Gruppentherapie: SLAVES TO FASHION - "Artistic Differences"

01.02.2011 | 14:05

Das Zweitlingswerk der früher unter P.O.B. bekannten SLAVES TO FASHION mischt als Underdog die Redaktion auf. Das Album mit dem spannenden Namen "Artistic Differences" katapultierte sich auf Rang 3 unseres Januar-Soundchecks - zu Recht, finden die meisten, aber es gibt auch andere Meinungen. Lest selbst, wie sich unsere Schreiberlinge über das neue Album der Norweger äußern.




Bevor die anderen PM-Redakteure sich äußern, ergreife ich mal kurz das Wort. Denn SLAVES TO FASHION erscheinen bei Hands Of Blue Records, meinem eigenen Label. Deswegen gebe ich hier natürlich auch keine Note ab, und auch meine Note im Soundcheck ist nur die Durchschnittsnote der anderen sieben Redakteure, weil ich natürlich nicht unvoreingenommen an dieses Album herangehen kann. Der Hintergrund ist, dass ich Hands Of Blue Records wegen dieser Band gegründet habe! Denn ihr Vorgängeralbum, damals noch unter dem Namen P:O:B erhielt von mir die Höchstpunktzahl, und eine EP mit drei Tracks begeisterte mich ebenfalls sehr. Dass diese Band kein Label fand, weil sie für Metal nicht hart genug und für Prog nicht frickelig genug sind, hat mir keine Ruhe gelassen. Also beschlossen wir, es eben zusammen zu versuchen, und so kommt es, dass Powermetal.de exklusiv zuerst dieses Album prüfen durfte. Dass es so gut abgeschnitten hat, ist natürlich fantastisch, auch wenn es mich nicht überrascht. Denn ich würde natürlich wieder die Höchstnote zücken! Aber ich bin eben voreingenommen...
[Frank Jaeger]


Normalerweise mag ich harte Klänge, schnelles Gitarrenspiel, Blastbeats und einen Sänger, den Kollege Frank als halskrank bezeichnen würde. Mit "Artistic Differences" von SLAVES TO FASHION setze ich mich als absolutes Greenhorn mit einem völlig anderen Sound auseinander und beim ersten Durchlauf tue ich mich auch ein bisschen schwer. Doch der Entzug dauert nicht lange; bereits beim zweiten Hören entfalten sich die Stärken des Albums: Ein häufig tief dröhnender Bass, leicht funkiges Gitarrenspiel, abwechslungsreiches Drumming und ein Sänger, der irgendwie nach Phil Collins von GENESIS klingt – wen wundert's da, dass die Sklaven deren Hit 'Land Of Confusion' manchmal live kredenzen? "Artistic Differences" erinnert mich irgendwie an die Musik meiner Eltern – PINK FLOYD, DEEP PURPLE (denen sogar mit einem kleinen, aber feinen Zitat gehuldigt wird), JIMMY HENDRIX – und ist doch moderner, der Sound ist satter, quasi eine Weiterentwicklung der eben genannten Musiker. Wie man sowas nennt? Keine Ahnung. Aber es klingt gut, wächst mit jedem Mal hören und auch die Texte sind nicht einfach hingeschrieben, sondern haben eine Aussage. "Artistic Differences" ist eine starke Platte und auch für Liebhaber härterer Klänge geeignet ist; natürlich in der richtigen Stimmungslage oder mal zwischendurch als Verschnaufpause. Die Soundqualität braucht sich nicht zu verstecken, die Lieder haben den nötigen Druck und sind trotzdem nicht steril.

Note: 8.5/10
[Pia-Kim Schaper]


