HEATHEN FORAY: Interview mit Bandgründer Jürgen Brüder

03.04.2023 | 21:37

Die Band habe ich 2010 mit ihrem "Armored Bards"-Album kennengelernt. Seitdem sind sowohl bei mir als auch bei HEATHEN FORAY viele Jahre vergangen, doch habe ich die Jungs immer im Auge behalten. Nun stehen sie mit dem neuen Album "Oathbreaker" vor der Tür und ich sprach mit Jürgen Brüder, Gründer und Gitarrist der Jungs, weshalb er bei der Entstehung der Songs die eine oder andere Träne vergießen musste, dies dennoch ein rundum lebensbejahendes Album ist und was die neue Platte mit unseren Ahnen zu tun hat. Ein hochinteressantes Interview, wie ich finde, das wir euch natürlich nicht vorenthalten möchten.

Hallo Jürgen. Wie geht es dir? Wie ist die Stimmung bei HEATHEN FORAY?

Wir sind voller Aufregung und Vorfreude auf die Veröffentlichung des neuen Albums. Wir hatten das Album seit Juni 2022 fertig und mussten uns nun einige Monate gedulden, bis wir endlich darüber sprechen dürfen. Da staut sich einiges auf. Wir sind sehr froh, unser neuestes Werk endlich mit den Fans teilen zu dürfen. Die ersten Singles sind auch schon veröffentlicht. Das Feedback war durchwegs großartig! Die Stimmung ist also dementsprechend gut im Hause HEATHEN FORAY.

Seit "Weltenwandel" sind fast genau drei Jahre ins Land gezogen. Hättest du es damals für möglich gehalten, dass sich euer Albumtitel nur kurze Zeit später bewahrheiten würde?

Hätten wir gewusst, dass sich zwei Wochen nach der Veröffentlichung von "Weltenwandel" die Welt so verändern würde, hätten wir das Album wohl "Alles bleibt wie es ist" genannt. Für alle, die jetzt auf dem Schlauch stehen: Unser letztes Album "Weltenwandel" kam am 21. Februar 2020 raus. Kurz danach hat die Pandemie uns dann alle eingeholt, Tour-Absagen etc.

Was ist in diesen drei Jahren bei HEATHEN FORAY passiert? Magst du mir ein kleines Update über die vergangenen drei Jahre geben?

An der Live-Front, wie erwähnt, leider nicht viel. Wir konnten zwischen den Lockdowns immer wieder einzelne Shows einschieben, aber eine größere Tour gab es für uns in diesen drei Jahren leider nicht. Dafür waren wir im Studio sehr aktiv. Wir haben in der Zeit zwei Cover-Songs veröffentlicht und haben natürlich am neuen Album "Oathbreaker" gearbeitet.

Mit "Oathbreaker" steht Anfang April euer neues Album an. Steckt ein spezielles Konzept oder ein konzeptioneller roter Faden hinter dem Album? Mit welcher Zielsetzung seid ihr an die Arbeiten herangetreten?

Das Ziel war es, nach einem eher düstereren Album, wieder etwas zu machen, das wieder "folkiger" klingt. Lyrisch wollten wir erforschen, was einen "modernen Heiden" eigentlich ausmacht. Wir wollten eine klare Abgrenzung zu vielen anderen Pagan-Bands, die sich hauptsächlich als große LARP-Shows verstehen. Wir wollten wissen: Wie würde man heutzutage als naturverbundener Heide agieren? Vieles davon spiegelt unseren eigenen Lebensstil wider. Der Großteil der Band isst kein Fleisch mehr. Die anderen weit weniger als früher. Wir stecken viele Gedanken in ein nachhaltigeres Leben. Wir haben auch unsere letzten T-Shirt-Serien nur mehr auf "Earth Positive"-Rohlingen drucken lassen... Das spielt dann beim Schreiben der Lyrics natürlich auch mit. Aber die wichtigste Formel für uns ist immer: Bleiben die Songs im Ohr? Wenn ein Song nicht zumindest einen klare Hook hat, dann passt er üblicherweise nicht in unser Konzept. Mitsingen/Mitgrölen muss man die Refrains natürlich auch können.

