RAM:Interview mit Oscar Carlsquist

11.08.2009 | 17:53

Bringt Sänger Oscar Carlquist Licht hinter die Geheimnisse von "Lightbringer"?

Die schwedischen Traditionalisten RAM haben mit ihrem bärenstarken Album "Lightbringer" nicht nur einen grandiosen zweiten Platz in unserem vorletzten Soundcheck belegen können, nein, sie liefern hier auch eine Scheibe ab, der ich auch nach mehreren Wochen Dauerrotation bescheinigen kann, immer noch neue Details preiszugeben. Es stand also außer Frage, dass Frontmann  Oscar Carlquist zu einer Plauderstunde gerufen werden musste. Lest, was der Onkel zu berichten hat:



Holger:

Oscar, seit der Split-EP 2006 war es ziemlich still um RAM. Was habt ihr in der Zwischenzeit angestellt?

Oscar:

In dem Jahr haben wir viele Shows gespielt und begonnen, neue Songs zu schreiben. Und da wir immer das Bestmögliche aus den Songs herausholen wollen, nehmen wir uns immer reichlich Zeit, um zu sehen, wie sich die Songs entwickeln. Wenn man diese Arbeitsweise von einem markttechnischen Gesichtspunkt aus betrachtet, ist das vielleicht nicht besonders effektiv, aber wir wollen wirklich erstklassiges Material abliefern.

Holger:

Wie seid ihr denn an den neuen Deal mit AFM gekommen?

Oscar:
Das Label hatte bereist 2004 Interesse an der Band und wir hatten entschieden, dass wir "Lightbringer" nicht im Alleingang veröffentlichen wollten. Wir wollen Musiker sein und keine Labelmanager. Und das waren wir bei unserem eigenen Label irgendwie schon geworden. Und ich kann nur sagen, dass wir die Entscheidung bisher nicht bereut haben, denn AFM machen einen tollen Job.

Holger:

Schön zu hören. Kommen wir nun aber zum eigentlich Mittelpunkt unseres Gespräches, dem neuen Album. Der Titel "Lightbringer" deutet auf ein textliches Konzept hin. Magst du uns darüber etwas erzählen?

Oscar:

Wir wählten diesen Titel, weil wir das Album all denen widmen, die nach der Wahrheit streben. Deine eigene Wahrheit liegt in deinem Inneren verborgen und nur in  deinem dunkelsten Inneren findest du das Licht der Wahrheit. Alle, die ihr Latein beherrschen, wissen, was ich meine.

Holger:

Ich hatte Französisch, kann dir aber trotzdem folgen. Würdest du mir zustimmen, dass man das Album schon ein paar Mal hören muss, damit es richtig zündet?

Oscar:
Das kann ich natürlich schwer beurteilen, aber ich denke, dass sich das Material nur dann wirklich entfalten kann, wenn man das komplette Album am Stück durchhört, da die einzelnen Songs aufeinander aufgebaut sind und voneinander leben. Ich finde das sehr spannend.

Holger:

Ich denke mal, dass Heavy-Metal-Fans eh meist komplette Album hören. Ich liebe die ganze Atmosphäre, die "Lightbringer" ausstrahlt und der Aspekt, das man mit jeder Umdrehung noch immer etwas neues entdecken kann, erhöht diese Faszination nur noch. Wolltet ihr das bewusst erzeugen? Fürchtet ihr nicht, einige eurer langjährigen Fans zu verlieren, weil die Musik nicht mehr so gradlinig klingt?

Oscar:
Wir wollten eine mystische Aura erzeugen und das spiegelt sich sowohl in den Texten, wie auch im Artwork wieder. Ich glaube nicht, dass wir alte Fans verlieren, denn wir machen noch immer 100%gen Heavy Metal, auch wenn "Forced Entry" gradliniger und somit auch einfacher zu genießen war. Über so etwas machen wir uns beim Komponieren aber keinen Kopf, da wir uns damit nur selbst limitieren würden. Und das widerspricht unseren tiefsten Grundätzen: Wir wollen immer das bestmögliche erzielen.

Holger:
Noble Absicht.  Darf ich fragen, warum der Zwerg ge-crushed werden soll? Warum ist er überhaupt ignorant?

Oscar:
Der Titel 'Crushing The Dwarf Of Ignorance' ist eine Referenz an den Hindugott Shiva, der den Tanz der Zerstörung und Kreation tanzt. Während dieses Tanzes zerstört er, um neu zu erschaffen. Er tanzt auf dem Rücken des schwarzen Zwerges der Ignoranz. Wir haben es als Intro gewählt, um das Bewusstsein des Hörers von der Ignoranz zu reinigen und ihn empfänglich für das Licht zu machen.

