ODROERIR: Interview mit Stickel

17.10.2005 | 18:58

Nachdem ODROERIR auf ihrem Album "Götterlieder" die Edda vertonten, haben sich einige Fragen zu diesem Werk angehäuft.
Diese habe ich einem etwas angeschlagenen, aber doch redefreudigen Stickel gestellt und muss sagen, das Interview ist ziemlich interessant geworden.
Doch lest selbst...

Martin:
Hallo Stickel! Als erstes herzlichen Glückwunsch zum "Götterlieder"-Album.

Stickel:
Hat's dir gefallen?

Martin:
Ja, ich finde es ziemlich stark. Gut, kommen wir gleich mal auf das Album zu sprechen. Wie kamt ihr auf die Idee die Edda zu vertonen?

Stickel:
Das hat dem Fix (Bandleader von ODROERIR) eigentlich schon lange vorgeschwebt. Mit unserem ersten Album wollten wir erst mal das thüringische Sagengebiet und die Entwicklungsgeschichte von Thüringen abdecken. Nachdem das dann mit dem ersten Album vertont war, haben wir uns gleich an die Edda rangemacht. Das erste Lied davon, das wahrscheinlich jetzt auf der Fortsetzung "Götterlieder 2" erscheinen wird, 'Baldurs Träume', war ja schon vorher auf unserem Demo drauf und zwei, drei Lieder von dieser Thematik sind bestimmt schon seit fünf Jahren fertig gewesen.

Martin:
So lange schon?

Stickel:
Ja, und weil der Fix das eh schon seit Jahren geplant hatte, war das gleich das nächste, was wir in Angriff genommen haben, zumal wir nie irgendeine CD gehört haben, welche die Thematik genauso umgesetzt hätte, wie wir uns das vorgestellt haben.

Martin:
Habt ihr deswegen hauptsächlich akustische Instrumente verwendet?

Stickel:
Das sind die Stilmittel, um das Ganze wieder zu geben, wie wir uns das vorstellen.
Mit Doublebass-Gewittern und Gitarren-Geschrabbel gibt's ja mehr als genug Bands, welche die nordische Mythologie auf diese Art und Weise umsetzen. In unserer Richtung, also im akustischen Bereich, hörst du ja relativ wenig, außer du greifst jetzt auf reine Folklore zurück. Aber verbunden mit Metal findest du relativ wenig.

Martin:
Welche Edda habt ihr eigentlich verwendet: Die alte Edda oder die Prosa-Edda von Snorri Sturlusson?

Stickel:
Eigentlich die Prosa-Edda und davon verschiedene Übersetzungen.

Martin:
Ihr habt euch ein sehr schönes Covermotiv ausgesucht. Was genau stellt es dar?

Stickel:
Das Cover ist von einem Freund von uns, der malt schon seit ewig vielen Jahren Ölgemälde, und das hauptsächlich im mythologischen Bereich, weil er sich selber auch damit beschäftigt und in einer kleinen Gruppe aktiv ist, die historische Darstellung betreibt.
Er hat übrigens auch für unser erstes Album das Cover angefertigt, das die Erschlagung des Frankenkönigs Theuderich darstellt und wie Iring den Leichnam seines Königs über den des Feindes legt. Wir haben ihn gefragt, ob er für die "Götterlieder" auch wieder ein Bild zeichnen würde, und da hat er dann sofort zugesagt. Wir haben ihm die ganzen Texte geschickt, und er rief uns dann an und meinte er habe jetzt hin und her überlegt, ob er irgendeine Schlachtenszene malen soll, aber das fand er dann alles nicht so packend und wir sollen uns einfach mal das Bild anschauen, das er angefertigt hat. Und als er uns das Bild dann präsentierte, waren wir gleich hin und weg.
Es stellt die verschiedenen Elemente Wasser, Erde und Luft dar, wie sie in der Mitte den einäugigen Allvater (Odin, Wotan - Anm. d. Red.) formen.

Martin:
Laut eurem Label seid ihr eine Band, die sich aus mehreren anderen Bands zusammensetzt. Wer ist denn jetzt von euch bei welcher Band?

