Gruppentherapie: FINGER ELEVEN - "Last Night On Earth"

15.12.2025 | 21:26

Ohrwurm-Potential oder völlig egal?

Das ist die letzte Gruppentherapie des Jahres, denn im Dezember wird der Soundcheck etwas anders sein! Widmen wir uns also noch einmal einem Novemberalbum, das unserem Jäger-Frank ziemlich gut gefallen hat: "Last Night On Earth" der kanadischen Alterna-Rocker FINGER ELEVEN. Die anderen Soundchecker platzieren es aber voll im Mittelfeld, für Marcel wird das Musikhören gar zum Kampf. Warum, das erklärt er Euch jetzt. Doch es gibt auch Hörer, die das Album mit Franks Ohren hören! 

Mit diesem Artwork hätte ich ehrlich gesagt auch am wenigsten eine ordentliche Portion Alternative Rock erwartet. Keine Ahnung, was sich FINGER ELEVEN bei dieser Gestaltung gedacht hat. Dabei muss ich Frank zustimmen: Vor allem der Opener zeigt eine durchaus verschachtelte Herangehensweise und könnte eigentlich den Startschuss für eine interessante Hörerfahrung geben.

Doch bereits ab 'Blue Sky Mystery' wird das Ganze erstaunlich gewöhnlich, um nicht zu sagen, austauschbar. Jeder Ton atmet US-Alternative-Rock, und dass die Band aus Kanada stammt, lässt sich zu keinem Moment heraushören. Damit zielen die Jungs zwar nicht mehr auf meine persönlichen Hörgewohnheiten, und von dieser Art Sound gibt es ohnehin schon etliche Bands und unzählige Songs. Aber wenn man eine gute Dynamik hinlegt, starke Hooks liefert und noch bessere Refrains setzt, lasse ich mich auch gerne mal 40 Minuten lang berieseln. FINGER ELEVEN gelingt jedoch weder ein einziger Überhit, der das Album ein wenig heller strahlen ließe, noch ein Song, welcher mich abseits des Openers dazu bringt mitzusingen, das Tanzbein zu schwingen oder irgendeine Harmonie mitzusummen.

Nur als willkürliches Beispiel: THOSE DAMN CROWS hatte 2023 eine deutlich höhere Hitdichte. Dass auf diesem FINGER ELEVEN-Album aber gleich drei quasi-Balladen gesetzt werden, die zu keiner Sekunde die Klasse etwa von SHINEDOWN erreichen, verpasst dem Longplayer schließlich den Rest. Zwar ist handwerklich und vor allem gesanglich alles im grünen Bereich, doch "Last Night On Earth" ist mit absoluter Sicherheit kein Kandidat für die sprichwörtlich letzte Nacht auf diesem Planeten und selbst dann nicht, wenn ich mich für Alternative Rock als Soundtrack entscheiden müsste, was eh schon sehr aus der Luft gegriffen ist.

Note: 6,0/10
[Stefan Rosenthal]

 

Puh, mit zehn Jahren hat es schon lange gedauert, bis die Kanadier wieder etwas Ohrenfutter in die Manege werfen. Und irgendwo zwischen Alternative, Stadionrock und Post Grunge hat FINGER ELEVEN eine an sich gute Stilrichtung gefunden, durch die "Last Night On Earth" gute Ansätze und ansprechende Dynamik zu bieten hat. Richtig, nicht jeder Song zündet wie 'Blue Sky Mystery' oder 'The Mountain', eine Ballade weniger hätte dem Album sicherlich auch gut getan. Doch reicht das am Ende?

Mitnichten, füllen die Schattenplätzchen am letzten Tag auf Mutter Erde doch leider zu viel Raum aus, rauben den eigentlich gut drückenden Gitarren letztendlich das Licht und so richtig warm wird man mit den per se zwar guten, aber nicht herausragenden härteren Momenten auch nicht. Dem Riffing fehlt es an Wumms, den Balladen am Alleinstellungsmerkmal und oftmals hat man das Gefühl, den Großteil der Songs an anderen Stellen schon einmal mit mehr Nachdruck und Charisma gehört zu haben. Schade, habe ich mich doch auf "Last Night On Earth" wirklich sehr gefreut.