Holger:
Coole Idee. Musikalisch erinnert mich dieses Stück leicht an VOIVOD? Sind die Kanadier ein Einfluss für euch?

Oscar:
Ich mag VOIVOD, aber ich würde sie nicht als Einfluss auf unsere Musik betrachten.

Holger:
Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit E von WATAIN?

Oscar:
Ich wollte mit jemandem zusammen arbeiten, der dem Konzept des Songs 'Awakening The Chimaera' mehr Tiefgang und Seele einflößen konnte und Erik war meine allererste Wahl. Seit ich WATAIN live gesehen habe und ihr Album "Sworn To The Dark" bei mir in Dauerrotation lief, weiß ich, dass WATAIN ihre Sache sehr ehrlich meinen. Ich stehe ja auch nicht auf die ganzen neuen Black-Metal-Bands, weil da einfach zu viel Bullshit im Umfeld abläuft, aber Erik kenne ich inzwischen lange genug, um zu sehen, dass das bei ihm anders ist. Wir haben beide die gleiche Einstellung zum Heavy Metal und sehen "true" Metal nicht als Genre an. Es geht vielmehr um die Hingabe, mit der man sich der Kunstform Heavy Metal opfert. Wir würden für den Metal sterben.

Holger:

Mit 'The Few Of Iron' habt ihr einen epischen Klassiker fabriziert, den man sicherlich als eines der Highlights des Albums bezeichnen kann. Was kannst du zu dieser außergewöhnlichen Nummer erzählen?

Oscar:
Als ich 'Paschendale' von IRON MAIDEN hörte, wollte ich auch einen epischen Kriegssong schreiben. Also begann ich mit dem Komponieren und Harry half mir. Ich wollte über etwas schreiben, zu dem ich einen persönlichen Bezug herstellen konnte. Also ging ich in die Bibliothek und las mich in das Thema ein. Im Winter 1939 gab es eine russische Invasion nach Finnland und die große Schlacht um Suomussalmi wurde von den zahlenmäßig massiv überlegenen Russen als einfacher Feldzug angesehen. Das Ergebnis waren 900 gefallene Finnen und 27.000 tote Russen. Der Song spiegelt meine Vorliebe für die Außenseiter wieder und daher liegt mir die Nummer auch sehr am Herzen.

Holger:
Völlig zu Recht, denn dieser Song ist einer der besten Songs des laufenden Jahres. Ich muss aber noch mal zurückkommen auf die früheren Vergleiche mit JUDAS PRIEST. Hat euch das eigentlich gestört oder war das eher ein angenehmes Gefühl, mit einer der wichtigsten Bands des Genres verglichen zu werden?

Oscar:
Beides. JUDAS PRIEST hat einen sehr großen Einfluss auf RAM gehabt, aber die permanenten Vergleiche können auch ermüden, da man einem die eigene Identität abspricht. Und ich denke, die hatten wir auch immer schon.

Holger:
Auf jeden Fall. Nun bin ich mal so böse und behaupte auf "Lightbringer" sowohl SANCTUARY, wie auch MERCYFUL FATE herauszuhören.

Oscar:
Wenn wir uns hinsetzen und Songs schreiben, sagt jetzt keiner, dass der nächste Song nach dieser oder jener Band klingen soll. Wir komponieren frei von der Leber und sehen halt, was passt. Es muss zum RAM Konzept passen und es muss uns gefallen. Das sind die einzigen Regeln dabei. Insofern habe ich keine Antwort auf diese Frage. Häufig habe ich sogar das Gefühl, dass sich die Songs irgendwie allein schreiben, als ob wir von irgendetwas order irgendjemandem kontrolliert werden würden. Wer kann schon sagen, was Inspiration überhaupt ist?

Holger:
Du hast oben schon kurz über das Artwork gesprochen. Es wirkt kalt und böse. Was ist die tiefere Bedeutung dahinter?

Oscar:
Das Gemälde heißt "The Hidden Force" und stammt von mir. Ich habe versucht, eine innere esoterische Kraft zu portraitieren. Da das textliche Konzept davon handelt, dass man den Weg durch seine eigene Dunkelheit beschreiten muss, um die Wahrheit zu finden, musste ich der Kraft, die da im Dunkeln herrscht, ein Gesicht verpassen. Das kam dabei heraus.

Holger:

Darf ich mal fragen, wie wichtig ein Image für euch ist?