Was unterscheidet – musikalisch betrachtet – "Oathbreaker" von "Weltenwandel"?

Ich glaube, dass wir uns mit dem Vorgänger-Album "Weltenwandel" etwas zu weit von unserem Stil entfernt hatten. Versteh mich nicht falsch, wir stehen voll zu dem Album und da sind Songs drauf, die ich als einige unserer besten sehen würde. Ich sehe aber auch, dass es verglichen mit unseren anderen Werken ein wesentlich düstereres und dunkleres Album war. Viele unserer Fans lieben uns wegen der positiven Energie in unseren Songs und es gab dann doch ein paar, die mit "Weltenwandel" nicht so viel anfangen konnten. In diesem Sinne ist "Oathbreaker" viel mehr wie die Vorgänger. Ich würde es zwischen "Armored Bards" und "Into Battle" einordnen. Wir haben uns also bewusst dazu entschieden wieder schnellere und positivere Songs auf dem Album zu haben. Nach den letzten Jahren brauchen wir wohl alle mal wieder eine gute Zeit.

Das Stück 'Ahnenreih' ist nicht nur musikalisch, sondern auch textlich ein sehr eindrucksvoller Song. Wie kamt ihr auf die Idee, Geschichten und Zitate verstorbener Verwandter zu sammeln und in einem Song zu bündeln?

Meine Großmutter, zu der ich eine sehr enge Verbindung hatte, ist im Februar 2022 verstorben. Da waren wir grad mitten in den Aufnahmen zum Album. Wir hatten die Musik zu 'Ahnenreih' schon im Kasten und uns war klar, dass es ein besonderes Stück ist. Wir hatten aber keine Textidee dazu. Nach dem Tod meiner Großmutter hatte ich das Bedürfnis dieses Ereignis auf dem Album zu verarbeiten und hab mich mit Robert [Gesang – Anm . d. Red.] zusammengesetzt. Er hat mich gefragt: "Was wäre so die Einstellung deiner Oma zu unserer Musik?" Und meine Antwort war: "Die hat sie nie gemocht. 'So ein blödes Tschepperwerk (steirisch: selbst gemachter Lärm), was ihr da machts!'. Aber ihr war immer wichtig, dass es mir Spaß macht. Sie musste es ja eh nicht mögen." Das hat uns in diesem Moment so gefallen, dass wir das als Textzeile eingebaut haben. Dann kam die Idee auf, dass wir den Song grundsätzlich mit solchen Weisheiten unserer verstorbenen Verwandten füllen könnten. Nachdem wir diese steirischen Sätze nicht ins Hochdeutsche, oder gar Englische, übersetzen wollten, haben wir den Text somit im steirischen Dialekt verfasst. Die Idee hinter dem Song ist, dass ganz viele vor dir schon da waren. Von jedem dieser Ahnen hast du ein kleines Stück in dir. Diese Weisheiten, die man von Kind an von seinen Großeltern oder Eltern hört, werden ein ganz wichtiger Teil der eigenen Persönlichkeit. Aber selbst ist man vielleicht auch irgendwann so ein Ahne, der diese Dinge wieder weitergibt. So hat sich dann der Text zu 'Ahnenreih' langsam fast schon selbst geschrieben. Wenn ich einen Song aussuchen müsste, wo ich die intensivste Verbindung mit den Lyrics habe, dann ist es von allen HEATHEN FORAY-Songs sicher dieser. Da ist auch die ein oder andere Träne geflossen bei den Aufnahmen.

Mit 'Leben' habt ihr ein weiteres Stück aus eurem Album bereits preisgegeben. Ein Song, mit dem ihr eure lebensbejahende Einstellung repräsentiert?

Ja, das siehst du richtig. Wir wollten bewusst einen Song machen, der ein positives Gefühl vermittelt. 'Leben' erzählt davon, wie man seine kindliche Neugier und Fantasie behält und sich aus dem sozialen Korsett herauswindet. "Ich werde der Welt zeigen, dass ich mein Knie nicht beugen werde!" Ein starker Power-Metal-Einfluss ist auf diesem Track zu hören, während er die technischsten Leads des Albums mit einem starken Mitsing-Refrain kombiniert. Also ja, ein positiver "Ärmel hoch und Angriff!"-Song, haha.

