ONHEIL: Von Guerilla-DVDs bis zu Jahrhundertstürmen
01.10.2025 | 21:09ONHEIL – ein Name, der mir das erste Mal tatsächlich auf einer "Rock Guerilla"-DVD des "Rock Hard"-Magazins aufkam. Eigentlich hatte ich mich auf Späße zwischen Bobby und Gerre gefreut, die Musikclips und Interviews dazwischen waren lediglich ein Nice-to-have. Doch dann kam dieses Intro und ich wurde von einer Lawine aus pechschwarzer, blutrünstiger Lava in Form von 'Nemesis' Light Fading' überrollt.
Was war geschehen? Was war das? ONHEIL? Noch nie gehört. Doch es war musikalische Liebe auf dem ersten Ton und ich kann nicht zählen, wie häufig ich mir den Clip der DVD angeschaut habe. Ich musste einfach mehr von diesen Jungs hören! Nun, mehr als 15 Jahre später, ist ONHEIL durch das "In Black Ashes"-Monster wieder auf der Bildfläche und wir nehmen die Wiederveröffentlichungen der beiden Alben "Razor" und "Storm Is Coming" aus dem Hause Black Lion Records zum Anlass, etwas detaillierter auf die Musik ONHEILs einzugehen.
Nemesis' Light Fading
https://www.youtube.com/watch?v=c0d7suREMN8
1999 von Amok in Dordrecht in den Niederlanden gegründet, scheint der Herr schon früh von Bands wie KREATOR, aber vor allem DISSECTION, EMPEROR und Konsorten des skandinavischen Black Metals beeinflusst worden zu sein. Mit den ersten Mitstreitern gab es noch im Gründungsjahr das erste Demo, bis "We hebben de hel gezien" auf 222 Kopien gedruckt und verteilt wurde. Das Cover zu JUDAS PRIESTs 'Nightcrawler' sollte für den weiteren musikalischen Werdegang folgenreich sein, denn trotz aller Extreme-Metal-Attacken wird stets eine Spur des klassischen Metals in ONHEILs Taten zu finden sein. Mitglieder kamen und gingen, es folgten die "The Threat"-EP, ein weiteres Demo, doch dann war es endlich soweit und Cyclone Empire nahm sich der Angelegenheiten Amoks und Co. an.Den Start macht also – wie sollte es anders sein – das tadellose "Razor", das seinem Namen alle Ehre macht: Scharf wie eine Rasierklinge, aber dabei immer mit der Melodie im Blick, zocken sich die Holländer hungrig und spielfreudig durch ihr Label-Debüt. Und von Mal zu Mal wird dieses schmissiger, die Aura düsterer und die einzelnen Songs nur noch stärker. Ein kristallklarer Sound, ein Artwork, das deutlicher nicht sein kann, und eine Mannschaft, die sich auf ihre Stärken besinnt, runden das Endergebnis ab – und das gleich zu Beginn? Man staunt nicht schlecht, wenn man sich die unheilvolle Präsenz des Albums in Gänze anschaut und bedenkt, dass wir es hier mit einer recht unbekannten Band damals zu tun hatten...
Das Intro 'Out Of The Darkness It Comes' ist ein Appetizer par excellence, in dem kleine Soundbröckchen die Spannung aufladen, anschließend die erste Melodie die Atmosphäre anheizt, ehe die 'Nemesis' Light Fading'-Bestie wie ein schwarzmetallischer Berserker gnadenlos umherwütet. Technisch auf höchstem Level, die Doublebass am Anschlag und ein Riffing wie aus der Hölle. So MUSS ein Black-Metal-Album beginnen – so fingen auch schon Referenzwerke wie "Storm Of The Light's Bane" oder "Anthems To The Welkin At Dusk" an, einfach perfekt.
Schon früh wird ein hohes Maß an Abwechslungsreichtum angedeutet, welcher sich wie ein roter Faden durch "Razor" zieht. Richtig, nicht nur in Hochgeschwindigkeitsattacken wie folgend 'As Hope Dies' oder 'From Above' zeigt sich die wahre Größe des Albums: 'Rain Of Fire' brilliert durch ein so verflucht finsteres, bitterböses und kaltes Riffing, 'Final Redemption' ist ein so genialer Heavy-/Black-Metal-Bastard und 'Day Of Departure' zeigt, dass selbst orientalische Einflüsse hervorragend zum doch sehr angeschwärzten Mahl passen. Hinzu kommen die epische Anmut des Titeltrack sowie der Aha-Moment des in der Landessprache vorgetragenen 'Pad der Verdoemenis', die den Braten fett und saftig machen. Einzig 'Penetration Of Innocence' – und hier insbesondere die Einleitung – holen mich, wenn auch nur kurz, aus dem angenehmen Höllenfeuer leider heraus.
