LUPERCALIA: Interview mit Riccardo Prencipe

01.01.1970 | 01:00

Alte Burgen und Bauwerke, Alchemisten auf der Suche nach dem göttlichen Menschen, der Klang heidnischen und mittelalterlichen Daseins – das ist die Stimmung der Musik von LUPERCALIA. Unter Verwendung mittelalterlicher, barocker und moderner Soundstrukturen entsteht eine tief gehende Gothic-Musik, die uns für Momente in eine andere Zeit versetzen kann. Auf dem kleinen, aber feinen portugiesischen Equilibrium-Label, das sich dem neoklassizistischen Gothic und dem Neofolk verschrieben hat, ist das neue hervorragende Album "Florilegium" der Italiener erschienen. Per Mail führte ich ein Interview mit dem Initiator der Band, Riccardo Prencipe:

Jörg:
LUPERCALIA dürfte den meisten unserer Leser noch nicht bekannt sein. Was war der Anstoß für dich, ein solches Musikprojekt zu starten?

Riccardo:
Die Band wurde 1999 als Instrumentalduo geboren, das aus mir und Pierangelo Fevola bestand. Wir hatten es uns zur Aufgabe gemacht, visuelle Symbolik in Musik zu übersetzen. Wir wollten schauspielartige Bilder des alten und volkstümlichen Daseins wieder zum Leben erwecken, nicht nur mit der Hilfe von Synthesizern und Samples, sondern auch durch den Gebrauch traditioneller Instrumente und Repliken von alten Instrumenten, die wir oft selbst bauten. Ich denke, das erlaubte uns, eine persönliche Form zu erschaffen, mit der wir gotische und barocke Musik in zeitgenössische Sprache übersetzen konnten, sowohl durch moderne als auch durch alte Instrumentation. Unser erstes Instrumentalalbum, "Soehrimnir", wurde kurz nachdem wir zusammengekommen waren, produziert, und im Jahre 2001 schloss sich Claudia Florio der Band an und wir begannen Tracks zu erschaffen, die auch ihren Sopran verwendeten. Pierangelo Fevola verließ später aufgrund musikalischer Differenzen die Band, aber wir sind noch Freunde. Wir begannen mit Gianluca Uccio, einem großartigen Violinisten, zusammenzuarbeiten und mit ihm haben wir "Florilegium" aufgenommen.

Jörg:
Der Name "Lupercalia" bezieht sich auf ein altrömisches Fest zu Ehren des Gottes Faunus. Wieso hast du diesen Namen gewählt?

Riccardo:
Die Luperkalien waren eine jährliche römische Feier, die am fünfzehnten Februar stattfand, zu Ehren des Faunus, des Gottes der Fruchtbarkeit und der Wälder. Die Feier wurde nahe der Höhle des Luperkal auf dem Palatin abgehalten,um das neue Leben im Frühling zu sühnen und zu reinigen. Wir wählten diesen Namen in der Hoffnung, dass er uns Fruchtbarkeit beim Komponieren schenken möge und auch anderen Komponisten.

Jörg:
Die Musik scheint von mittelalterlicher Kunst und mittelalterlichem Leben inspiriert zu sein. Woher kommt deine Faszination für das Mittelalter?

Riccardo:
Es gibt Dinge, die wir nicht wissen können und niemals wissen werden. Es ist dasselbe, als würde man jemanden fragen, warum er dieses besondere Gericht mag. Ich würde die Antwort gerne wissen, aber das liegt außerhalb meines Vermögens. Jeder von uns hat eine besondere Empfindung für ein besonderes Zeitalter, denke ich. Ich mache aus meiner Empfindung ein Werk und ich widme mein Leben dem Studium der Geschichte der Kunst, speziell der mittelalterlichen Kunst und Musik.

Jörg:
Claudia Flori interessiert sich für alchemistische Schriften. Was bedeutet Alchemie für dich?

Riccardo:
Sie ist ein weiterer Stützpfeiler unserer Musik. Ich glaube, dass Wissenschaft strikt mit Kunst verbunden ist, und Leute, die denken, dass das zwei verschiedene Dinge wären, machen wahrscheinlich einen großen Fehler. In der Vergangenheit waren die meisten Künstler Männer der Wissenschaft (vor allem während der Renaissance). Musik ist auch eine Wissenschaft.

Jörg:
Mit dem 'Pilgrim’s Chant' befindet sich ein altes Pilgerlied aus dem 12. Jahrhundert auf dem Album. Interessierst du dich für die religiöse Lebensart im Mittelalter?

Riccardo:
Ich befasse mich mehr mit dem ästhetischen und künstlerischen Denken, aber offensichtlich war auch die Religion eine sehr wichtige Sache (vielleicht die wichtigste Sache überhaupt) im Mittelalter. Die Tage wurden durch Glockengeläut und Gebete bestimmt - das ist sehr faszinierend. Außerdem waren gerade Mönche häufig Bildhauer und Maler.

Jörg:
Das Streicherquartett hat einen großen Einfluss auf den Klang der Musik. Wie ist es zur Zusammenarbeit gekommen?

Riccardo:
Sie sind nur Gastmusiker. Wir haben kein Geld, um das Quartett bei unseren Livekonzerten auftreten zu lassen. Aber es wäre großartig. Ich habe Musikblätter für jedes Instrument im Quartett geschrieben und sie ihnen gegeben. Sie haben dann den Rest erledigt! :)

Jörg:
Du spielst einen Dulcimer. Was für eine Art von Instrument ist das und warum benutzt du genau dieses Instrument?

