool, mit ihm über all die Jahre zusammenzuarbeiten, was für ein großartiger Musiker und man wird in so acht Jahren sehr enge Freunde. Aber ja, dann hat er aufgehört. Und was nun? Wir haben uns umgesehen. Wir kannten niemanden, weil wir ja suchen mussten, verstehst du? Es war in dieser Hinsicht eine seltsame Zeit. Denn als Tommy ging, war es eher ein innerer Konflikt. Er mochte uns, er wollte uns nicht enttäuschen, er liebte SABATON. Aber SABATON ließ ihn so lange warten, dass er nicht das tun konnte, was er eigentlich wollte. Deshalb war er sehr ehrlich zu uns, was wir zu schätzen wussten. Aber wir fragten uns: "Was jetzt? An wen wenden wir uns?" Und rein zufällig – ich wusste es damals noch nicht – schrieben Thobbe und ich gerade gemeinsam den Song 'Lightning At The Gates', weil wir über die Jahre hinweg Freunde geblieben sind und Songs geschrieben haben, auch als er nicht in der Band war. Thobbe und ich versuchten, den Song fertigzustellen, und ich sagte ihm, dass Tommy gehen würde. Er meinte, er könne noch eine Weile bleiben und uns Zeit geben, einen Ersatz zu finden. Das war wirklich nett von Tommy. Und ich fragte Thobbe, ob er vielleicht für ein paar Shows dann einspringen könnte, wenn wir keinen Ersatz finden sollten, vielleicht bis zum nächsten Sommer. Es war für alle eine naheliegende Wahl, es war für alle eine Erleichterung.

Dann war die Zeit nicht auf unserer Seite: Wir mussten die Aufnahme also verschieben oder in zwei Teile aufteilen, weil wir natürlich nicht mit Tommy aufnehmen wollten, aber wir wollten auch nicht, dass einer beim Album spielt und dann ein anderer zur Band kommt. Wir wollten die neue Band auf dem Album haben, also haben wir die Aufnahme bereits in zwei Teile aufgeteilt und den ersten Teil aufgenommen, denn das Schlagzeug kann man natürlich spielen, egal wer Gitarre spielt. Ende Januar habe ich mich nochmals mit Thobbe getroffen und er brauchte noch etwas Bedenkzeit. Dann habe ich mich ins Auto gesetzt und es vergingen keine 15 Minuten als er dann anrief und meinte, er sei dabei. Wir konnten also mit der Aufnahme beginnen und wussten: Okay, wir haben jetzt wieder eine Band, das ist ein tolles Gefühl.

Und man muss auch niemanden neu kennenlernen, man kann direkt in die Musik einsteigen, und es ist wie ein Gefühl von Heimkehr. Und mit ihm habt ihr ein richtig cooles Album aufgenommen, das "Legends" heißt. Was macht für euch eine Legende aus? Was muss man im Leben erreicht haben, um ein tapferer Krieger oder König, ein Stratege oder Revolutionär zu sein?

Hannes: Der Trick mit einer Legende ist, dass man irgendwie in Erinnerung bleiben und trotzdem noch relevant sein muss oder es zumindest irgendwann einmal oder irgendwo anders gewesen sein muss. Ich meine, wir bei SABATON lieben es, Geschichten auszugraben, von denen noch nie jemand gehört hat. Aber wenn noch nie jemand von dir gehört hat, bist du keine Legende, oder?

Genau. Gibt es da eigentlich so etwas wie eine Zeitspanne, in welcher Zeit man zur Legende wird?

Joakim: Napoleon, ja, er ist eine Legende. Er qualifiziert sich. Und dann haben wir weiter in die Vergangenheit geblickt, es wurde uns klar, dass wir dabei bleiben sollten, denn natürlich gibt es auch Legenden nach Napoleons Zeit. Aber wo endet das? Der Barkeeper gestern Abend war eine Legende, haha. Aber das bedeutet, dass du dich selbst irgendwie einschränken musst. Sonst wird es unfassbar schwer zu fassen. Wir haben es auch mit einer gewissen Menge an Mythen und professionellen archäologischen und historischen Vermutungen zu tun. Aber wenn wir 10.000 Jahre in die Vergangenheit reisen würden, könnten wir fast nur raten. Das ist das Problem, wenn man zu weit in die Vergangenheit zurückgeht. Wir haben uns daher als älteste Zeit für das alte Ägypten entschieden, weil es damals offensichtlich schon Schriften gab. Es ist also etwas aus dieser Zeit erhalten geblieben.

Hannes: Manche Menschen sind Legenden ihrer Zeit. Ich denke, um eine Legende zu sein, kann man – all die Generationen, die zu ihrer Zeit gelebt haben – nicht erst seit Kurzem aktiv sein. Das kann nicht sein. Es muss genug Zeit vergangen sein, und das muss man überleben. Nehmen wir als Beispiel die klassische Musik: Ja, es gab viele großartige Komponisten zu Mozarts, Beethovens oder Bachs Zeiten. Aber an diese Leute erinnern wir uns. Vielleicht gab es Leute, die genauso groß oder beliebt waren wie sie. Vielleicht war jemand damals erfolgreicher. Aber wer erinnert sich 200 oder 100 Jahre später noch an sie?

