CONJURER - Unself
Mehr über Conjurer
- Genre:
- Sludge/Post Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Nuclear Blast
- Release:
- 24.10.2025
- Unself
- All Apart
- There Is No Warmth
- The Searing Glow
- A Plea
- Let Us Live
- Hang Them In Your Head
- Foreclosure
- This World Is Not My Home
Hört euch "Unself" nicht nur im "Nebenbeihör", sondern ausgiebig fünf- oder zehnmal an, es lohnt sich!
Der Titeltrack ist schon mal ein ungewöhnlicher Einstieg in "Unself", klingt es doch zunächst eher nach gediegenem Outro mit Akustikgitarre und ruhigem, weichem Cleangesang - ein Singalong, der zum Beispiel auch auf den Soundtrack eines Films wie "O Brother, Where Art Thou" passen würde. Aber natürlich bleibt es nicht bei diesen harmonischen "Zwischentönen". 'All Apart' im Anschluss bietet neben abgehacktem Riffing vor allem wüstes Geschrei und ist damit alles andere als leicht konsumierbar, wenngleich hier auch die schöne Akzentuierung mit hintergründigem Cleangesang auffällt, der die rohen Ausbrüche leicht kontrastiert.
Ein durchaus spannender Einstieg in eine Platte, die nicht nur eine Facette kennt, auch wenn oberflächlich betrachtet vielleicht zunächst das wüste und disharmonische Gebretter ins Ohr sticht. Ein Kollege aus dem Soundcheck-Team meinte, CONJURER nervt, und diese Assoziation ist nachvollziehbar, wenn man mit Screamo und Sludge/Post Metal wenig anfangen kann und vielleicht auch Bands wie GOJIRA, ISIS oder CULT OF LUNA nicht zum primären Beuteschema gehören. Trotzdem würde ich CONJURER weder komplett in eine dieser Schubladen stecken, noch per se die Musik als "anstrengend" abqualifizieren. Es fällt nämlich vor allem auf, dass mit zunehmendem Anhören die Feinheiten und auch eine ausgeprägte Finesse im Songwriting erst so richtig zu Tage treten. Das macht "Unself" zu einer Platte, die man sicher nicht in allen Stimmungen und Lebenslagen hören kann, die aber, wenn man sich darauf einlassen kann, eine Menge zu bieten hat und die vor allem nicht nach drei Durchläufen "totgehört" ist.
CONJURER ist zudem ein Band, die sich bereits einen gewissen Namen gemacht hat, so stemmt man inzwischen Headliner-Touren und wird mit allerlei Lorbeeren behangen. Das hat stilistisch bedingt sicherlich natürliche Grenzen, innerhalb dieser Grenzen sollte man jedoch schon anerkennen, dass wir hier einer Band beim Entwickeln zuhören können, die einfach eine Menge zu sagen hat und die musikalisch etwas präsentiert, was einen eigenen Charakter und ein spannendes musikalisches Œvre verbindet. Es wirkt alles so schlüssig und stimmig, dass es extrem wohltuend ist, festzustellen und CONJURER somit attestieren zu können, dass hier ausgelatschte Pfade verlassen werden und es immer noch möglich ist, etwas Originelles zu erschaffen, das man in dieser Art und Weise nicht schon dutzendfach in seinen Gehörgängen hatte.
Schauen wir uns "Unself" im Detail an, so möchte ich hervorheben, dass insbesondere die kraftvollen Passagen nicht einfach nur wildes Geknüppel bieten, sondern im Spannungsfeld des Einsatzes von Breakdowns, Midtempo-Riffing, brachialem Dröhnen und hyperschnellen Abfahrten, den Nacken in unterschiedlicher Rhythmik und Schärfe malträtieren. Hierin liegt die Kunst meiner Meinung nach - nicht nur zwischen ruhigen und energetischen Passagen zu differenzieren, sondern auch innerhalb dieser Pole genug Abwechslung und Variation anzubieten.
Den Geschmacksnerv der Hörer muss es natürlich trotzdem treffen und Ohrwurm-Refrains wird man auf "Unself" eher nicht goutieren können, aber aus musikanalytischer Sicht ist das hier eines der spannendsten Alben, das ich in den letzten Jahren hören durfte. Es ist allerdings kein Album, das ich permanent zum "Wohlfühlen" oder "Runterkommen" hören möchte. Im richtigen Moment beschert es aber das Gefühl, Musik zu Gehör zu bekommen, die wirklich "progressiv" ist, und zwar im eigentlichen Wortsinne.
Ich glaube, das ist eine Einschätzung, die die Band sehr gerne hört und die mehr bedeutet, als etwas lediglich mit Kategorisierungen wie "schön" oder "eingängig" zu beschreiben. Selbst wenn ich "Unself" zukünftig nur gelegentlich auflegen sollte, bleibt das Gefühl, hier etwas von wirklicher Relevanz im Sinne von musikalischer Aussagekraft gehört zu haben.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Stephan Voigtländer