Gruppentherapie: VOYAGER - "Fearless In Love"

28.07.2023 | 23:35

Sommersoundchecksieger-Therapie

Ist schon einmal eine Band, die beim Eurovision Song Contest teilgenommen hat, Soundchecksieger geworden? Nun, die Australier namens VOYAGER haben es geschafft. Aber die waren ja schon immer sehr beliebt in unserer Redaktion. Insbesondere bei Thunderlaan, der "Fearless In Love" neun Punkte in seiner Hauptrezension gibt. Doch stellt sich die Frage, ob alle in diese Band verliebt sind, oder ob es ein paar Furchtlose gibt, die wie Frank Wilkens im Soundcheck ("nur" 6,5 Punkte) andere Gefühle haben. Darüber muss man natürlich reden.

VOYAGER wohin man nur schaut: neunter Platz beim ESC, gute Figur abgegeben und nun mit "Fearless in Love" ein wirklich gutes Album am Start. Natürlich kennt man die Band von 'Promise' und der Song gehört auch zu den Besseren auf dem Album; doch darf man die Jungs nicht nach einem Song bewerten, denn das Album hat so viele tolle Synthie-Prog-Momente am Start, die sich lohnen, von der Pike auf erforscht zu werden: Die Songs sind abwechslungsreich, kommen extrem frisch daher, sind druckvoll produziert – so hat VOYAGER alles richtig gemacht und dem Hype um dem ESC den richtigen Stempel aufgedrückt. Mit Songs wie 'Dreamer' oder auch 'Daydream' und 'Ultraviolet' schafft es VOYAGER gekonnt, Härte mit Melodie zu verknüpfen. Dabei bringen die Australier eine ganz eigene Note an den Mann und es gelingt ihnen, genau das richtige Maß an Emotionalität in die Songs, vor allem in die Refrains zu packen, damit es eben nicht zu weichgespült, aber auch nicht zu abgedroschen und gefühlskalt klingt. Genau in der Waage eben.

Der Gesang ist dabei saustark, durch die komplette Scheibe schwirrt ein nostalgisches 80s-Gefühl ohne altbacken zu wirken. Ein schmaler Grat zwischen Pop-Rock und Metal, eingängig und catchy auf einem wirklich durchweg hohen Niveau. So überzeugt auch das etwas düstere 'Prince Of Fire' durch die Bank weg. Vor dem ESC habe ich noch "Colours In The Sun" von 2019 nachgeholt und im Vergleich hat es VOYAGER geschafft, sich in allen Belangen weiterzuentwickeln, und die Musik mit zielgerichteten, farbenfrohen Songs auf die nächste Stufe zu hieven. Ein rundum tolles Sommeralbum mit lichterloh brennenden Highlights, aber auch viel Tiefgang.

Note: 8,5/10
[Marcel Rapp]

Man könnte es fast bedauern, dass VOYAGER noch immer der Stempel Prog-Band auf der Stirn prangt. Das ist historisch vollkommen korrekt, trifft mittlerweile den Nagel aber nicht mehr auf den Kopf. Klar ist dieses hypermelodische Hybridwesen eigentlich eine eigene Liga und entzieht sich spielend jeglicher Kategorisierung, aber mit dem Banner anspruchsvoller Synthie-Pop-Rock mit dezenten Metaleinschüben liegt man eigentlich genau richtig, insbesondere auf diesem Album Nummer acht.

Die Australier klingen 2023 nämlich noch fluffiger als auf dem bockstarken Vorgänger "Colours In The Sun" und servieren elf absolute Wohlfühlnummern mit leicht individuellen Schwerpunkten, aber in Summe einer herausragenden homogenen Gesamtwirkung. Somit wird wohl jeder seine Highlights anders setzten. Ich selbst bin von der kleinen Göttergabe 'Submarine' begeistert, welche am Ende noch kurz in einer DEVIN TOWNSEND-Wall kulminiert, und so viele großartige Momente hat, wie manch andere Bands auf ganzen Alben nicht. Das von Marcel erwähnte 'Daydream' ist ebenfalls ganz großes Gefühlskino und auch die anderen Songs sorgen dafür, dass man als Hörer eine schöne Zeit hat. Ich freue mich richtig auf diese Gruppentherapie, denn ich kann mir beim besten Willen nicht erklären, wie manche Kollegen hier weniger als acht Punkte ziehen konnten, und bin gespannt, woran es gelegen hat. Kann ja nur eine Synthieallergie sein, oder?

Note: 8,5/10
[Stefan Rosenthal]

Soso, VOYAGER spielt also keinen Prog? Verspielt wie etwa DREAM THEATER sind die Australier mitnichten, doch was, wenn nicht wahrhaftig progressiv, ist es, wenn man Konventionen sprengt und musikalische Gegensätze miteinander vereint? Denn mit jedem Album scheint es VOAYGER besser zu gelingen, den Synth-Sound der 80er mit dem der Moderne, inklusive Stakkato-Riffs und Breakdowns, zu verbinden. Aber letztlich ist es ehrlich total egal, in welche Schublade man VOYAGER stecken möchte, die Band passt eh nirgends rein. Das war schon immer so und wird sich auch mit "Fearless In Love" nicht verändern.

