PHANTOM CORPORATION und das Ende der Welt

12.12.2025 | 17:15

Der Fünfer holt zum zweiten Rundumschlag aus! Mit "Time And Tide" steht nun der "Fallout"-Nachfolger aus dem Hause PHANTOM CORPORATION in den Startlöchern und verspricht ein noch größerer Fiesling als zuvor zu werden. Irgendwo in der Schnittmenge zwischen Death'n'Thrash, Hardcore und Crust sprüht das neue Album vor Durchschlagskraft, Energie und schlichtweg richtig geilen Songs. Über ein paar davon sprechen wir heute mit der Band. Was Sänger Leif, Bassist Ulf und Gitarrist Philipp noch über das Ende der Welt, das Thema Supergroup und die Entwicklung der Truppe zu erzählen haben, erfahrt ihr hier.

Hallo zusammen, wie geht es euch, wie ist die Stimmung bei PHANTOM CORPORATION?

Ulf: Die Stimmung ist bestens. Wir sind mitten in den Vorbereitungen für unsere Release-Shows und entsprechend heiß darauf, das neue Album auch live vorzustellen.

Philipp: Ich bin ja in Berlin und somit weit weg vom Hauptgeschehen. Von daher bin ich recht entspannt. Aber die anderen Jungs hatten zuletzt schon sehr viel um die Ohren. Das Album läuft gut an, was ja an sich sehr schön ist. Nur geht das auch einher mit viel Arbeit.

Leif: Die Ruhe vor dem Sturm, oder so…?!

Irgendwo zwischen Death Metal, ordentlichem Thrash und viel Crust-Einflüssen seid ihr seit 2016 unterwegs - aber erst seit Mitte 2023 kommt der Zug richtig ins Rollen. Weshalb hat es knapp acht Jahre nach Gründung gedauert, bis das Debüt veröffentlicht wurde?

Philipp: Ich denke, das ist eigentlich ein recht normaler Prozess. Wir sind ja alle keine 20 mehr und haben unsere Jobs und Familien. Da kann die Band schon mal an zweiter Stelle kommen. Aber eigentlich lief es seit Gründung permanent gut. Immer ein bisschen nach oben.

Leif: Naja, wir hatten es nicht wirklich auf ein traditionelles Albumformat angelegt. Wir fingen ja mit dem "First Commandment"-Mini-Album bereits 2016 an. Das war ja quasi unser Demo, also die allerersten sechs Songs, die wir fertig hatten. Das kam auf CD und auch Vinyl, neben Digital. Dann folgte eine weitere Session von vier Songs, die wir für eine 7“ EP und eine Split 7“ EP mit SLAUGHTERDAY benutzt haben. Im Anschluss kam wieder ein Split-Projekt, diesmal mit HARROWED aus Schweden und im 12“ Vinyl Format sowie auf CD, etc. "Fallout" in 2023 hat sich zeitlich richtig angefühlt und auch inhaltlich wie ein "Album" statt nur einem Haufen Songs, die man zusammenreiht, also ging es dann quasi damit los.

Leif, du warst schon einige Jahre mit DEW-SCENTED raus - hat dir das Shouten und der Verbleib in einer Band gefehlt?

Leif: Nee, das war nicht wirklich der Grund für mein Auftauchen bei PHANTOM CORPORATION. Es liefen ja sogar beide Bands für zwei, drei Jahre parallel. Ich hatte prinzipiell schon länger Lust auf etwas mit Crust/HC-Einschlag und es fehlte lediglich die Zeit dafür in den Jahren davor. Irgendwann haben Marc (Drums, u.a. auch ex-DEW-SCENTED) und ich aufm Spaziergang durch Bremen man beschlossen es einfach mal zusammen zu versuchen mit einer solchen Kapelle. Er brachte recht spontan den Arne mit rein und ich den Philipp, somit hatten wir zwei Gitarristen und Songwriter. Danach flutschte es einfach so weiter, weil es auch genug Spaß macht. So einfach ist das manchmal erklärt, haha!

