Im Rückspiegel: IN FLAMES - "Soundtrack To Your Escape" - "Foregone"

13.02.2023 | 22:03

Wilkommen zum zweiten Teil unseres IN FLAMES-Rückspiegels, in dem wir uns dem Wirken ab dem Jahr 2004 zuwenden und natürlich auch auf das aktuelle 14. Studioalbum "Foregone" eingehen. Los geht es aber erst einmal auf dem frühen Karriere-Zenit, wo Anders Fridén und Co. 2004 vor der Frage standen, wie es nach "Reroute To Remain" weitergehen sollte:

Soundtrack To Your Escape (2004)

Zwei Jahre später standen Anders Fridén und Co. nun vor dem Problem, dem erfolgreichen "Reroute To Remain" einen Nachfolger zur Seite zu stellen. Eine nicht ganz einfacher Aufgabe, für die sich der Fünfer ein Haus anmietete und unter teils etwas kuriosen Bedingungen (im Kleiderschrank oder etwa im Badezimmer) die einzelnen Instrumente aufnahm. Geschadet hat das dem Sound des 2004 erschienenen "Soundtrack To Your Escape" definitiv nicht, dennoch ist die Platte in Fankreisen bis heute höchst umstritten, auch weil sich IN FLAMES weiterhin konsequent vom ursprünglichen Melodic Death Metal der ersten Alben entfernte. Mein Blick ist - das muss ich direkt vorweg schicken - sicher auch romantisch verklärt, denn schon vor Release verfolgte ich die "Studio Diaries", stürmte am Tag der Veröffentlichung in den Laden und hörte die Scheibe anschließend für mehrere Wochen auf Dauerrotation. Es war eben das erste IN FLAMES-Album, das ich als Fan der Band komplett miterlebte und so etwas bleibt eben doch immer hängen. Und hat man sich an den "modernen" Sound der Schweden gewöhnt, sind Nummern wie 'F(r)iend', 'Dead Alone', 'My Sweet Shadow' oder 'Dial 595 - Escape' perfektes Futter, das Eingängigkeit mit einer harten Metal-Kante verbindet. Ein weiterer meiner Lieblinge ist das höchst ungewöhnliche 'Touch Of Red' mit seinem extrem eingängigen Refrain, während die "Ballade" 'Evil In A Closet' eine ganz neue und extrem verletzliche Seite von IN FLAMES präsentiert. Und natürlich hat die Scheibe ähnlich wie der direkte Vorgänger mit 'The Quiet Place' wieder einen absoluten Hit im Gepäck, der einem dank coolem Synthesizer-Einsatz und einer tollen Lead-Gitarre nicht mehr aus dem Kopf gehen will und zu Recht ein Fan-Favorit geworden ist. Einzig das Artwork, das wohl einen Lautsprecher über einem Feld zeigen soll, ist wirklich nichtssagend und hat nichts mehr mit den fein ausgearbeiteten und wunderschönen Covern der Frühphase gemeinsam. Nun, einige böse Zungen würden wohl sagen: "Genauso nichtssagend wie die Musik." Ich bleibe aber dabei, mag man IN FLAMES in den frühen Zweitausendern, dann ist "Soundtrack To Your Escape" ein großartiges Album mit vielen starken Songs.

[Tobias Dahs]

Come Clarity (2006)