Stickel:
Das ist eigentlich nur die Promotion unseres Labels gewesen. Die Band ist ja entstanden, als Fix als Schlagzeuger mit MENHIR zwischenzeitlich auseinander ging, da hat er ODROERIR als eigene Band gegründet und hat hier in der Umgebung Leute dafür gesucht, die mitmachen. Ich hab den Fix eh schon gekannt und so kam ich dann hinzu.
Davor hat er schon ein paar andere Leute gehabt, mit denen er Demo-Aufnahmen im Proberaum gemacht hat. Die Musik schreibt der Fix ja sowieso nahezu komplett selbst, da hat zum Beispiel der Manuel (Bassist), welcher der Einzige ist, der von XIV DARK CENTURIES dabei ist, gar nichts mit zu tun. Wir hatten ja ursprünglich einen eigenen Bassisten, der hat dann aber aufgehört, weil er keine Lust mehr hatte und wir haben einen neuen gesucht und der Manuel war halt der, der am besten zu uns gepasst hat.

Martin:
Du hast vorhin schon den 'Baldurs Traum' angesprochen, habt ihr schon viele Ideen für "Götterlieder 2"?

Stickel:
Auf unserer EP war bereits 'Odroerir' drauf vom aktuellem Album und ein Lied, das heißt 'Idafeld', welches auch auf dem nächsten Album enthalten sein wird. Das setzt dann die Thematik fort bis zum Ragnarök, dem Ende allen Seins und die Wiedergeburt beziehungsweise Neogenese der Welt, nach dem sich die letzten Asen auf dem Idafeld treffen. Was dann auch das Thema des gleichnamigen Stückes ist. Und alleine von der Thematik her geht es dann natürlich etwas schneller zur Sache. Verschiedene Lieder, die schon fertig sind, sind auch wieder etwas schneller geworden und enthalten auch wieder den extremen Gesang von Fix. Die aggressiveren Stilmittel bieten sich natürlich beim Sterben von Göttern und dem Untergang der Welt an.

Martin:
Sonst würde es vielleicht etwas zu eintönig.

Stickel:
Genau, und weil es halt eben textlich auch etwas mehr zur Sache geht. Aber die Lieder sind eigentlich schon fast komplett fertig für das "Götterlieder 2"-Album.

Martin:
Das heißt Release-Termin demnächst?

Stickel:
So schnell geht's doch nicht. Vorher müssen wir erst noch ins Studio gehen und das Ganze aufnehmen, und das wird sicher wieder ein zeitraubender Aufwand werden.

Martin:
Wo du es grad ansprichst, ihr habt für das letzte Album fünf Monate zum Aufnehmen gebraucht. Was hat da so lange gedauert?

Stickel:
Der Gesang hauptsächlich. Am längsten haben wir an den Gesängen gesessen und daran die Soli auszufeilen. Die ganzen Rhythmusinstrumente aufzunehmen ging eigentlich relativ schnell und dann haben wir uns ewig am Gesang festgehalten. Die ganzen mehrstimmigen Sachen, bis die alle ausreichend umgesetzt waren und es dann schlussendlich gepasst hat, war ziemlich zeitraubend. Das Mischen hat dann aber nur zwei Tage gedauert.

Martin:
Dann habt ihr ja da wenigstens wieder ein bisschen Zeit rausgeholt.

Stickel:
(lacht) Also hätten wir nicht einen Schlussstrich gezogen, hätten wir bestimmt noch ein halbes Jahr daran rumgebastelt und irgendwelche Sachen geändert oder neu aufgenommen.
Zum Schluss haben ja auch die Rhytmusgitarren nicht mehr so gut geklungen wie am Anfang.
Die haben zuerst richtig hart geklungen, wir mussten sie dann allerdings immer wieder etwas leiser drehen, damit man die anderen Sachen auch noch hört, und so sind sie dann etwas in den Hintergrund geraten. Dann wollten wir schon wieder neu aufnehmen, haben's dann aber doch gelassen. Mit dem Mastering-Termin haben wir uns dann eine Deadline gesetzt, sonst hätten wir als Perfektionisten immer weiter dran gesessen.

Martin:
Es besteht natürlich dann auch die Gefahr das Material tot zu mixen...

Stickel:
Ja richtig, dass passiert dann auch ziemlich schnell. Wenn du dich zulange daran aufhältst und singst oder spielst Sachen zu oft, spielst du es dann irgendwann tot.

Martin:
Am 19. November spielt ihr ja auf dem 2. Pagan-Festival in Giessen. Werdet ihr dann auch Songs von "Götterlieder" spielen? Ich stell mir das ziemlich schwer vor, dieses Material live zu performen.