Da hast du recht. Neben offensichtlich Legenden wie Jeanne d'Arc, Napoleon, Caesar oder den Schwertmeistern des Fernen Ostens hat es auch der König von Schweden auf das Album geschafft. Es ist nicht das erste Mal, dass ihr Gustav II. Adolf einen Song gewidmet habt. Eine besondere Bedeutung aufgrund eurer Heimat?

Joakim: Ja, aber es ist auch schwierig, weil wir ihn bereits in 'The Lion From The North' in Kombination mit 'Gott mit uns' auf "Carolus Rex" behandelt haben. Hannes und ich haben den Song gemeinsam geschrieben, er hat schwedische Folkmelodien, weißt du, die ganze Stimmung, es ist skandinavisch. Er hat die Artillerie und ähnliches revolutioniert. Wenn man sich beispielsweise mit der Geschichte der Kriegsführung beschäftigt, stößt man an einer amerikanischen Offiziersakademie höchstwahrscheinlich auf seine Entwicklung im Artillerieeinsatz. In diesem Sinne also offensichtlich legendär. Wir haben darüber gesprochen und gesagt: "Ja, wir haben schon einmal über ihn berichtet, aber was soll's?" Wir haben es mit Legenden zu tun. Über alles, was wir ansprechen, wurden Filme oder Lieder gedreht, sonst wären es keine Legenden.

Natürlich, aber ich war sehr überrascht, als ich den Text von 'The Impaler' las, denn er handelt von Vlad, dem Pfähler, der vor allem für seine Brutalität bekannt ist. Wie passt er also zu den anderen Legenden auf "Legends"?

Joakim: Nun, ich denke, die meisten waren ziemlich brutal, aber das haben wir irgendwie vergessen. Es wäre viel ehrenhafter, wenn die Leute mit Schwertern gezückt gegeneinander gekämpft hätten, aber so war es nicht. Schauen wir uns zum Beispiel Dschingis Khan an. Wir hatten damals diese falsche Vorstellung von Kriegsführung. Es war die Hölle und das Leid der einheimischen Bevölkerung. Zivilisten starben reihenweise, wenn sie das Pech hatten, Opfer von Plünderungen, Vergewaltigungen und so weiter zu werden. Es waren dunkle Zeiten. Natürlich ging Vlad, der Pfähler überaus brutal vor und dafür war er bekannt. Aber die Wahrheit ist, dass Julius Cäsar nicht viel anders vorging. Kämpfte er gegen eine Armee oder beging er Völkermord?

Das ist eine gute Frage. Kommen wir auch zu etwas anderem Gewaltigen: dem Artwork. Jede einzelne Persönlichkeit ist Teil des Covers.

Hannes: Ich denke, Peter hat sich selbst übertroffen. Peter Salai. Der Ungar ist schon eine ganze Weile bei uns, aber hier hat er sich selbst übertroffen.

Joakim: Es ist cool. Und wenn man dann tiefer in die Details eintaucht, fühlt es sich an wie eine unendliche Zoommöglichkeit.

Im Zuge des 'Hordes Of Khan'-Videos sagst du, Joakim, dass in knapp 15 Jahren alle Kriege vorbei sein werden und die Welt dann in Frieden leben wird. Ist das ein realistisches Szenario?

Joakim: Nein, wir hatten einfach keine gute Handlung für das Video. Leider wiederholt sich die Geschichte nicht. Es war aber wirklich cool, im Naturhistorischen Museum zu sein und dort filmen zu können. Wir mussten das Video nachts drehen, weil das Museum tagsüber geöffnet war.

Wie in "Nachts im Museum" mit Ben Stiller. Wisst ihr, "Primo Victoria" kam vor 20 Jahren raus und ich habe SABATON im Vorprogramm von EDGUY und DRAGONFORCE sowie als Opener des "Rock Hard"-Festivals gesehen. Hättet ihr zum damaligen Zeitpunkt auch nur erahnen können, welchen Höhenflug ihr haben würdet?

Joakim: Nein. Ich erinnere mich an unseren damaligen Webmaster, Christer. Das müsste 2006 oder 2007 gewesen sein. Wir hatten nicht viel Geld, und er erklärte sich bereit, für eine kleine Gebühr unsere Online-Präsenz und alles andere zu übernehmen. Aber im Gegenzug sollte er goldene Alben bekommen, wenn welche erreicht werden sollten. Wir haben gelacht und gedacht: "Scheißkerl, Trottel, wir kriegen nie eine goldene Schallplatte." Und dann, nur ein Jahr später, bekam 'Cliffs Of Gallipoli' Gold. Es war so: "Ach, Scheiße. Jetzt müssen wir anfangen, ihm Live-Gold-Alben zu bezahlen."