Nur zweieinhalb Jahre nach "Fallout" holt ihr zum nächsten Schlag aus - "Time And Tide" verspricht ein großer Wurf zu werden. Mit welcher Zielsetzung seid ihr an die Arbeiten herangetreten?

Ulf: Natürlich hat uns der Erfolg von "Fallout" riesig gefreut und motiviert, aber man darf es sich jetzt nicht so vorstellen, als wären wir unter der Prämisse ans Songwriting gegangen, uns selbst zu übertreffen. Das wäre ja auch, bei allem Anspruch, den man natürlich an sich selbst stellt, eher krampfig und unfrei. Wir wollten einfach da weitermachen, wo wir mit "Fallout" aufgehört haben. Das Resultat ist ein, wie ich finde, sehr dunkles und brutales, aber auch wildes und vor allem vielfältiges Album geworden. Es ist immer ein gutes Indiz, wenn man sich an den eigenen Songs nicht satthören kann, und das ist für mich definitiv der Fall. Arne und Philipp haben ja ständig Bombennummern im Köcher, und dadurch, dass ich zum Songwriting-Team gestoßen bin, hat sich die Dynamik nochmal ein wenig verändert, da von mir noch eine etwas andere Farbe kommt. Kurz gesagt, "Time And Tide" ist PHANTOM CORPORATION pur und birgt doch ein paar Überraschungen.

Philipp: Ich selbst habe wenig Druck verspürt. "Fallout" ist ein super Debütalbum, aber wenn ich mir unsere ganze Diskographie angucke, dann finde ich, dass wir eigentlich immer was Gutes abgeliefert haben. Ein paar der Songs auf "Time And Tide" zeigen sicherlich eine neue Seite der Band. Ulf hat zwei Songs geschrieben, die durchaus eine gewisse Black-Metal-Atmosphäre in sich tragen, mit 'Krokodil' ist ein sehr kurzer, eher TERRORIZER-mäßiger Song dabei und die Tracks von Arne gehören bestimmt zu den ausgefeiltesten, die er bisher geschrieben hat. Ich denke, es war allen klar, dass wir das Niveau werden halten können.

Verfolgt "Time And Tide" ein bestimmtes Konzept, irgendeinen thematischen roten Faden, der sich durch das Album zieht?

Philipp: Ich würde sagen, nein. Textlich geht es um verschiedene Themen wie persönliche, politische und gesellschaftliche Probleme. Aber es gibt auch ganz normale Texte über eine Nacht auf dem Friedhof, den Film "Sorcerer" oder schlimme Drogen, von denen man die Finger lassen sollte.

Leif: Ich denke, da ist dennoch eine verbindende Grundstimmung. Etwas Bedrohliches, Negatives und viel Konflikt. Das lässt die Atmosphäre von Musik und Texten zwischen den einzelnen Songs auch sehr kompakt, zumindest auf mich wirken. Und ich denke, das kann ich auch so einfach sagen und beurteilen, denn ich habe ja weder Musik noch Texte erschaffen. Aber ja, es ist ein recht stimmiges Album, würde ich mal behaupten?!

Das Artwork ist einfach herausragend - eines der besten, die ich dieses Jahr gesehen habe. Wer hat es entworfen und wie steht es in Verbindung zu den Songs auf "Time And Tide"?

Philipp: Das Artwork ist von der Design Firma Skurktur aus Oslo, die viele schöne Sachen machen, z.B. für Bands wie AGRICULTURE, DER WEG EINER FREIHEIT, 1349 und viele andere. Ich hatte dem Emil von Skurktur eigentlich nur reingegeben, was wir mit dem Titel verbinden (ganz stark runtergebrochen kann man vielleicht sagen "das Auf und Ab des Lebens") und welche Symbolik damit verbunden ist. Er hat dann selbst noch diverse eigene Ideen eingebracht. Ich bin extrem zufrieden mit dem Ergebnis.

Auf mich wirken die neuen Songs noch griffiger und entschlossener - worin liegen eurer Meinung nach die Unterschiede zum Album zuvor?