SLAVES TO FASHION haben mich zunächst ganz schön verwirrt. Auch wenn die Musik auf "Artistic Difference" grundsätzlich durchaus vertraut und tief verwurzelt klingt, fallen die Songs durch so ziemlich jedes gängige Raster und lassen sich entsprechend schwer beschreiben, geschweige denn einordnen. Das genau ist es natürlich, was wohl jeder ernsthaft musizierende Künstler erreichen möchte. Dieselbe Unberechenbarkeit sorgt dafür, dass es schon so einige Durchläufe braucht, bis man "Artistic Differences" in seiner ganzen Tiefe erfassen kann. Da treffen klare, fast schon naive Melodien aus den späten Neunzehnhundertsechzigern auf satte Alternative-Rock-Riffs, eindringliche mehrstimmige Gesänge und stadionrockige Keyboardtupfer. 'Love You Back' und 'Made To Meet My Eyes' illustrieren solche Empfindungen perfekt. In meinem Kopf erzeugt diese Musik immer wieder neue Filme, die bei Regenwetter in Paris oder Rom spielen und in denen gestrandete junge Menschen durch die Stadt irren und seltsame Begegnungen erleben. Das funktioniert besonders gut mit dem getragenen, faszinierenden 'Empty Chairs'. Nachdenklichere Nummern wie 'Hands' lassen an nicht allzu proggige Prog-Acts wie die wunderbaren TILES denken. 'Out Of Here' wiederum geht als Hommage an SIMON & GARFUNKEL durch. Die Erleuchtung kommt unter freundlicher Mithilfe von Pia-Kim, die im Gesang Parallelen zu Phil Collins entdeckt hat. Ja, jetzt wird auf einmal alles ganz klar: SLAVES TO FASHION sind die Alternative Heavy Rock-Version von GENESIS. Doch dann kommt der zehnminütige Rausschmeißer 'Facts On The Ground' und wirft wieder alles um. Das ist feinster retro-moderner Progressive Rock der Meisterklasse, irgendwo zwischen aufbrausend und verloren, ekstatische Hypnose, träumend hellwach Geschichten erzählend. In einer gerechten Welt wäre diese Band ganz, ganz groß.

Note: 9,0/10
[Martin van der Laan]


Ein Bandname mit Sekundenschlafgarantie. SLAVES TO FASHION haben dennoch ein paar Ideen, eine Vision möglicherweise auch, aber keinen Plan, wie sie dies umfassend und durch Offenlegung einer klaren Linie beweisen wollen. Die Norweger musizieren vor sich hin, in der unbewohnten Zone zwischen Hardrock und Ein-Viertel-Prog. Dabei strahlt das Ergebnis Schwarzwälder-Kirsch-Stimmung bei dem ritualisierten Besuch der Schwiegereltern aus. Wenige beinahe verwegen betonte Riffs bilden schon den letzten Funken Rebellion gegen das Unausweichliche. Es könnte alles viel unangenehmer und bedrückender wirken, aber die Wichtigkeit solcher Fragmente für den jeweiligen Song ist nicht ersichtlich. Aus dem Soloteil in 'Made To Meet My Eyes' kommt die Clique sogar nur sehr ungeschmeidig und mit Schrammen wieder heraus. Rocken oder Proggen? Eine Entscheidung wird verlangt. Und es lassen sich Argumente gegen beide Möglichkeiten anführen: Der kurze 'Libido Ride' verläuft nicht so atemberaubend, dass er die musikalische und textliche Banalität sowie den 'Smoke On The Water'-Humorversuch überstrahlen kann; und in der zehnminütigen Pflichtaufgabe 'Facts On The Ground' wird Spielzeit als große Geste fehlgedeutet. Longtrack abgewickelt, Gesetz befolgt. Am Ende des Albums. Johannes Støles supernetter Mittelstandsgesang und seine nicht einschlagenden, aber in einer gedächtnisnahen Umlaufbahn kreisenden Melodien haben es bis dahin geschafft, die Band in der kaum angreifbaren Sicherheit zu positionieren.

Note: 6,5/10
[Oliver Schneider]




Mein lieber Schwan…da hat mein geschätzter Kollege Frank Jaeger wahrlich eine tolle Band für sein kürzlich ins Leben gerufenes Label Hands Of Blue an Land gezogen. SLAVES TO FASHION zeigen sich auf "Artistic Differences" von ihrer Schokoladenseite. Das heißt im Klartext, dass die Norweger sehr catchy agieren und ihre frisch klingenden Kompositionen, die sowohl von alten Legenden wie DEEP PURPLE oder teilweise auch PINK FLOYD (Keys) als auch von einer Vielzahl moderner Bands beeinflusst sind, sehr ansprechend verpacken. Das Ergebnis spricht für sich. SLAVES TO FASHION setzen sich einfach bemerkenswert in den Hirn- und Gehörgängen fest. Man lausche hier insbesondere den Nummern 'Superstar (I Want Out)' oder 'Mrs. Hero’. ' Stilistisch tue ich mir offen gesagt überaus schwer damit, weitere Parallelen zu bekannteren Bands zu ziehen. Aber eines sei an diese Stelle gesagt: SLAVES TO FASHION sind eine Formation, die Fans moderneren Metals mit Ohrwurmqualitäten auf jeden Fall aufmerksam beobachten sollten. "Artistic Differences" ist vor allem eines: ein sehr überzeugendes, blitzsauber produziertes Album mit beachtlichem Ohwurm-Potenzial.

Note: 8,5/10
[Martin Loga]

Redakteur:
Martin Loga

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