KJU: Interview mit Tobi und Dom

29.06.2010 | 08:46

KJU: haben mit "Neon Lights Carve Shadows" ein starkes, leicht melancholisches Rock-Album mit Punk-Appeal aufgenommen. Grund genug, um sich mit Sänger Tobias und Gitarrist Dom in einem Berliner Café zu einem gemütlichen Plausch mit hintergründigem Jazz und einem pfeifenden Kellner zu treffen.

Dass es überhaupt noch einmal ein KJU:-Album geben würde, war nach dem letzten Werk "Setting Sun" gar nicht sicher. "Nach "Setting Sun" ist einfach viel Bewegung in unsere Leben gekommen", eröffnet Tobi. "Ich selbst bin nach Hamburg gezogen, Peter ist nach Berlin gegangen, unser Live-Gitarrist ist nach Australien ausgewandert und da fehlte dann einfach so ein bisschen das Gerüst. Und unter diesen Umständen hatten wir keine große Lust weiterzumachen. Also haben wir uns zusammengesetzt und überlegt, dass wir nur wieder in einer festen Besetzung weitermachen würden. Dom war dabei dann irgendwie der einzige, der uns einfiel, den wir in der Band haben wollten. Da es uns halt sehr wichtig ist, dass wir nicht nur professionell Musik machen, sondern vor allem uns auch einfach gut verstehen. Und dann haben wir Dom gefragt und er hat dann nach einer kurzen Bedenkzeit mit dem Kopf genickt." Dennoch erschwert diese Dezentralisierung der Band natürlich etwas den Aufnahmeprozess. "Ja, das ist schon richtig. Peter, unser Schlagzeuger, hat zum Beispiel seine Parts hier in Berlin aufgenommen, während wir anderen teilweise in Hannover und Hamburg aufgenommen haben. Ich selbst war dann vor einem halben Jahr mit meinen Vocals als letzter dran und habe mich danach erst mal ins Flugzeug gesetzt und eine Weltreise gemacht.", lacht Tobi. Was nicht heißt, dass deshalb das Album wesentlich später erschienen ist. "Nein, es gab ja immer noch eine Menge zu tun. Der Mix und das Mastering musste gemacht werden, ein paar Gitarren-Overdubs, Bläser sind an einigen Stellen dazu gekommen, wir haben für das Artwork einen Aufruf gestartet; bis wir das fertige Produkt in der Hand hatten, war es März und die Veröffentlichung war dann aufgrund der Promotion Ende Mai."

Die angesprochenen Bläser haben sich leider ziemlich versteckt, wie ich auch in meiner Rezension etwas bemängelt habe. "Ja, das liegt in erster Linie am Mix. Wir haben schon ziemlich früh unseren Produzenten Alex Sickel, den wir auch schon sehr lange kennen, mit ins Boot geholt. Und seine Idee war halt ein sehr ausgewogener, sehr detaillierter Mix. Und für uns als Band haben wir entschieden, dass wir Alex dann auch nicht die ganze Zeit reinreden, sondern ihn machen lassen wollen. Es gibt ja für einen Kreativen kaum etwas Schlimmeres als Kunden, die die ganze Zeit alles besser wissen wollen. Dann hätten wir es ja auch selbst produzieren können. Aber ich möchte es auch gar nicht auf ihn abwälzen, denn wir sind mit dem Resultat sehr zufrieden, zumal es die Platte auch durchaus spannend macht, weil man halt beim zehnten Hören auf einmal noch Bläser entdecken kann. Aber ich kann schon verstehen, wenn man das als wenig mutig empfindet." klärt Tobi auf. "Ich persönlich würde mir just diese Stelle in 'Good Friends Get To Drink Together' auch mehr im Vordergrund wünschen", steigt Gitarrist Dom ins Gespräch ein. "Denn es ist schon ein Farbtupfer, der noch mal für Aufmerksamkeit sorgt, so etwas ganz anderes. Und als die Jungs, die da Saxophon und Trompete eingespielt haben, den Song zum ersten Mal hörten, meinten sie auch, dass der Song auch ohne die Bläser funktionieren würde, was definitiv auch stimmt." Allerdings ist dieser Part auch der Einzige, den man an der Produktion und am Mix im Speziellen kritisieren kann, denn ansonsten überzeugt der warme, organische Sound auf ganzer Linie.