Die Songs sind noch eingängiger als zuvor und man fängt sich schon vom ersten Durchlauf an Ohrwürmer ein. Tatsächlich ist Album Nummer acht voll bespickt mit Hits, dabei sind die im Vorfeld veröffentlichten Singles nicht mal die stärksten Songs. Meine Highlights folgen aufeinander und heißen 'The Lamenting', 'Submarine' und 'Twisted'. Wunderschön und mit viel Tiefgang kommen 'Daydream' und 'Gren (Fearless In Love)' daher, den flippigen 8-bit-Hit 'Dreamer' nicht zu vergessen.

Auf jeden Fall freue ich mich, dass VOYAGER spätestens seit dem ESC endlich die Aufmerksamkeit entgegenkommt, die der Band schon lange gebührt. Tolles Album, das jede und jeder ohne Scheuklappen gehört haben sollte!

Note: 8,5/10
[Jakob Ehmke]



Was für eine Ausnahmeerscheinung die Australier nicht nur beim diesjährigen ESC waren und sind, hat die versammelte Therapeutenschaft bereits zur Genüge unterstrichen. Die Diskussion, ob das nun progressiv, avantgardistisch oder gar ultra-nostalgisch ist, ist auch eher müßig, denn am Ende ist das Ergebnis klar: VOYAGER spielt in einer eigenen Liga, die man sich selbst geschaffen hat. Aber macht die Band einen auf FC Bayern und sammelt Titel um Titel? Ich meine: Jein. Denn die Band hat es ein wenig verlernt, durch Dynamik echte Ausrufezeichen in den Songs zu setzen. Wenn ich zum Beispiel "Fearless In Love" mit "The Meaning Of I" vergleiche, fehlen mir auf dem 2023er Output die Momente in der Masse, in die ich mich vor zwölf Jahren schon beim ersten Hören aufgrund ihrer Einzigartigkeit verlieben konnte. Vielmehr plätschern die Songs gleichförmiger vor sich hin, untermalt von immer tief vor sich hin wummernden Gitarren, und die Band verlässt sich zu sehr auf ihre Einzigartigkeit. Kritik auf hohem Niveau? Auf jeden Fall. Werde ich die Band auf ihrer Tour im Herbst sehen? Natürlich. Ist der schlichtere Sound für einen größeren Massenerfolg förderlich? Natürlich. Kann ich das alles ertragen und mich mit der Band freuen, dass sie es "geschafft" hat? Natürlich! Macht das "Fearless..." zu meinem Lieblingsalbum? Natürlich nicht.

Note: 7,5/10
[Julian Rohrer]



Obwohl diese Band jetzt schon seit Ewigkeiten dabei ist, bin ich mir immer noch nicht sicher, ob ich sie mag oder nicht. Ja, schon 2006 habe ich VOYAGER auf dem Prog Power Europe gesehen und immer mal wieder interessiert hinein gelauscht, vor allem wenn meine Kollegen mal wieder anfangen zu schwärmen. Bislang hat aber nichts bei mir geklickt. So gibt es nun also eine nächste Chance, zumal es durchaus selten ist, dass eine Band, die beim Eurovision Song Contest mitspielt, Soundchecksieger bei Powermetal.de wird.

Nun, "Fearless In Love" wird garantiert nicht mein Dosenöffner. Zum wiederholten Male schrabbeln die Songs jetzt mit ihrem eigenartigen Mix aus modernem Computerschachtelsound und poppiger Catchyness aus den Boxen von Auto, Wohnzimmer und Ohrenpfropfen. Ich frage meine Liebste bei 'Ultraviolet', was sie von der Musik hält und sie antwortet: "Vom diesem Song mal gar nix." Und ich kann da nicht widersprechen. Ich glaube, das, was so viele an der Band so besonders finden (Jakob schreibt über das Sprengen von Konventionen, Stefan beschreibt ein hypermelodisches Hybridwesen), ist das, was mich hier stört. Auf mich wirkt die Musik seltsam zusammengeschustert, dabei eher ein wenig kalt und fahl anstatt farbenfroh wie für Marcel, und anstatt Begeisterung wie Stefan spüre ich nach einiger Zeit eher ein wenig Abneigung. Julian, dem hier die Dynamik fehlt, verstehe ich dafür umso mehr.

Ich glaube nicht, Stefan, dass es bei mir an einer Synthieallergie liegt, auch Scheuklappen, lieber Jakob, behindern mich nicht dabei, dieses Album zu mögen. Ich denke, es sind einfach nur komische Ohren, die ja oftmals nicht so mitspielen wollen, wenn Kollegen geniale Bands feiern. Ich kann es natürlich gut hören, will es auch (meist) dabei nicht ausschalten, doch Stimme, Sound, Melodieführung und Ästhetik sind bei VOYAGER einfach nicht meins.

Note: 6,0/10
[Thomas Becker]

Redakteur:
Thomas Becker

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