Oscar:
Schwierige Frage. RAM soll eine Larger-than-Life Erfahrung sein, daher benutzen wir auch Bühnenklamotten. Auf der anderen Seite würden wir niemals etwas machen, was nicht echt oder ehrlich ist. RAM passt perfekt in das Konzept des klassischen Heavy Metal, aber das ist nicht erzwungen. Wir sind einfach so. Wir fühlen uns sehr wohl mit all den Heavy-Metal-Klischees wie Leder und Nietenarmbänder, weil wir halt damit aufgewachsen sind.

Holger:
Verstehe. Ihr habt kürzlich auf dem Musclerock-Festival gespielt. Wie war das?

Oscar:
Das Festival war toll, wahrscheinlich das interessanteste Festival dieses Jahr. Ich hoffe, es gibt nächstes Jahr eine Wiederholung. Unser Auftritt war klasse und unsere Fans konnten zum ersten Mal ein paar der neuen Songs live hören. Nach dem Gig gab es dann noch eine Releaseparty für "Lightbinger". Das war ebenfalls ein Riesenspaß mit viel Musik und noch mehr Alkohol.

Holger:

Ihr seid eine feste Größe im Underground, habt auf verschiedenen Labels einige EPs und Split Singles veröffentlicht. Wie seht ihr die momentane Entwicklung innerhalb der Metal-Szene? Hat sich für euch etwas geändert, da es einen kleinen Thrash-Boom gibt und Okkult Rock gerade gehyped wird?

Oscar:
Ich denke nicht in solchen Dimensionen. Ich bin seit 25 Jahren ein Fan von traditionellem Heavy Metal und die meiste Zeit waren enge Jeans, Stiefel und Lederjacken total "out". Warum sollte mich so etwa also jetzt kümmern? Ich bin, was ich bin, genau wie RAM ist, was RAM halt ist. Daran wird nichts und niemand etwas ändern. Eine Band sollte nicht darüber nachdenken, wie gut sich ihre Alben verkaufen, sondern ob das, was sie macht, ehrlich ist und von Herzen kommt.

Holger:
Es gibt Leute, die aktuell einen erneuten Ausverkauf des Genres befürchten. Was denkst du darüber?

Oscar:
Kann ich nicht nachvollziehen. Heavy Metal ist zum Glück nicht mehr so anfällig für Trends wie es einmal war, da es die Plattenfirmen eingesehen haben, dass nur ein Teil der Metal Community offen für kommerzielle Beeinflussung ist. Innerhalb der Metal- und Rock-Szene gibt es noch immer ein Streben nach Individualismus. Und es wird als Tugend angesehen, zu tun, an was man glaubt. Ohne Rücksicht, ob man deshalb seinen Marketing Spezialisten Albträume beschert.

Holger:
Wie groß ist denn die True-Metal-Szene in Skandinavien momentan?

Oscar:
Ich denke, sie ist größer als in den letzten Jahren. Es scheint, je mehr Fakes in der Szene auftauchen, desto stärker ist das Bedürfnis nach richtigem Metal. Diese ganzen Klons sind also auch für etwas gut: Durch sie wächst der Widerstand der Fans.

Holger:
Ich denke, dass Underground-Fans immer mehr ihre kleinen Nischen suchen und sich daher Doom oder Epic Metal zuwenden, nur um vom Happy Metal verschont zu bleiben. Stimmst du dem zu?

Oscar:
Die Leute sollen sich anhören, was ihnen gefällt, so lange sie sich bewusst sind, was sie sich da anhören. Richtiger Heavy Metal hat seine Wurzeln in den 60ern: Langhaarige Rebellen, die sich gegen die Norm auflehnten. Dieser Widerstand ist wichtiger denn je. Nichts ist besser als früher, es ist schlimmer geworden und Heavy-Metal-Bands, die nicht rebellieren gegen die aktuellen Trends, spielen einfach keinen Heavy Metal. Sie spielen Musik mit verzerrten Gitarren. Das ist der Preis, den man zahlt, um ein echter Metalhead zu sein. Man darf den Lügen der Sklaventreibern nicht glauben und muss das System bekämpfen.

Holger:

Möchtest du schlussendlich noch etwas ergänzen?

Oscar:
Ich freue mich auf alle wahren Metalheads, die wir auf Tour treffen werden. HEAVY METAL TYRANNY!

Holger:
Danke für deine Zeit und für eure Musik!

Oscar:
Ich habe zu danken.

Redakteur:
Holger Andrae

Login

Neu registrieren