Stickel:
Also Lieder von "Götterlieder" spielen wir ja schon seit über einem Jahr, oder seit fast zwei Jahren sogar schon. Das passt ganz gut. Einen Tag vorher haben wir eine Release-Party bei uns in Thüringen, bei der auch BRAN BARR aus Frankreich spielen werden.

Martin:
Die spielen doch auch auf dem Pagan-Festival.

Stickel:
Ja, genau. Die haben wir gefragt, ob sie nicht einfach einen Tag früher kommen wollen, und die waren dann auch gleich hellauf begeistert. Sie spielen keltischen Pagan-Metal mit Flöten untersetzt, und das ziemlich gut. Die gibt's auch schon seit 1995, aber man hat Jahre nichts von denen gehört. Anfang dieses Jahres haben wir in Ieper (Belgien) mit HEIDEVOLK gespielt. Und dort war auch einer von BRAN BARR im Publikum und hat uns dann erzählt, dass sie die Band reformiert haben und darauf hin haben wir sie gleich zur Release Party eingeladen.

Martin:
Meinst du, die ganze Pagan-Welle nimmt mit dem Erfolg von AMON AMARTH etwas Rückenwind auf?

Stickel:
Naja, BRAN BARR wohl eher nicht, denn deren Musik hat mit AMON AMARTH wenig gemeinsam. Aber es stimmt schon, dass das in letzter Zeit ein wenig überhand nimmt.

Martin:
Stört dich das?

Stickel:
Störend find ich's nicht, höchstens wenn viele Bands da ein bisschen dilletantisch rangehen. Naja, es soll ja jeder machen, was er will. Es gibt natürlich auch einen Haufen sehr guter Bands in der Richtung, aber wenn da halt zum Teil Vergangenheit verdreht wird oder unzureichend beleuchtet und wiedergegeben wird, wie das schon bei manchen Bands auftritt, ist das dann schon störend.

Martin:
Ist das für dich auch ein kulturelles Problem, weil zu wenig germanische Geschichte, zum Beispiel an Schulen, gelehrt wird?

Stickel:
Das sowieso! Über germanische Vergangenheit und Heidentum wird ja in Deutschland immer der Deckmantel des Schweigens gehüllt. Da wird in der Schule überhaupt nichts gelehrt.

Martin:
Ich finde das äußerst schade, da speziell die "Ilias" von Homer und somit die griechische Mythologie von vorne bis hinten durchgekaut wird und die "Edda" den meisten Leuten völlig unbekannt ist.

Stickel:
Ich muss sagen, da rennen die Deutschen immer noch ihrem Weltkriegs-Syndrom hinter her, wo ja wirklich die ganze Symbolik verdreht worden ist auf übelste Art und Weise.

Martin:
Gibt es betreffend darauf, Anfeindungen euch gegenüber?