Riccardo:
Der Dulcimer ist ein sehr schönes, aber auch schwieriges Instrument mit Zupfsaiten. Es hat drei Saiten (eine davon ist eine Doppelsaite) und einen diatonisch angeordneten Bund (diatonisch = Unterteilung der Oktave, wie sie der abendländischen Dur-/Molltonalität bzw. den Kirchentonarten zugrunde liegt – Anm. Jörg), so dass man nicht jede Tonart damit spielen kann. Aber es ist sehr gut geeignet, bestimmte Melodien zu erzeugen und zu spielen. Ich benutze ihn in Tracks wie 'Axe', 'Pilgrim’s Chant' and 'La Danza Del Guiscardo' (von "Soehrimnir").

Jörg:
Die Songs enthalten sehr viele Parts, so dass häufig der Eindruck entsteht, ihr würdet kleine Geschichten erzählen. Auf welche Art komponierst du deine Stücke?

Riccardo:
Ich liebe es zu komponieren, nachdem ich alte Plätze und Monumente gesehen habe, vor allem alte Städte und Burgen. Beispielsweise schrieb ich 'Formis Melara Sanctus Filix', nachdem ich drei mittelalterliche Plätze unseres Landes gesehen hatte: die Kirche von St. Angelo in Formis, die Stadt Pietra Melara und die Burg von St. Felice. Auch die Texte hängen stark mit den Plätzen zusammen.

Jörg:
Welche alten Sprachen nutzt ihr in eurer Musik?

Riccardo:
Ich schrieb Lyrics in Italienisch und übersetzte sie dann ins Lateinische, aber in Zukunft werde ich in erster Line Lyrics in Englisch und Italienisch verwenden.

Jörg:
Gibt es eigentlich auch literarische Einflüsse auf eure Musik?

Riccardo:
Natürlich! Ich bin sehr inspiriert von Dino Campana, einem der größten Dichter des 19. Jahrhunderts in Italien. Aber die Leute verstanden seine Poesie damals nicht. Wie all die großartigen Künstler wurde er erst viele Jahre später verstanden.

Jörg:
Was war eigentlich die Inspiration für das schöne Instrumentalstück 'Praga'? An welche Seite von Prag dachtest du bei diesem Stück?

Riccardo:
Ich schrieb diesen Track, nachdem ich eine schöne Geschichte über Prag im Fernsehen gesehen hatte. Ich war noch nie dort, aber ich ich hoffe, dass ich Prag so schnell wie möglich besuchen kann. Außerdem habe ich die Architektur der Prager Burg studiert, welche auch im Booklet zu sehen ist.

Jörg:
Das erste Album "Soehrimnir" hast du mit Pierangelo Fevola (Mandoline und elektronische Violine) aufgenommen. Wieso habt ihr eure Zusammenarbeit nicht fortgesetzt?

Riccardo:
Wie ich schon sagte, er verließ die Band aufgrund musikalischer Differenzen. Er ist sehr künstlerisch, ungewöhnlich und eine auf eine liebenswerte Weise verrückte Person. :) Ich hoffe, dass ich wieder mit ihm spielen kann.

Jörg:
"Soehrimnir" wurde noch bei World Serpent veröffentlicht, einem Label, das mit einigen Neofolk-Gruppen bekannt geworden ist. Ihr seid nicht gerade die einzige Gruppe, die dieses Label verlassen hat. Warst du unzufrieden mit World Serpent?

Riccardo:
Ja, ich muss sagen, das war ich. Aber ich kann auch sie verstehen, denn die Leute begreifen nicht, dass, wenn sie weiterhin Musik aus dem Internet herunterladen, sie die Musik damit töten. Das ist der Grund, warum Labels keine unbekannten Bands produzieren wollen, selbst wenn sie gute Musik spielen. Die Leute kaufen weiterhin die großen Namen, selbst wenn sie keine gute Musik mehr machen. Jene verkaufen nur noch, weil sie gute Musik in der Vergangenheit gemacht hatten!

Jörg:
Wie gestaltet ihr eure Liveauftritte? Ist es schwierig, eure Musik auf der Bühne zu arrangieren?

Riccardo:
Claudia singt, ich spiele Gitarre, Percussion und den Dulcimer, Edo Notarloberti spielt Violine und wir nutzen Hintergrundklänge für die zusätzlichen Instrumente und Klangstrukturen. Wir hätten gerne einen Percussionisten in unserer Band, aber es ist sehr schwierig auf die Art zu spielen, die wir haben wollen.

Jörg:
Bist du irgendwie mit der italienischen Gothic- oder Neofolkszene verbunden?

Riccardo:
Ich bin bekannt mit Alessandra von GOTHICA, ASHRAM, Corrado von ARGINE, ORDO EQUITUM SOLIS und natürlich mit der großartigen Band DWELLING aus Portugal.

Jörg:
Eure Musik ist sicherlich sehr ungewöhnlich. Wie stellst du dir den idealen LUPERCALIA-Hörer vor?

Riccardo:
Hehehe. Das ist die beste Frage, die mir jemals gestellt wurde. :) Neugierig und intelligent, und er sollte wissen, dass gute Musik und Kunst, um verstanden zu werden, nicht gehört werden kann, während man nebenbei irgendwelche anderen Dinge tut. (Sehr richtig!!! – Anm. Jörg)

Jörg:
Wirst du auch das nächste Album mit Claudia zusammen aufnehmen?

Riccardo:
LUPERCALIA ist jetzt ein Duo, bestehend aus mir und ihr, natürlich werden wir weiter zusammenarbeiten!

Jörg:
Danke für das Interview!

Redakteur:
Jörg Scholz

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