Gruppentherapie: KAMELOT - "The Awakening"

27.03.2023 | 16:56

KAMELOT ist erwacht? Nun, zumindest war die fünfjährige Studioalbenpause seit der Schattentheorie die bis dato längste der Düster-Metaller mit dem Hang zu symphonischem Kraftmetall. Da der Titel sowie das Artwork eine Menge versprechen, gehen wir der neuen KAMELOT-Scheibe einmal genauer auf den Grund, stecken unsere Köpfe zusammen, lassen all die Ohrwürmer durch unsere Lauscher strömen und schauen, wie weit uns "The Awakening" zusagt.

Auch zu diesem Album gibt es eine ausführliche Review, diesmal von Stefan, zu der ihr hier kommt.

 

Als großer Anhänger Khans und solcher Alben wie "Karma", "Epica" und "The Black Halo" betrachte ich Sänger Tommy Karevik noch immer als Neuzugang, obwohl dieser fantastische Sänger, der Roy im Übrigen stimmlich auch sehr nahe kommt, bereits seit über zehn Jahren das KAMELOT-Mikrofon in den Händen hält. Darum habe ich den Alben ab "Silverthorn" auch ehrlicherweise nicht jene Aufmerksamkeit geschenkt, die sie verdient hätten. Doch mit "The Awakening", dem ersten Studiodreher nach rund fünf Jahren, soll alles anders werden. Und siehe da, oh Wunder, mit zunehmender Spielzeit kristallisieren sich auf diesem durchaus besonderen Album nicht nur lichterloh brennende Highlights heraus, sondern haben die ohnehin schon starken Songs wie 'Eventide', 'New Babylon' oder 'One More Flag In The Ground' auch mit zunehmender Rotation noch immer jene Magie, dieses Mystische, Geheimnisvolle, das nicht nur das Artwork, sondern die Band KAMELOT per se seit meiner Erstberührung mit ihr in sich trägt. Natürlich muss man ein wenig tiefer bohren, um besagten Schätzen zu begegnen, doch der Glanz steckt einmal mehr im Detail, sodass es sich lohnt, "The Awakening" auch öfters aufzulegen. Und vielleicht sollte ich die Post-Khan-Zeit noch einmal Revue passieren lassen. "The Awakening" ist der beste Beweis, dass noch viel Schönes auf mich wartet.

Note: 8,5/10
[Marcel Rapp]

Ja, deutlich KAMELOT. Vom ersten, brillanten Refrain höre ich genau das, was ich von den US-Amerikanern wieder erhofft habe, nämlich kraftvolle Bombastbomben mit einem außergewöhnlichen Sänger und dem unnachahmlichen Händchen der Komponisten für die Melodie, die gelegentlich auch mal den Sprung ins wohl temperierte Kitschbecken wagt. So gesehen alles in Butter. Trotzdem muss ich bei der Wertungsfindung zugeben, dass "The Awakening" nicht das beste Album der Band ist. Bei weitem nicht. Das liegt ein wenig an den beiden ersten Liedern, die zwar gut sind, aber mich irgendwie nicht komplett mitreißen, was dann erst 'One More Flag In The Ground' und das folgende 'Opus Of The Night (Ghost Requiem)' vermögen. Obwohl, der Flaggenrefrain ertönt vielleicht auch ein-, zweimal zuviel, aber das schöne 'Bloodmoon' und das unaufgeregte 'Nightsky' zeigen dann, was die Band zu schaffen vermag, wenn sie eher unauffällige Songs komponiert, quasi die zweite Riege neben den offensichtlichen Speerspitzen des symphonischen Metals, die einen von KAMELOT-Alben förmlich anspringen. Solche unscheinbaren Juwelen finden sich häufig auf den Alben, üblicherweise sind sie die am stärksten wachsenden Stücke. Als besonderes Highlight für Freunde des großen Pathos entpuppt sich dann das stampfende 'New Babylon' mit Simone Simons und Melissa Bonny als Unterstützung. Zusätzlich finden sich auch die üblichen Balladen auf dem Album und schwache Lieder natürlich sowieso nicht, aber nach einigen Spins lassen mich dann doch 'The Looking Glass' und 'My Pantheon (Forevermore)' ein wenig kalt. So gesehen ein starkes, typisches Album mit kleinen Gimmicks wie Growls oder Cello, das die schwindelerregende Stärke der beiden Vorgänger nicht halten kann, aber für mich vor "Ghost Opera" und "Poetry For The Poisoned", etwa gleichauf mit "Silverthorn" durchs Ziel geht. Für mich als Fanboy heißt das übersetzt: absolute Kaufempfehlung für alle!