Einstiegsalben haben immer etwas Romantisches, an das man sich gerne erinnert. Selten entdeckt man eine Band beim Debütalbum und kann das ganze Schaffen verfolgen und so ist die Begeisterung vom Status Quo der Band geprägt. Ob sich eine Band dann den Weg ins eigene musikalische Herz bahnen kann, hängt dann von den Vorgängeralben ab. Umso besser, wenn das aktuelle Werk - das Entdeckungswerk - genau den musikalischen Geschmack trifft. So war es bei mir, als 2007 IN FLAMES an meinem musikalischen Horizont auftauchte und mit "Come Clarity", das bereits am 3. Februar 2006 erschienen ist, ein modernes Melodeath-Album im Gepäck hatte. Zugegeben: Damals habe ich das Artwork nicht verstanden. Ich habe dort meistens eine fiktive Kreatur gesehen, wie es sie im PC-Spiel Morrowind (dem Vor-Vorgänger von Skyrim) als Reittiere gab. Tatsächlich zeigt es eine Person, die sich das Herz herausgerissen hat und es nun mit vorgebeugtem Kopf nach vorne hält - bunt gezeichnet vor weißem Hintergrund. Fantastisch! Fantastisch sind auch die Tracks auf "Come Clarity". Mit 'Take This Life' geht es unnachahmlich los. Ein Song, bei dem man die Basssaiten klicken hört, der ordentlich Tempo hat und dabei geschickt Synthies einbindet. Bis heute mein absoluter Lieblingstrack der Band. Doch das folgende 'Leeches' (zu deutsch: Blutegel) braucht sich dahinter keinesfalls zu verstecken. Beide Songs schafften es in die jüngste Setlist von IN FLAMES. Der nächste Hinhörer ist 'Dead End', bei dem der weibliche Klargesang der schwedischen Popsängern Lisa Miskovsky das notwendige Drama beisteuert und dem Sound sehr gut zu Gesicht steht. Anschließend darf mit 'Scream' ordentlich losgebrüllt werden und das Album erreicht den eigenen Höhepunkt auf der Brutalitätsskala. Danach leider mein persönlicher Downer mit der titelgebenden Ballade 'Come Clarity'. Die Stimme des IN FLAMES-Vocalisten Anders Fridén passt für mich absolut nicht auf diesen Song. Außerdem vergieße ich ein kleines Tränchen, weil dieser Song doch noch vor dem später folgenden 'Crawl Through Knives' das Rennen um den Titeltrack gemacht hat. Nicht nur wäre dies ohnehin der griffigere Albumtitel gewesen, er hätte ebenso wesentlich besser zu eingangs erwähntem Artwork gepasst.

[Pia-Kim Schaper]

A Sense Of Purpose (2008)

Das letzte Album mit Gründungsmitglied Jesper Strömblad kommt ebenso mit einem grandiosen Artwork daher, das sich im Booklet weiter fortsetzt: Wir verfolgen einen Fliegenmenschen durch ein Labyrinth, in dem allerlei seltsame Gestalten warten. Dabei bewegt er sich streckenweise auf einer Art Skateboard fort, was mich sofort an die Einstiegsmelodie von 'I Am The Highway' denken lässt. Insgesamt ist "A Sense Of Purpose" melancholischer als der Vorgänger. In 'The Mirror's Truth' macht IN FLAMES zu Beginn auf die Erderwärmung aufmerksam. Ein Thema, das Anders Fridén offensichtlich näher beschäftigt, denn schon auf "Whoracle" und nun auf "Foregone" stellt er sich u.a. der Frage, ob die Menschheit dabei ist, sich ihr eigenes Grab zu schaufeln. Insgesamt widmet sich "A Sense Of Purpose" jedoch inhaltlich mehr der menschlichen Psyche. Lange war 'Alias' mein Favorit der Platte - der Track behandelt das Abspalten eines Teils der eigenen Persönlichkeit und bietet musikalisch einen dramatischen Spannungsbogen. Weitere herausragende Tracks sind für mich 'Delight And Angers', das ebenfalls dramatische 'Move Through Me' sowie die beiden designierend wirkenden 'Sober And Irrelevant' und 'March To The Shore'. Großartig! Anders als noch auf "Come Clarity" hat es mir auf "A Sense Of Purpose" die Ballade 'The Chosen Pessimist' angetan. Der Track kommt mit einer Überlänge von 8:14 Minuten daher, dennoch wurde er damals live gespielt. Wunderschön ruhig baut er sich mit einem simplen Gitarrenriff auf, das mit Samples ergänzt wird und zu dem sich die zweite Gitarre sowie dann die Vocals gesellen, bis ab Minute 4:25 der Bombast langsam erhöht wird und sich nach einer weiteren halben Minute entlädt. Hier passen Anders Fridéns Vocals für mich wie die Faust aufs Auge. Zum Ende hin gibt es orchestrale Sounds, kurzes Keifen und einen Ausklang, für den sich die Band mehr als eine Minute Zeit lässt. Ich kann nicht sagen, wie viele Male der Track bei mir auf Repeat lief.

