MORSE, NEAL: Interview mit Neal Morse

07.03.2007 | 20:11

Stefan Kayser:
Das Zitat Martin Luthers, "Sola Scriptura" - allein die (Heilige) Schrift -, als Albumtitel sagt es schon. Deine neue Platte ist ein Konzeptalbum über den Reformator geworden. Wie bist du auf die Idee gekommen?

Neal Morse:
Ein Freund von mir - derselbe Freund, der mir vorschlug, ein Album über Moses Tabernakel zu machen, woraus das Album "?" wurde - kam letztes Jahr bei mir zuhause vorbei und schlug vor, dass ich ein Album über Luther machen solle. Und ich dachte natürlich sofort: "Ich werde kein weiteres Konzeptalbum machen, auf keinen Fall!" Aber nach einigen Monaten und einigen Gebeten dachte ich, es sei eine gute Idee. Ich erzähle nun wirklich nicht Luthers ganze Geschichte; ich konzentriere mich einfach auf die wichtigsten Ereignisse wie die Anbringung der Thesen an der Kirchentür in Wittenberg [1517], seine Rede in Worms [vor dem Reichstag 1521; SK] und einige weitere Sachen. Ich finde es faszinierend, was er getan hat. Es ist eine große Studie über Mut und die Überzeugung eines Mannes, der eine große Veränderung in die Welt gebracht hat


Stefan Kayser:
Erzählt das Album eine durchgehende Geschichte oder werden eher einzelne Erlebnisse und Gedanken Luthers behandelt?

Neal Morse:
Also Luthers eigentliche Gedanken kann ich natürlich nicht kennen, aber ich habe einige seiner Schriften gelesen und mir vorgestellt, wie es gewesen sein und welches Feuer für Gott in seinem Herzen gebrannt haben muss. Der Schwerpunkt liegt also eher auf einzelnen Erlebnissen und nicht auf seinem ganzen Leben.


Stefan Kayser:
Seit einigen Jahren hat christliche Rockmusik, der sogenannte "White Metal", starken Zulauf. Viele junge Bands gehören zu dieser Richtung. Ist das nur eine der vielen Moden, die kommen und gehen, oder ist das eine ernsthafte, langfristige Entwicklung?

Neal Morse:
Ich habe diesen Ausdruck noch nie gehört. Ich bin in mancherlei Hinsicht nicht ganz auf dem neuesten Stand. Es mag andauern oder nicht, so etwas ist schwer vorauszusagen. Die BEATLES dachten auch, sie hätten nur ein paar Jahre, und jetzt sieh dir an, wie groß sie immer noch sind.


Stefan Kayser:
Musikalisch ist "Sola Scriptura" wieder härter als seine Vorgänger ausgefallen, was den Rockfans gefallen dürfte. Wie ist es zu dieser Änderung gekommen?

Neal Morse:
Ich habe jetzt einen besseren Gitarrenverstärker. Im Ernst, das ist ein Grund, aber die Hauptsache ist, dass das Thema der Platte offenkundig nach härterem Zeug verlangte. Ich versuche immer, die Musik dem Thema und den Texten anzupassen, und das Thema der Dunkelheit und Korruption in der Kirche ist ein hartes. Außerdem half Paul Gilbert (g) in dieser Richtung.


Stefan Kayser:
Das Album besteht aus vier Titeln, darunter drei mehrsätzige, abwechslungsreiche Longtracks und ein Stück in normaler Länge. Wie hast du entschieden, ob ein Stück Musik Teil eines größeren Tracks oder ein eigenständiger Titel sein soll?

Neal Morse:
Das ist alles Instinkt, Mann. Ich lasse mich einfach von der Musik treiben und sehe zu, wohin sie sich bewegen will. Ich bete auch viel deswegen, um das richtige Maß und den richtigen Ausdruck für das zu finden, was Gott sagen will. Und dann spiele ich es Mike [Portnoy, d] und Randy [George, b] vor, und die steuern mich in die richtige Richtung, wenn ich es falsch gemacht habe.


Stefan Kayser:
Rock, Longtracks von beinahe einer halben Stunde, Mike Portnoy spielt Schlagzeug. Man denkt spontan an TRANSATLANTIC.

Neal Morse:
Nun, Prog hat eine lange Tradition. TRANSATLANTIC haben einfach das Gebiet noch ein bisschen weiter gesteckt.


Stefan Kayser:
An einigen Stellen gibt es wieder Gesangsarrangements, die an die BEATLES erinnern. Wie kommt es, dass ein Progressive-Rocker wie du auf eine Band steht, die oft als eine eher simple Teenie-Band zu ihrer Zeit bezeichnet wird?

Neal Morse:
Melodie! Ich mag den Sinn der BEATLES für Melodien. Und ich bin mit ihnen aufgewachsen. Sie sind fast so etwas wie meine musikalischen Eltern. Man kennt das, wenn man feststellt, dass man genau so klingt wie seine Eltern, ob man's mag oder nicht ... So ist das bei den BEATLES und mir.


Stefan Kayser:
Seit du SPOCK'S BEARD verlassen hast, hast du jedes Jahr eine CD veröffentlicht. Nach über zehn Jahren im Musikgeschäft verfallen andere Musiker in einen Zwei- oder Drei-Jahres-Rhythmus mit neuen Alben. Wie kommt es, dass du immer noch neue Ideen hast?

Neal Morse:
Ich weiß nicht. Einige Leute sagen, ich wiederhole mich nur. Aber natürlich überlasse ich Gott allen Ruhm und das Ansehen. Die Bibel sagt: "Jede gute und vollkommene Gabe kommt herab vom Vater des Lichts." Also danke ich Gott dafür.


Stefan Kayser:
Beobachtest du die Tätigkeiten der heutigen SPOCK'S BEARD, oder ist das nicht mehr interessant für dich?

Neal Morse:
Ja, ich bin über das, was sie tun, auf dem Laufenden und höre mir ihre neuen Platten und alles an. Wir sind immer noch Freunde.


Stefan Kayser:
Wie siehst es mit Tourplänen aus?

Neal Morse:
Ich habe nur für einen Gig in Zoetermeer in Holland am 26. Mai und im Colos-Saal in Aschaffenburg am 28. Mai zugesagt. Nicht wirklich eine Tour, aber immerhin etwas.


Stefan Kayser:
Zum Schluss eine persönliche Frage: Ich mag Livealben sehr. Welche kannst du empfehlen?

Neal Morse:
"Live" von GENESIS, "Plays Live" von PETER GABRIEL, "Live" von JAMES TAYLOR und "Don't Try This At Home" von SPOCK'S BEARD. Damit dürftest du eine Weile beschäftigt sein.


Stefan Kayser:
Danke für das Gespräch.

Neal Morse:
Alles Gute.

Redakteur:
Stefan Kayser

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