Stickel:
Das ist hin und wieder schon passiert, hat sich bis jetzt aber zum Glück in Grenzen gehalten.
Wir verwenden ja auch noch die Sonnenräder, und da gibt's dann schon immer mal wieder Leute, die nachfragen, man könne doch so etwas nicht machen, solche Symbole zur Schau zu stellen, aber dass es eigentlich ein Symbol des Lebens ist, das weiß heute keiner mehr. Oder zumindest keiner, der sich nicht damit beschäftigt.
Wir haben ja auch eine Frühmittelaltergruppe, in der wir ziemlich viel Museumsarbeit leisten, haben des Öfteren auch Ausstellungen und dann kommen auch ganz normale Leute auf uns zu und fragen nach, was es damit auf sich hat, lassen sich das erklären und sind dann ganz davon begeistert und fasziniert, und fragen uns, welche Bücher sie denn lesen könnten um noch mehr zu erfahren, ohne dass sie die Thematik gleich in die rechte Ecke wegschieben wollen oder sich irgendwie beeinflusst zeigen von irgendwelchen Medien.
Das ist dann immer schön zu sehen, wenn man ein paar Leute bewegen kann, sich etwas intensiver mit ihrer Vergangenheit auseinander zu setzen. Das ist aber vielleicht auch der positive Aspekt daran, wenn viele Pagan-Bands aus dem Boden sprießen, weil es dann schon einer breiteren Menge zugetragen wird.
Um auf die Medien zu kommen: Wir haben ja neulich auf der Runneburg gespielt, das ist eine Burganlage oberhalb von Erfurt, mit XIV DARK CENTURIES und ein paar anderen Bands. Es war ein reines Benefizkonzert zum Erhalt der Runneburg, denn das Land Thüringen hat aus Geldmangel die finanziellen Mittel gesperrt, und da haben sich verschiedene Bands aus verschiedenen Stilrichtungen, unter anderem auch eine alte DDR-Hard-Rock-Band bereit erklärt, nur für Benzingeld zu spielen. Unter anderem war der MDR vor Ort und hat gefilmt.
Dann rechnest du ja damit, dass mal irgendwann ein Bericht kommt wie: Die Thüringer Metal-Szene kämpft für den Erhalt der Runneburg oder so was.
Und dann kam einen Tag drauf im MDR ein Bericht über die Kirche und gleich im Anschluss ein Bericht, dass Metal-Konzerte von Nazis unterwandert werden. Dazu haben sie dann Bilder gezeigt von eben jenem Benefizkonzert. Kein Wort über den Erhalt der Runneburg oder dergleichen. Nur dass angeblich irgendwelche Rechtsextremen auf diesem Konzert zugegen gewesen wären. Und dazu haben sie dann Bilder gezeigt von Zuschauern mit T-Shirts, auf denen Runen abgebildet waren, oder auch Leute, die einen Thorshammer um den Hals trugen. Das Einzige, was sie anfangs kurz erwähnten war, dass sich Bands von der rechten Szene absetzen. An dem Abend gab es weder eine Schlägerei, noch sonst irgendein Kavaliersdelikt. Für solche Berichterstattung bietet halt die Pagan-Szene leider ein gefundenes Fressen.

Martin:
Wäre es da nicht besser, etwaige Begrifflichkeiten, die ihr in euren Texten verwendet, im Booklet zu erklären?

Stickel:
Die Hörer, die irgendetwas nicht verstehen, können uns gerne eine E-Mail schreiben, die Adresse steht ja im Booklet, und wenn da einer mal nachfragt, erklären wir ihnen gerne die Begriffe. Allerdings ist es immer noch schöner, wenn die Leute sich selber belesen, da sie es sich dann sicher besser merken können, als wenn sie alles vorgebetet bekommen.
Gerade auf Konzerten ist es interessant, wenn Leute kommen und sich mit uns unterhalten und wir ihnen ein paar Sachen erklären und sie, wenn wir uns das nächste Mal sehen erzählen, dass sie jetzt die Jahreskreisfeste feiern.

Martin:
Zum Schluss noch: Ihr betont immer eure Verbundenheit mit Thüringen, was gefällt dir besonders an Thüringen?

Stickel:
Wenn du in Thüringen raus gehst zum Wandern, stößt du unweigerlich auf irgendwelche Zeugnisse der Vergangenheit, ob es jetzt irgendwelche Burgruinen sind oder Wallanlagen. Auf heiligen Bergen findest du ja noch zum Teil alte Kultstätten. Und wenn du eine spirituelle Verbundenheit dazu hegst, beeinflusst dich das schon ziemlich stark. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum hier aus der Gegend so viele Pagan-Bands kommen. Denn die Leute sind ja doch auf der Suche nach etwas Ursprünglichem, was sie in der heutigen Zeit nicht mehr gegeben bekommen, von ihrer Umwelt, der Gesellschaft oder den Medien. Und dann zieht's halt doch die Menschen raus aufs Land und in die Natur und wenn man dann auf die ganzen Spuren der Vergangenheit stößt und sich damit beschäftigt, ist das genau so, als ob man die Seele des Landes, in dem man wohnt, ein bisschen in sich aufnimmt, und das prägt einen dann natürlich auch.

Martin:
Von mir aus sind dann alle Fragen geklärt. Vielen Dank für das Interview.

Stickel:
Gern geschehen. Heil und Segen wünsch ich dir und zum Abschluss komm ich einfach mal nicht umhin, einen Römer namens Velleius zu zitieren: "Wen die Götter verderben wollen, den schlagen sie mit Blindheit, und bewirken so auf unheilvolle Weise, dass das was geschieht mit vollem Recht zu geschehen scheint und so verwandelt sich tiefes Unglück in tiefste Schuld."

Redakteur:
Martin Schneider

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