[Pia-Kim Schaper]

Sounds Of A Playground Fading (2011)

Drei Jahre nach "A Sense Of Purpose" steht für IN FLAMES ein entscheidendes Album an, denn nach dem Vorgänger musste Jesper Strömblad die Band aus gesundheitlichen Gründen verlassen. Was als temporäre Auszeit begann, endet schließlich mit Jespers endgültigem Austritt im Februar 2010. Auf Tour wurde er in der Folge vom ebenfalls aus Göteborg stammenden Kollegen Niclas Engelin vertreten, dennoch wurde "Sounds Of A Playground Fading" als Quartett und mit Björn Gelotte als einzigem Gitarristen eingespielt. Eine gute Entscheidung? Meiner Meinung nach nicht, denn das Fehlen des Gründungsmitglieds und seines typischen Gespürs für Melodien macht sich überall in den 13 Kompositionen der Scheibe bemerkbar. Das sollte natürlich nicht heißen, dass das Songwriting-Duo aus Anders Fridén und Björn Gelotte nicht auch Hits aus dem Ärmel schütteln kann, denn 'Deliver Us' ist ein großartiger Song im Stile von Vorgängern wie 'The Quiet Place' oder 'The Mirror's Truth', den ich persönlich auch heute noch gerne auflege. Daneben können aber nur der Titeltrack, 'Where The Dead Ships Dwell' und das alternativ angehauchte 'Ropes' so richtig überzeugen. Abseits davon präsentiert die Scheibe aber eher eine Band, die sich nach dem Verlust einer zentralen Figur erst einmal wieder sortieren muss und noch nicht so recht weiß, wohin der Weg in der Zukunft führen soll. So experimentiert Anders in vielen Songs mit deutlich mehr Klargesang und auch die elektronischen Einschübe finden vermehrt einen Platz im IN FLAMES-Sound, während gerade die Gitarrenarbeit immerhin zeitweise die Härte vergangener Platten aufblitzen lässt. Das Problem ist nur, dass bei aller Experimentierfreude zu wenig Melodien und Riffs wirklich hängen bleiben, weshalb vor allem das hintere Drittel der Spielzeit praktisch nur aus Füllmaterial besteht. Immerhin ist das Artwork mit dem skelettierten Raben extrem schön ausgefallen und ist seither zu einem ikonischen Bild geworden, das sich auf vielen Shirts und Promomaterial der Band wiedergefunden hat. Abgesehen davon ist der Silberling aus dem Jahr 2011 in meinen Ohren aber vielleicht die schwächste Veröffentlichung in der 33-jährigen Karriere der Schweden.

[Tobias Dahs]

Siren Charms (2014)