Ulf: Vielleicht ist es der Erfahrung geschuldet, mit Sicherheit aber der Sorgfalt, die wir in die Arrangements gelegt haben. Alle Songs, die bei uns entstehen, werden zunächst im Proberaum von unserem Gitarristen Arne, unserem Schlagzeuger Marc und mir arrangiert und rundgeschliffen, in enger Absprache mit Philipp und Leif, bis wir alle glücklich mit dem Resultat sind. Hinzu kommt, glaube ich, dass die Songs zwar in unterschiedlichen Lebenssituationen der jeweiligen Songwriter und -Texter entstanden sind, aber aus einer gemeinsamen Haltung heraus. Es ist ein altes Klischee, dass die beste Musik manchmal in beschissenen Zeiten entsteht, wenn es einem selbst nicht so goldig geht. Und ich würde sagen, die Songs, die in dieser Phase entstanden sind, legen davon Zeugnis ab.

Leif: Mir gefällt das mit dem "griffiger und entschlossener" ganz gut. Ich finde, da ist recht viel Abwechslung drin, dafür dass es ja auch alles ziemlich heftig und durchgehend extrem ist. Ich denke, wir konnten durchaus den Rückenwind von "Fallout" und das enger zusammengewachsene Bandgefüge, u.a. durch Ulfs Eintritt als Bassist und Co-Songwriter, dafür nutzen, jetzt einen Schritt weiterzugehen. Oder vielleicht sogar direkt ein paar Schritte auf einmal…

Erlaubt mir die Frage, was es mit 'Krokodil' auf sich hat?

Philipp: Das wurden wir nun schon häufiger gefragt. Es ist keine schöne Sache, soviel sei gesagt. Krokodil ist eine Droge, die man intravenös konsumiert und die dazu führt, dass die Haut an der Einstichstelle nekrotisch wird und an Krokodilhaut erinnert. Mehr will ich nicht sagen. Muss man sich auch nicht mit beschäftigen, aber als ich vor einiger Zeit mal darauf stieß, dachte ich, dass man das ja auch mal lyrisch aufgreifen kann. Der Text passt zum kurzen und brutalen Song, ist aber in keiner Weise als Verherrlichung zu verstehen. Diese Droge ist wirklich das Allerschlimmste!

Und wie genau sieht denn die 'Western Apocalypse' aus? Wie spät ist es eurer Meinung nach auf der Doomsday Clock?

Ulf: 'Two Minutes To Midnight' haben wir leider schon hinter uns gelassen, fürchte ich. Manchmal habe ich das Gefühl, Teil einer kollektiv suizidalen Spezies zu sein, die es einfach nicht erträgt, wenn die Dinge mal gut laufen und stattdessen Kriege, Konflikte und Hass braucht. Andererseits weigere ich mich, die Hoffnung aufzugeben. Denn man darf ja bei allem Entsetzen und aller Hilflosigkeit, die einen beim Blick auf die Welt überkommen kann, nicht vergessen, dass der Mensch eben auch das Potenzial hat, das Paradies auf Erden zu erschaffen. Irgendwie ist der Mensch meistens für die geilsten und furchtbarsten Dinge zugleich verantwortlich und oft vereinen sich sogar beide Extreme in einer Person. Keine Ahnung, mich überkommt oft eine traurige Wut auf die Menschheit, aber immer wieder staune ich auch und werde demütig, wenn ich all das Gute und die Selbstlosigkeit und Schönheit sehe, zu der Menschen eben auch in der Lage sind. Vorn daher bin ich wohl ein Misanthrop mit Harmoniesucht oder sowas.

Philipp: Sagen wir es so: Es gab schon bessere Zeiten. Wenn man sich damit befasst, was auf der Welt alles gerade nicht gut läuft, dann macht einem das schon Angst. Dabei könnte es einfacher für alle sein, wenn man sich mal wieder auf das Wesentliche konzentriert, nämlich gut, friedlich und gemeinschaftlich über die Runden zu kommen. Das ist aus meiner Sicht (deutsch, männlich, mittleres Alter etc.) sicherlich leichter gesagt, als wenn du gerade drei Kinder im Sudan großziehst. Es soll also wirklich nicht belehrend klingen. Mich erschüttert einfach, was für schreckliche Dinge passieren, und es fällt mir schwer zu glauben, dass es keine Alternativen zu den aktuellen Bemühungen zur Behebung dieser Probleme gibt. Darum geht es in dem Song eben auch: Menschen, die schon alles haben, entscheiden über das Schicksal anderer.