Das gilt im Grunde auch für das Album, das angenehm dynamisch ist. "Ja, das war uns auch sehr wichtig. Wir haben auch noch nie so sehr für ein Album Songs geschrieben. Wir haben diesmal nicht 20 Songs fertig gehabt und dann aussortiert, sondern stattdessen Songs geschrieben und immer wenn wir gemerkt haben, dass er nicht in den Albumkontext passt, wieder rausgeschmissen. So war 'Brother, Sister' einer der letzten Songs, die wir für das Album geschrieben haben, weil wir gemerkt haben, dass an der Stelle einfach noch mal ein eher härterer, schnellerer Song kommen muss, um auch noch mal Flagge zu zeigen." erzählt Tobi. Ein Unternehmen, dass durchaus gelungen ist. Überhaupt ist es die Diversität von KJU:, die die Jungs spannend machen. Denn eine Stilbeschreibung, die über den Begriff "Rock" hinausgeht, ist tendenziell eher schwierig. "Es ist schön, dass du das auch so siehst." beginnt Tobi. "Aber es ist schon so, dass es für viele Leute auch schwierig ist, damit umzugehen. viele Kritiker werfen uns Unentschlossenheit vor, weil wir nicht stur einen bestimmten Stil spielen. Sie können uns halt nicht einfach mit zwei, drei Bands vergleichen und in eine Schublade packen. Aber es ist natürlich auch Fluch und Segen für uns, denn wir haben dadurch auch echte künstlerische Freiheit und können genau die Musik machen, die wir machen wollen."

Dass die Zeit für den großen Durchbruch abgelaufen ist, ist den Jungs auch klar. Entsprechend verschoben haben sich die Ambitionen. "Ja, echte Ambitionen in punkto Erfolg haben wir wirklich nicht mehr", stimmt Tobi zu. "Wir sind halt eher in anderem Sinne ambitioniert, weil wir wirklich bei jedem Zusammenkommen Spaß haben wollen und uns über eine gute Zeit freuen. Wir spielen auch nicht mehr so viel live, sondern nur ausgewählte Gigs." Falls aus irgendwelchen Gründen nun doch eine große Erfolgswelle einsetzen würden, wäre die Versuchung schon immer noch groß. "Ich vergleiche das ja immer mit einem Junkie", erzählt Dom. "Wenn jetzt etwas passieren würde und das Album durch die Decke ginge, würde es schon in den Fingern jucken, es noch mal richtig zu versuchen.", gibt Dom zu. "Aber es ist natürlich eine so hypothetische Frage, dass man da getrost "Ja" sagen kann.", lacht er. "Für den Erfolg muss man eben auch in Vorleistung gehen", ergänzt Tobi. "Es ist ja nicht so, dass einem der Erfolg einfach so zufliegt, sondern man muss dafür richtig hart arbeiten und wieder Klinken putzen und in jedem JuZe spielen, damit man vielleicht die Chance hat, entdeckt zu werden. Aber diesen Anspruch haben wir halt nicht mehr, sondern wollen eben Spaß zusammen haben und seitdem es so ist, macht es auch mit der Band auch viel, viel mehr Spaß, weil man diesen persönlichen, unbewussten Druck nicht mehr hat."


Lyrisch geht es auf "Neon Lights Carve Shadows" um das Leben in der Großstadt, wobei hier keine Stadt im Mittelpunkt steht. "Auch wenn die Inspiration durch meinen Umzug nach Hamburg kam, ist es nicht so, dass es ein Album über Hamburg ist", erklärt Tobi. "Es ist also kein 'Landungsbrücken raus' oder 'Auf der Reeperbahn nachts um halb eins', sondern es geht eher so um das urbane Leben, mit all seinen Vor- und Nachteilen wie man es aus jeder Großstadt kennt. Dass der Umzug da so inspirativ war, lag zum einen daran, dass man viel bewusster durch die neue Stadt geht als durch die alte und zudem einfach dieser wahnsinnige Unterschied vom ruhigen, fast langweiligen Hannover zum Leben im Kiez von St. Pauli. Aber die Texte sind bewusst so gehalten, dass man sie auf jede Großstadt beziehen kann."

Optisch untermauert wird das Konzept von vielen Fotos, die Großstädte bei Nacht zeigen. Dazu hatten KJU: einen Aufruf an die Fans gestartet, Bilder einzusenden und diese wurden dann für das Booklet verwendet. "Ja, da musste ich diesmal gar nicht viel für das Artwork tun.", lacht Tobi, der für das Artwork zuständig ist. "Wir mussten lediglich die vielen Bilder zusammensetzen und das war es dann auch schon."

Redakteur:
Peter Kubaschk

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