Ja, "Siren Charms" ist der zweite Bruch im Schaffen der Schweden. Schon einmal hatte man sich runderneuert und wie beim ersten Schwenk ist auch diesmal die Veränderung absolut positiv und macht die Band... ja, in vieler Hinsicht besser. Dabei hatte die Band zuerst einmal einen Rückschlag zu verkraften, denn Bandgründer Jesper Strömblad ging vor "Siren Charms" wegen gesundheitlicher Probleme von Bord. Er wurde durch Niclas Engelin ersetzt, der zuvor in verschiedenen Bands gespielt und mit diesen einige Alben veröffentlicht hatte. Auf das Songwriting hatte das allerdings keinen Einfluss, weiterhin war das Duo aus Björn Gelotte für die Musik und Anders Fridén für die Texte verantwortlich. So gesehen ist die neue Ausrichtung eine natürliche Entwicklung der Musiker. Doch was ist eigentlich diese neue Ausrichtung? Es ist eigentlich einfach zu umschreiben: der zunehmende Schritt vom Heavy Metal in den Alternative Metal oder sogar Alternative Rock. Dass das gut ist, beweisen der umwerfende Opener 'In Plain View' und der Hit 'Through Oblivion', der in meiner Meinung immerhin zeitweise 'Crawl Through Knives' als besten IN FLAMES-Song ablöste. Anders zeigt immer mehr, was für eine gute Gesangsstimme er hat, die er seit dem ersten Bruch mehr als ein Jahrzehnt zuvor zunehmend eingesetzt hat. Ich weiß, es wird Stimmen geben, die der Meinung Ausdruck geben werden, dass es eigentlich ein schleichender Prozess der Reife war, der den Weg von "Clayman" zu "Siren Charms" beschreibt, aber für mich war das 2014er Album der Augenöffner. Die Tür war 2002 einen Spalt weit geöffnet worden, nun aber hat die Band sie vollständig durchschritten und hinter sich zugeschlagen; ein Schritt, zu dem man zur Zeit des eher mäßigen Vorgängers wohl nicht den Mut hatte. Die subtilen elektronischen Sounds und die unaufgeregten, emotionalen Riffs gepaart mit dem feinfühligen Gesang fügen IN FLAMES nicht nur Facetten hinzu, sondern geben der Musik ein neues, anderes Gesicht, das ihr blendend steht und erstmals so dominant und geballt anders wirkt. Deswegen fühlt sich "Siren Charms" an wie der besagte Stilwechsel. Tatsächlich gibt es auch noch den typischen IN FLAMES-Sound, den zweiten meine ich natürlich, zum Beispiel in 'When The World Explodes', das auch auf "Soundtrack To Your Escape" oder "Come Clarity" hätten stehen können. Nur fallen diese Sounds auf dem elften Album sehr auf, leider aber eher negativ. So sehr, dass 'Everything's Gone' sogar ein langweiliges Stück Groove Metal geworden ist, das den zweiten Platz in der Trackliste wirklich nicht verdient hat. Aber 'Paralyzed' und 'With Eyes Wide Open' machen den Ausrutscher vergessen und auch alle weiteren Songs haben geradezu großartige Melodien. Wie es scheint, haben sich die Musiker vom Metal entfernt, dabei aber wohl einfach das kreativ einengende Korsett abgeworfen und vermischen nun härtere Töne mit Melodie und schaffen dabei ihr IN FLAMES 3.0, wofür das späte 'Monsters In The Ballroom' ein gutes Beispiel ist, denn das Lied ist so metallisch, wie es benötigt wird, gleichzeitig so gefühlvoll wie möglich und löst die entstehende Spannung in einem tollen Refrain auf. So schafften es die Göteborger, aus dem kleinen Inspirationstal des Vorgängers gestärkt hervorzugehen. Nicht alles auf "Siren Charms" ist perfekt, ach was, nicht einmal ist alles großartig, sobald die Überraschung und Freude über die Neuerungen über die Jahre verflogen sind. Warum? Der Grund wird sich in den Jahren 2016 und 2019 offenbaren. Aber 'In Plain View', 'Paralyzed', 'With Eyes Wide Open', 'Through Oblivion', 'Siren Charms' und 'Monsters In The Ballroom' sind Highlights im Schaffen von IN FLAMES und gleichzeitig ein beherzter Schritt zu neuen Höhen.

[Frank Jaeger]

Battles (2016)

Aufgrund der starken "Come Clarity"-Veröffentlichung hatte ich das 2004er Album "Soundtrack To Your Escape" als einmaligen Schwachpunkt ausgemacht und musste dann feststellen, dass alle Alben nach 2006 mich auch nicht mehr wirklich begeistern konnten. Klar hatten die einzelnen Scheiben partiell gute Tracks ('Deliver Us', 'Alias', 'Rusted Nail'), aber über die komplette Laufzeit konnte mich das Songmaterial nicht mehr mitreißen und irgendwie klang vieles so angestrengt bemüht. Als würde IN FLAMES gerne Alternative Metal machen, möchte es aber den Fans nicht zumuten und hängt somit in der Luft. Doch dann kam "Battles". Nicht falsch verstehen, auch das Werk von 2016 ist alles andere als herausragend, aber es ist verdammt nochmal gut und ich verstehe endlich wieder was die Band möchte. Wie auf den letzten Werken ist der ursprüngliche Melodic-Death-Metal-Sound weit in den Hintergrund getreten und macht Platz für ihre individuelle Interpretation von Modern Metal. Bereits der Albumopener 'Drained' ist ein beeindruckender Hit mit einem wunderbar leidenden Anders Friden. Stark, aber halt 0,0% (Melodic-) Death Metal. Überhaupt ist der Sänger bei dieser Veröffentlichung in Bestform und liefert insbesondere in den Cleanpassagen die bisher beste Leistung seiner Karriere ab. Und grade diese Gesangsperformance und die immer noch eindeutig identifizierbaren Gitarrenharmonien (verstecken sie sich auch noch so gut) retten dann viele Tracks vor der genretypischen Durchschnittsfalle. Es steht außer Frage, dass für Fans der Frühphase die (Neu-)Ausrichtung von IN FLAMES schon eine heftige Ansage ist, aber rein objektiv betrachtet, sollte man erkennen, dass es 'The Truth' ist‚ dass Songs wie 'In My Room' oder auch 'Like Sand' deutlich besser geschrieben und vor allem umgesetzt wurden als es den Jungs in den 1990ern möglich gewesen wäre. Diese stilistische Wandlung birgt aber auch die Gefahr, dass in den meisten Songs musikalisch nicht mehr so viel passiert und es hauptsächlich darauf ankommt den Refrain effektiv einzuleiten. Aber solange die Refrains die Güteklasse von "Battles" haben und das gesamte Album, trotz der Tatsache, dass es etwas zu lang geraten ist, so herrlich düster-melancholisch homogen klingt, die Lyrics überdurchschnittlich gelungen sind und die Gitarren immer noch zu jeder Sekunde den Bandcharme atmen, bin ich mit dieser Entwicklung komplett d'accord. Luft für experimentellere Nummern, wie das starke 'Wallflower', gibt es ja trotzdem noch. Und mal Hand aufs Herz – ich höre lieber so ein gutes, ehrliches Modern-Metal-Album als den gescheiterten, x-ten Versuch mancher Bands den vergangenen Großtaten nachzueifern.