Der erste Vorgeschmack war 'Sorcerer', eine sehr starke Nummer! Wie weit repräsentiert 'Sorcerer' denn das gesamte Album? Die perfekte erste Single?

Philipp: Das kann ich gar nicht so leicht beantworten. Irgendwie waren sich alle einig, dass der Song eine gute erste Single sein könnte. Das Strophenriff ist sehr simpel, aber effektiv. Der Chorus ebenfalls. Aber dann kommt eben auch noch das sehr melodische Solo und der Mittelteil, der den Song aufbricht. Ich denke, das funktioniert einfach gut.

Leif: Ich glaube, wir haben uns für 'Sorcerer' als erste Single entschieden, weil wir den Song sehr direkt und effektiv fanden. Da werden auf einen Schlag ein paar der unterschiedlichen, dynamischen Elemente präsentiert, die den Sound von PHANTOM CORPORATION ausmachen können. Außerdem lässt sich der Song cool mitbrüllen, haha!

Besteht die Möglichkeit euch auch in den kommenden zwölf Monaten auf den Bühnen dieser Republik zu sehen? Was wird 2026 für PHANTOM CORPORATION bereithalten?

Ulf: Wir werden "Time And Tide" ausgiebig live präsentieren, dabei aber auch darauf achten, weder das Album noch uns als Band totzuspielen. Ich selbst bin zwar ein Road Dog, der am liebsten jeden Tag irgendwo ballern würde, aber man muss auch mal loslassen können und zu Hause durchsaugen und die Post sortieren, hahaha. Außerdem haben wir noch eine Überraschung geplant, denn im Songwriting- und Produktionszyklus sind einige Songs mehr entstanden, die aus Platzgründen nicht mehr aufs Album passten, aber so gut sind, dass wir sie unbedingt noch veröffentlichen wollen. Wann und in welcher Form ist aber noch geheim, also bitte nichts verraten. Oh, warte mal…!

Leif: Ja, hoffentlich werden wir nächstes Jahr auch ein paar Städte besuchen können, wo wir bisher noch nicht vorstellig werden konnten. Und genau, dann kommt auch direkt wieder neue Musik. Es wird also wohl nicht so schnell still um PHANTOM CORPORATION.

Eine letzte Frage: Wenn Mitglieder größerer Bands eine neue Band gründen, kann man schon von Supergroup sprechen. Auch im Falle von PHANTOM CORPORATION? Wie steht ihr zum Banner "Supergroup"?

Philipp: Äh, bitte nicht. Wir sind keine Supergroup.

Ulf: Bei uns sind vor allem zwei Dinge super: der Zusammenhalt untereinander, auch abseits der Musik, und der Kohldampf, den wir nach jeder Probe in Vollbesetzung haben. Da kannst du alles mit der Plattschaufel reinschmeißen und wirst nicht fertig!

Jungs, danke euch, dass ihr euch Zeit für uns genommen habt - "Time And Tide" ist ein bockstarkes Album geworden, für das ich euch alles Gute wünsche! Was möchtet ihr unseren Lesern und euren Fans noch mit auf den Weg geben?

Ulf: Vielen Dank für das Kompliment und das Interesse! Wann immer wir bei euch in der Gegend spielen, kommt vorbei, quatscht uns an und zischt einen kühlen Sprudel mit uns. Wir freuen uns jederzeit über einen guten Schnack.

Philipp: Danke für den Support. Wir freuen uns sehr, dass das neue Album so gut ankommt und dass die Leute offensichtlich Freude daran haben. Es ist auch schön, dass die Lyrics hier und da mal in den Vordergrund gestellt werden. Damit hatte ich gar nicht so gerechnet.

Leif: Hab Dank! See you in the pit!

 

Photo Credit: Paloosa Productions

Redakteur:
Marcel Rapp

Login

Neu registrieren