Seid ihr der beste Beweis dafür, dass sich harte Arbeit immer auszahlt?

Hannes: Nicht der beste, denn sie zahlt sich nicht immer aus. Man muss auch Glück haben.

Joakim: Das ist wichtig zu wissen. Es gibt so viele gute Bands, die gut genug sind und die richtigen Entscheidungen getroffen haben, die Pech hatten und trotzdem hart arbeiten. Es gibt jedoch nur sehr wenige Bands, die es geschafft haben, ohne hart gearbeitet zu haben. Es gibt ein paar, aber die meisten Bands haben harte Arbeit geleistet, auch wenn es manchen so vorkommen mag, als wären sie über Nacht entstanden. In Amerika zum Beispiel sagen viele Leute: "Oh, SABATON, diese tolle neue Band." Neu? Wirklich? 20 Jahre, mein Freund.

Ihr habt dem europäischen Power Metal eine sehr wichtige Note verpasst.

Joakim: Ja, BLIND GUARDIAN, HAMMERFALL und viele andere, sie waren diejenigen, die das wieder in Gang brachten. Auch Bands wie RHAPSODY waren unheimlich wichtig für die Entwicklung, weil Metal, vor allem melodischer Metal, als tot galt. Extreme Metal lief immer noch ganz gut, würde ich sagen.

Hannes: Mit Thrash Metal und Death Metal war es in den 90ern immer dasselbe, aber unser Melodic-Metal-Stil war völlig am Ende. Aber die genannten Bands, sowie auch STRATOVARIUS beispielsweise, haben damals gute Alben rausgebracht und uns indirekt den Weg geebnet. Die Leute wurden nicht wegen ihrer Sachen SABATON-Fans, aber sie haben angefangen, es wieder populär zu machen.

Joakim: Richtig, die Leute wurden aufmerksam und gingen wieder zu diesen Shows. Zudem erinnere ich mich, dass POWERMETAL.de eines der ersten Magazine war, die ein Interview mit SABATON wollten, alle anderen meinten, Saba, was? Nein, nein, nein, wir wollen keine Interviews, aber ihr wart unter den Ersten, die unsere Demos und Alben rezensiert haben - danke dafür!

Den Dank gebe ich sehr gerne ans Team weiter. Eine letzte Frage: Ich habe euch das letzte Mal vor, ich glaube, sechs oder sieben Jahren auf der "The Great War"-Tour gesehen. Wie habt ihr euch in diesen sechs Jahren live weiterentwickelt?

Joakim: Ich weiß nicht, vielleicht haben wir gelernt, etwas entspannter zu sein und die Dinge nicht so ernst zu nehmen.

Hannes: Und ich denke auch, dass wir nach der Pandemie dankbarer sind und es nicht als selbstverständlich ansehen, ehrlich gesagt.

Joakim: Richtig. Vor der Pandemie haben wir so viele Jahre zusammengespielt, wurden quasi zusammengeschweißt und zu diesem Zeitpunkt war eine kleine Pause vielleicht auch richtig - nur sie hat definitiv zu lange gedauert. Ich hatte totalen Bewegungsdrang. Einer der Gründe, warum Thobbe seine Bandkarriere überhaupt beendet hat, war, dass wir in 12 Monaten 167 oder 170 Konzerte hatten, Pressearbeiten, Aufnahmen und alles andere dazwischen. Wir waren in dem Jahr weniger als 100 Tage zu Hause - das war schon hart. Aber dann kam die Pandemie. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir schon langsamer gemacht. Aber dass einem das komplett genommen wurde, wie Hannes sagte, hat deutlich gemacht, dass es ein so großer Teil des Lebens ist. Ich werde nie daran zweifeln, dass ich das immer noch machen will. Wenn es hart wird, müssen wir dann einfach langsamer machen. Und man findet die Leidenschaft wieder. Ja, ich weiß jetzt zu 100%, dass ich nichts anderes machen will. In Schweden gab es keinen richtigen Lockdown. Es war irgendwie komisch. Wir konnten zwar nicht live spielen, aber wir konnten uns trotzdem treffen, in Geschäfte gehen und so. Wir hatten es also während des Lockdowns in Skandinavien ziemlich gut. Aber als wir dann tatsächlich anfingen, Musik aufzunehmen, wussten wir natürlich nicht, wann wir damit auf Tour gehen würden. Aber das ist jetzt egal. Die zusätzlichen anderthalb Jahre hätte ich nicht gebraucht, das war unnötig. Leider hinken wir der Pandemie-Ära hinterher.

Und trotzdem hat es "Legends" an die Oberfläche geschafft.

Hannes: Ich denke, es liegt an den Fans, zu entscheiden, was sie davon halten. Hoffentlich gefällt es ihnen.

Joakim: Wir haben jede Unze Kreativität und harte Arbeit hineingesteckt. Aber damit endet unsere Arbeit. Nun liegt es an euch da draußen, haha.

 

Fotocredits: Henriette Tressin

Redakteur:
Marcel Rapp

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