[Stefan Rosenthal]

I, The Mask (2019)

Kommen wir nun zum letzten Album der Retrospektive, bevor unser Kollege Tobias mit dem aktuellen Langeisen "Foregone" den Sack zu macht. Und auch diesmal wurde das Personalkarussell wieder ordentlich angekurbelt. Zum einen ist es das erste Album ohne die seit 1997 bestehende Konstante am Bass Peter Iwers, welcher durch Bryce Paul ersetzt wurde und zum anderen der letzte Release, zu dem Niclas Engelin noch einen entsprechenden Beitrag zusteuert. Ebenfalls leistet sich IN FLAMES den Luxus zwei Schlagzeuger zu beschäftigen, wobei Joe Rickard eigentlich das gesamte Album eingespielt hat und Tanner Wayne sich nur auf '(This Is Our) House' verewigen durfte. Einen süffisanten Kommentar zur Aufteilung erspare ich mir jetzt. Doch wie klingt das etwas ungewöhnlich betitelte dreizehnte Studioalbum der Schweden nun? Im Endeffekt ist es tatsächlich die konsequente und logische Weiterentwicklung von "Battles". Damit könnte man den Rückblick auch schon beenden, da alle Kritiker und Fans dieser Bandperiode wissen, welche Rückschlüsse sie nun für sich ziehen mögen. Hier regiert Alternative Metal der modernen Ausprägung, welcher hin und wieder mal Schlenker zum New Metal der 2000er wagt, die Frühphase des Metalcore referenziert oder doch mal guckt, wie es dem Melodic-Death-Metal-Enkel denn so geht, von dem man schon Jahre nix mehr richtiges gehört hat. Es gibt bestimmt einige da draußen, die sich wünschen, dass der Titeltrack und das rhythmisch herausragende 'I Am Above' zumindest einen kleinen Indikator auf die zukünftige Bandausrichtung geben mögen. Das Schwergewicht bilden jedoch weiterhin Songs, welche ganz offensichtlich größere kommerzielle Ambitionen hegen und sich im Bereich poppiger Eingängigkeit noch stärker ausgearbeitet präsentieren als auf dem guten Vorgänger. Ausnahme ist sicherlich der oben erwähnte P.O.D.-Unfall '(This Is Our) House', der nur damit zu erklären ist, dass der "Erfolg" von 'The End' und 'The Truth' Herrn Howard Benson (ausführender Produzent) zu Kopf gestiegen ist und er an dem Aufnahmetag allein im Studio war. Eine ganz schlimme Nummer und der wahrscheinlich schlechteste IN FLAMES-Moment in der langen Karriere. Aber es ist mir wichtig, herauszustellen, dass es nur meine persönliche Einschätzung ist und ich hier niemanden angehen möchte, für den dieser Song mehr bedeutet, als es aus den Grundzutaten offensichtlich ist. Also, Fans von '(This Is Our) House', meldet euch bei uns und brecht eine Lanze für diesen Song. Warum ich das so explizit erwähne? Weil auf diesem Album zusammen mit 'Resin' und 'Swim' mein Lieblingssong von IN FLAMES steht und sich dieser objektiv eben auch nicht durch musikalische Genialität hervortut. Ich rede von der Abschlussnummer und Halbballade 'Stay With Me'. Ende Januar 2019 ist mein Vater viel zu früh an seinem Krebsleiden verstorben und ich verbinde mit diesem Song, seiner Dramaturgie, seinem Aufbau und seinen Lyrics unendlich viel. Dieser Song war ein Begleiter in einer unfassbar düsteren Zeit für mich und ein Motor, wenn es um meine Trauerverarbeitung und den Blick nach vorne ging. In diesem Moment ist Musik deutlich mehr als die Summe ihrer Teile und hebt dieses Album für mich in eine ganz besondere Position. Danke IN FLAMES.