Note: 8,5/10
[Frank Jaeger]

Eigentlich gibt es nicht viel, was ich meinen Vorrednern hinzufügen müsste, denn in Sachen bombastischer Power Metal bleibt KAMELOT eine verlässliche Bank. Auch auf "The Awakening" werden wieder zahlreiche große Refrains zelebriert, das Orchester garniert alles mit ordentlich Zuckerguss und die Melodien bleiben einem zumeist direkt im Ohr. Der von Frank erwähnte Sprung ins "wohl temperierte Kitschbecken" ist in meinen Ohren zwar auch ab und an ein kleiner Bauchplatscher anstatt eines eleganter Kopfsprungs, doch auch das gehört bei dieser Art Musik einfach dazu. Für mich bleibt damit aber eben auch das Problem bestehen, das ich schon seit Jahren mit den US-Amerikanern habe: Live gefällt mir das Dargebotene immer gut und auch die Alben finden ihren Weg in meine Sammlung, doch um KAMELOT wirklich zu einer meiner Lieblingsbands im pompösen Power Metal zu machen, fehlen mir einfach die Ecken und Kanten, die aus einem schönen Album einen Klassiker machen. Vielleicht ein Blick über den Djent-Tellerrand oder ein Ausflug in wahrlich harte Gefilde könnte dem Sound einfach gut zu Gesicht stehen und die ewige orchestrale Schönheit etwas aufbrechen. 'One More Flag In The Ground' und vor allem auch das orientalisch angehauchte 'Bloodmoon' sind dennoch absolut großartige Songs und auch unter dem Strich muss ich wieder 8 Punkte vergeben, denn das Album ist trotz der minimalen Kritik rundum gelungen und wird jeden Fan der Band glücklich machen.

Note: 8/10
[Tobias Dahs]

Im Gegensatz zu meinen Vorrednern kann ich keinen großen Vergleich von "The Awakening" zu den vorherigen Werken KAMELOTs anstellen, da ich die Band zwar kenne, aber noch nicht so viel gehört habe. Wenn ich jetzt aber von Frank lese, dass "The Awakening" "bei weitem nicht das beste KAMELOT-Album sein soll, dann muss ich mich wohl dringend mit den vorherigen Langspielern beschäftigen. Denn "The Awakening" ist für mich von vorne bis hinten ein grandioses Melodic-, Symphonic-, Bombast-, was auch immer Power-Metal-Werk, das heutzutage seines Gleichen sucht. Angefangen mit dem absoluten Ohrwurm-Refrain vom Opener 'The Great Divide' über das tolle 'Eventide' hin zum Mega-Hit 'One More Flag In The Ground'. So muss man erstmal ein Album anfangen. Und die "Highlights" hören ja nicht auf. 'Opus Of The Night (Ghost Requiem)' fällt genauso wenig ab wie die traumhafte Ballade 'Midsummer's Eve', zu der man an einem schönen Sommerabend einen schönen Wiener Walzer tanzen kann. Auch das orientalisch angehauchte Lied 'Bloodmoon' vermag mich komplett zu begeistern. Und auch die zweite Albumhälfte fällt hier nicht ab. Mit 'My Pantheon' (Forevermore)' findet sich hier zudem nochmal ein wirklich toller, abwechslungsreicher Song voller Atmosphäre, Melodie und Bombast. Tobias fehlen auf "The Awakening" die Ecken und Kanten. Das mag vielleicht sein. Dafür verfügen die elf Songs zuzüglich Intro und Outro über verdammt viele Widerhaken, um sich in den Gehörgängen festzuhaken und dort auf ewig zu bleiben.

Note: 9,5 / 10
[Mario Dahl]

Wenn ich Marios Beitrag lese, wird mir klar wie unterschiedlich man soeben Gehörtes wahrnehmen kann, wenn man es mit Erwartungen und Erfahrungen vergleicht oder eben nicht. Ja, 'The Great Divide' ist ein sehr guter Opener, aber im KAMELOT-Universum eher eine ordentliche Pflichtübung, keine exorbitante Kür-Sensation. Im Grunde gilt das für den Rest der Platte auch und ich wünschte mir tatsächlich Marios Haltung gegenüber der Band noch einmal einnehmen zu können. Entsprechend sollten unsere Leser diese Stellungnahmen auch einordnen. Ich bin zum Beispiel ein beinharter Roy Khan-Fan und habe seinen Ausstieg als Stimme und Aushängeschild von KAMELOT nie verwunden. Wenn ich mir ein Lied wie 'One More Flag In The Ground' anhöre, ist da schon eine packende Dynamik drin und eine aufwühlende Atmosphäre. Aber mir fehlen der musikalische Tiefgang und die unwiderstehlichen, weithin sichtbar leuchtenden Ankerpunkte, die große Kompositions- und Inszenierungskunst von aufgeregter Effekthascherei eben doch unterscheiden. Auch wenn das alles jetzt arg negativ klingt - ich mag "The Awakening". Aber wenn ich KAMELOT hören möchte, werde ich auch in Zukunft wohl eher andere Alben auflegen.

Note: 7,5/10
[Martin van der Laan]

Fotocredits: Napalm Records

Redakteur:
Marcel Rapp

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