Was genau hat es mit '1000 Years Of Human Flesh' auf sich? Was thematisiert ihr in diesem Song?

'1000 Years Of Human Flesh' zeigt mit dem Finger auf die organisierte Religion, die im Jahr 1022 zur Ketzerverbrennung in Europa führte (Häresie von Orléans). 1000 Jahre später, bzw. nun 1001 Jahre, ist der Einfluss der Kirche in Ländern wie Österreich immer noch stark und erlebt in anderen Ländern sogar ein Wiederaufleben. Die Mischung aus deutschen und englischen Texten soll daran erinnern, dass uns kein Hirte retten wird, nur wir selbst können das tun. Die Musik ist etwas düsterer und hat einen Black-Metal-Vibe.

Das Artwork der neuen Scheibe beeindruckt mich enorm. Wer war dafür zuständig und – weil es sich auch von euren anderen Artworks durchaus unterscheidet – wie steht es im Zusammenhang mit dem einzelnen Songs von "Oathbreaker"?

Für "Oathbreaker" wollten wir klar unsere Verbundenheit zur Natur darstellen. Nicht der martialische Kämpfer mit Schwert oder Axt sollte im Mittelpunkt stehen, sondern die Natur selbst. Wir wollten Berge, wir wollten Wasser, wir wollten etwas Mystisches. Hans Trasid hat da zu 100% geliefert. Ich glaube, es stellt den Geist der neuen Songs ausgezeichnet dar. Ich bin schon lange großer Fan von Hans und wollte eigentlich immer schon mal ein Artwork von ihm. Dieses Mal hat es zum Glück mit der Zusammenarbeit geklappt. 

Ihr werdet als Melodic-Death-Metal-Band, beispielsweise bei Metal Archives, gelistet, womit ich mich persönlich sehr schwer tue, zumal ihr auch sehr volkstümliche Elemente mit in euren Sound integriert. Wie würdest du euer Genre nennen?

Wir verstehen die Problematik mit der Kategorisierung. Uns fällts oft auch nicht leicht, haha. "Melodic Death Metal" ist sicherlich ein Label, das unseren Sound nicht vollständig umfasst. Ja, wir haben einige Death-Metal-Elemente, aber wir mischen sie auch mit Folk- und heidnischen Einflüssen, wodurch eine einzigartige Mischung aus Aggression und Harmonie entsteht. Reiner "Pagan Metal" sind wir aber auch nicht. Viele assoziieren das mit Mittelalterkostümen und Flötereien. Das ist uns zu altbacken. Wir sehnen uns nicht zurück in alte Zeiten, wir wollen, dass die neuen Zeiten besser werden. Das verarbeiten wir, wie bereits erwähnt, in unseren Texten sehr intensiv. Daher beschreiben wir unsere Musik auch als "Neo Pagan Metal", ein Genre, das es uns ermöglicht, unsere Überzeugungen zu präsentieren und gleichzeitig die harten und aggressiven Aspekte unseres Sounds anzuerkennen. Eine Mischung aus melodischer Musik und Texten, die unsere Botschaften von Widerstand und sozialer Gerechtigkeit thematisieren.

Ich habe euch 2010 mit "Armored Bards" kennengelernt. Wie siehst du die Entwicklung der Band und der Musik seit diesem Zeitpunkt?