[Stefan Rosenthal]

Foregone (2023)

Nach einer langen Reise durch die Vergangenheit unserer Melodic-Death-Helden sind wir nun in der Gegenwart angekommen und damit beim neuen Langspieler "Foregone", der uns überhaupt erst den Anlass gab, diesen kleinen Rückblick zu verfassen. Und was für ein guter Anlass das ist, denn für mich persönlich haben wir es mit der stärksten Platte seit "Come Clarity" zu tun. Doch fangen wir erst einmal bei den Aufnahmen zur Platte an, die nämlich den Einstand von Gitarren-Hexer Chris Broderick markierten, der nach "I, The Mask" Niclas Engelin erst auf der Bühnen und nun auch als festes Bandmitglied ersetzte. Gerade die Soli auf "Foregone" profitieren von dieser Änderung, denn mit seinen Fähigkeiten, die bereits bei Acts wie MEGADETH oder NEVERMORE auf die Probe gestellt wurden, verpasst der Amerikaner den Soli eine feurige Frischzellenkur. Beispiel gefällig? Hört euch doch nur einmal seine Meisterleistung in 'Meet Your Maker' an. Das Date mit dem Schöpfer ist ein gutes Schlagwort, markiert die Nummer doch gemeinsam mit 'State Of Slow Decay' und 'The Great Deceiver' einen von drei hell strahlenden Höhepunkten auf "Foregone", die ihr als Fans der Schweden unbedingt antesten solltet. So zwingend und Hit-verdächtig hat der Fünfer seit 'Take This Life' oder 'I Am The Highway' nicht mehr geklungen und allein diese drei Nummern rechtfertigen in meinen Ohren schon die Anschaffung der Platte. Doch auch abseits davon ist das 14. Album der Bandgeschichte eine Ohrenweide, die in perfekter Weise die eigene Vergangenheit mit den moderneren Elementen der letzten drei Scheiben verbindet. Die beinharten Anhänger des Frühwerks werden zwar sicher noch immer meckern, dass wir es hier mit keinem neuen "Colony" oder "Whoracle" zu tun haben, doch solltet ihr in den frühen Zweitausendern zu IN FLAMES gefunden haben, dann verspreche ich euch, dass ihr mit "Foregone" sehr glücklich werdet! Falls ihr detaillierter in die Bewertung der Scheibe einsteigen wollt, dann könnt ihr hier meine vollständige Besprechung nachlesen. Das Fazit aus selbiger möchte ich hier aber noch einmal wiederholen: Welcome back, Jesterheads!

[Tobias Dahs]

Und das sind doch schöne Worte zum Abschluss dieser Zeitreise durch den Backkatalog der Schweden. Hätten wir selbige noch vor ein paar Jahren unternommen, wäre das Fazit vielleicht deprimierender ausgefallen, doch so schauen wir, denke ich, in eine rosige Zukunft, die zumindest große Teile der Fanbasis wieder glücklich machen wird. Solltet ihr hören wollen, was Pia und Tobias im Detail von den einzelnen Scheiben halten, darf ich euch auch noch unsere Podcast-Folge zum Diskografie-Rückblick ans Herz legen. Und wenn ihr mehr zu Entstehung von "Foregone" hören wollt, hat Pia ein Interview mit Anders Fridén für euch geführt.

Redakteur:
Tobias Dahs

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