As Hope Dies
https://www.youtube.com/watch?v=MCsaei1aKeg
Einst als "IRON MAIDEN des Black Metals" tituliert, haben die ONHEILigen jedenfalls einen sehr eigenen, markanten Sound, der so manche traditionelleren Licks dem Finstermetall sehr genüsslich unterrührt und dadurch für sehr viel Hörvergnügen sorgt. Cyclone Empire hatte hier damals ein sehr heißes Eisen im Feuer, das an die einstigen, musikalischen Großtaten von EMPEROR, NOCTED, NECROPHOBIC, aber auch DISSECTION oder DIMMU BORGIR erinnerte und zugab, dass man nicht nur nach oben, sondern in unserem Falle auch mal nach links auf der Weltkugel schauen kann, um schlichtweg tollen Black Metal vor den Latz geknallt zu bekommen.
So vergingen einige Jahre...Es war heiß im Spätsommer 2014. So kam es nicht selten vor, dass wir im August und September sogar noch das Freibad besuchten und das warme Wetter genossen. Auf den Ohren hatte ich "Storm Is Coming" und wie viel Wahrheit der Titel tragen sollte, hatte ich schon Wochen vorher am eigenen Leib erfahren dürfen. Natürlich bekommen wir für eine rechtzeitige Rezension die Musik schon einige Wochen vor dem Veröffentlichungsdatum. Und so freute ich mich schon Pfingsten 2014 wie Bolle, dass mein einstiger Black-Metal-Aha-Moment ONHEIL nach geschlagenen fünf Jahren endlich zum zweiten Rundumschlag ausholte. Warum ich so weit aushole? Vielleicht erinnert ihr euch an den Pfingstmontag 2014? Na, klingelt was in Bezug auf aufkommende Stürme?
Jedenfalls fiel schon nach dem ersten Durchgang einige Stunden vor Elas Eintreffen auf, dass Amok und Co. die schwermetallischen Nuancen etwas energischer andrehten und so für noch mehr Variabilität im ganz eigenen ONHEIL-Kosmos sorgten. Allein dieses sukzessive nach vorne preschende, leicht epische und beinah schon süchtig machende 'The End Of Everything' ist ein fabelhafter Beweis, wie weit sich die Band entwickelt hat. Gift und Galle gibt es nach wie vor und selbst vor Thrash-Metal-Vibes schrecken die Kollegen nicht zurück, sodass nicht selten Parallelen zu DESASTER oder WITCHBURNER aufkochen.
Jedoch hat "Storm Is Coming" noch weitere Besonderheiten zu bieten: Cleane Vocals in 'The Omega Legions'? Fast schon zu eindringliche Strukturen in 'Wings Of Death'? Ein musikalischer Scare-Jump in Form des Openers? Headbangin' Moments in 'Kill Tomorrow'? Ein Country-lastiger Beginn bei 'Self-Destruction Mode'? Na und ob! Klingt das geil? Na und ob!
The Omega Legions
https://www.youtube.com/watch?v=0dnVUNt1bfA
Natürlich ziehen sich halsbrecherische Blastbeat-Stürme, Wirbelwind-Soli oder Amoks Gekeife nach wie vor durch die gesamte Platte, die in der Gesamtbetrachtung einfach noch reifer und ausgegorener wirkt als es das Debüt schon tat. So wurde die fünfjährige Wartezeit äußerst sinnvoll genutzt, obgleich die ONHEIL-Mannschaft, die sich seit "Razor" auch nicht änderte, und der Mastermind sich so voll und ganz auf die Songs konzentrieren konnten. Das Ergebnis: "Storm Is Coming" macht süchtig und wenn man sich die 44-minütige Spielzeit vor vorne bis hinten gibt, muss man sich nicht wundern, wenn uns danach ein Jahrhundertsturm um die Ohren weht. Den Soundtrack hierfür lieferte ONHEIL.
Es sollte erneut leider viel zu lange dauern – neun lange Jahre sogar – bis mit "In Black Ashes" und mit Black Lion Records als Label im Rücken der Weg des Sturms weitergeführt werden konnte.
Leider verließen Amoks Mitstreiter nach dem zweiten Unheil nach und nach die Truppe, doch mit Kaosz und Wrok an den Höllenklampfen, Toorn an der unerbittlichen Schießbude und Waanzin am pumpenden Bass konnte Mr. ONHEIL eine neue Mannschaft formen und 2023 zum dritten, majestätischen Schlag ansetzen.
Bleibt indes nur zu hoffen, dass wir nicht erneut so lange auf den Nachfolger warten müssen. Bis dahin genießen wir die Wiederveröffentlichungen der ersten beiden ONHEIL-Brocken und schwelgen in Erinnerungen...
Bloodthirst
https://www.youtube.com/watch?v=sBMvxOqjYeo
- Redakteur:
- Marcel Rapp