Seitdem hat HEATHEN FORAY eine bedeutende Entwicklung in Bezug auf unsere Musik und vor allem unsere Texte durchgemacht. Wir haben, inklusive "Oathbreaker", seither vier Alben veröffentlicht, von denen jedes unser Wachstum und unseren Fortschritt als Musiker zeigt. Vor allem würde ich sagen, dass wir als Songwriter und Performer große Schritte gemacht haben in diesen 13 Jahren. "Armored Bards" hatte noch einen sehr starken Fokus auf Fantasy und Heldenmythen als Themen. Mit jedem Album haben wir uns aber mehr davon distanziert. Ich würde sagen, ab "Weltenwandel" 2020 hat sich unser lyrischer Fokus klar vom Mittelalter wegbewegt. Wir nutzen unsere Musik und Text mittlerweile, um Botschaften von Widerstand und sozialer Gerechtigkeit zu verbreiten. Musikalisch würde ich aber sagen, dass wir mit "Oathbreaker" wieder eine Rückkehr in die früheren Jahre starten. Roher, aggressiver, schneller. Das sind die Dinge, die vielen auf "Weltenwandel" gefehlt haben. Da haben wir klar hingehört und reagiert. "Oathbreaker" sehen wir als Höhepunkt unserer jahrelangen harten Arbeit und unseres Engagements für unser Handwerk. Wir sind stolz auf die Fortschritte, die wir gemacht haben, und gespannt, was die Zukunft bringt.

Was wird denn 2023 noch für HEATHEN FORAY bereithalten? Sind Gigs oder Festivalauftritte geplant und wie wird es nach der Veröffentlichung von "Oathbreaker" weitergehen?

Am 18. Mai kann man uns in Wien beim "Heathen Gathering Festival" zusammen mit PRIMORDIAL und HEIDEVOLK sehen. Am 23. Juni headlinen wir das Cahn Fest in Slowenien. Wir sind mit unserer neuen Booking-Agentur tief in der Planung für weitere Dates im Jahr 2023. Genaue Details dazu sollten in den nächsten Wochen veröffentlicht werden. Also ja, eine große Tour ist wieder mal fällig.

Eine Sache lässt mir keine Ruhe. 2021 erschien euer DIE STOAKOGLER-Cover von 'Steirermen San Very Good'. Was hat es damit auf sich? Wie entstand die Idee?

Wir waren recht traurig, nachdem die Release-Tour von "Weltenwandel" im Frühjahr 2020 ist Wasser gefallen war. Dazu die allgemeine Stimmung... Wir hatten Bock was zu machen, das uns aus diesem Tief rauszieht! Nachdem "Weltenwandel" noch brandneu war, haben wir uns entschieden ein Cover aufzunehmen. Das hatten wir eh schon jahrelang vor. Wir hatten halt vorher nie die Zeit dafür. Es musste aber ein Song sein, an dem sich die Unzahl an YouTube-Metal-Cover-Kanälen nicht vergreifen würde. Unsere früheste Erinnerung an Musik ist bei den meisten von uns Volksmusik und Musikantenstadl. Das ist halt so, wenn man in Österreich am Land aufwächst. DIE STOAKOGLER waren für uns Helden, als wir noch Kinder waren. Auch heute haben wir noch riesigen Respekt vor der Musik und der Leistung dieser Gruppe. Da gabs dann keine andere Wahl als 'Steirermen San Very Good'. Wir haben den Song dann auch an DIE STOAKOGLER geschickt und der Fritz Willingshofer hat sich danach mit einem ganz lieben Dankes-Schreiben zurückgemeldet. Nicht seine Musik, aber es ehrt ihn, dass wir den Song so gut neuinterpretiert haben. Live brennt die Nummer, zumindest in Österreich, auch jede Hütte ab. Wir sind also sehr glücklich damit. Den englischsprachigen Fans gibt der Song halt nicht so viel. Aber manchmal muss man auch mal was machen, das man in erster Linie aus Spaß macht. Uns hat es durch die Corona-Depression geholfen. Danach waren wir eigentlich wieder sehr motiviert und haben direkt mit dem Schreiben des neuen Albums begonnen.

Jürgen, vielen Dank für dieses tolle Interview! Euch viel Erfolg mit eurem neuen Album. Was möchtest du den Lesern von POWERMETAL.de noch mit auf den Weg geben?

Wir bedanken uns für den jahrelangen Support und das ausgezeichnete Interview. Allen Lesern würden wir natürlich gerne ans Herz legen mal auf heathenforay.com vorbeizuschauen oder auf der Musik-Plattform der Wahl ins neue Album "Oathbreaker" reinzuhören.

Redakteur:
Marcel Rapp

Login

Neu registrieren