Note: 5,5/10
[Marcel Rapp]

Puh, es scheint mir mal wieder so, als hätten meine Kollegen und ich verschiedene Alben gehört. Denn anders kann ich mir die eher schwächeren Noten nicht erklären. Okay, ich gebe Stefan natürlich Recht, wenn er sagt, dass FINGER ELEVEN nicht auf dem Niveau von SHINEDOWN agiert. Aber das ist auch ein Vergleich mit einer Band, die zum Besten gehört, was die Musikwelt heutzutage zu bieten hat. 

Aber nur, weil FINGER ELEVEN den Vergleich mit den Besten verliert, ist "Last Night On Earth" nicht so schwach, wie die Kollegen es darstellen. Für mich funktioniert hier jeder einzelne Song. Jede Nummer hat Passagen mit Ohrwurm-Potential. Dabei erinnern mich die Kanadier immer wieder an eine Mischung aus CREED und STONE SOUR. Es stechen für mich 'Blue Sky Mystery' und insbesondere 'Laughing At The Storm' heraus. "Last Night On Earth" ist für mich ein unterhaltsames, sehr kurzweiliges Album, das auch nach dem Hörvorgang in den Ohren bleibt.

Note: 8,5/10
[Mario Dahl]

 

Der Start in "Last Night On Earth" ist ja noch ganz vielversprechend. Der gelungene Opener 'Adrenaline' macht mit den coolen Backing-Chören und etwas vertrackter Rhythmik - wie Stefan richtig schreibt - durchaus Hoffnung, hier mehr als nur 08/15-Alternative Rock geboten zu bekommen. Und 'Blue Sky Mystery' knallt zumindest ordentliches Riffing vor den Latz, obwohl der Refrain bereits hier auch nur so semigut ist.

Doch danach ist der Ofen in kreativer Hinsicht komplett aus. Nehmen wir nur mal das direkt nach dem Auftaktdoppel platzierte 'Cold Concrete' - ein Song, der überhaupt nicht weiß, wo er hin will, und nach zwei Minuten mit seiner Belanglosigkeit ziemlich nervt. Noch schlimmer wird es allerdings mit der ersten Ballade 'Lock Me Up' im Anschluss. Der Song hat, wie auch die anderen Balladen auf dem Album, Gänsehautpotenzial - aber nicht, weil es so ein toller und berührender Ohrwurm wäre, sondern weil es mich da beim Anhören wirklich gruselt.

Während die ruhigen Stücke die Tiefpunkte auf "Last Night On Earth" darstellen, sind die "normalen" Rocknummern zumindest "nur" egal - man kennt das alles bereits, allerdings in gut. Da kann der völlig konturlose Gesang natürlich auch nichts mehr retten, ganz im Gegenteil. Ich frage mich tatsächlich, was für einen musikalischen Anspruch die Veröffentlichung eines solchen Albums mit sich bringt. Wenn man doch nur im Fahrwasser von 'Adrenaline' geblieben wäre...

Ich höre jetzt THE DURANGO RIOT und SOLEÏLNOÏR - Bands, die so viel spannender sind und denen ich zu ihrer aktiven Zeit ein bisschen von dem Erfolg gewünscht hätte, den FINGER ELEVEN aus irgendeinem Grunde mit dieser austauschbaren Mucke hat.

Note: 4,5/10
[Stephan Voigtländer]

Hui, Belanglosigkeit, Austauschbarkeit, das ist fiese Kritik. Damit quäle ich mich in diesem November durch die bisherigen Gruppentherapien zu Alben, die ich schon jetzt beginne zu vergessen. FINGER ELEVEN ist für mich aber ein Lichtlein in allem therapeutischen Novembergrau. Böse Zungen behaupten vielleicht, weil es kein Metal ist?

Fakt ist, und ich kann mich nicht dagegen wehren, ich habe ein Faible für ein bisschen Kitsch, streicherunterlegte Ballädchen wie der Titeltrack laufen mir warm in den Magen, vor allem, wenn danach so ein hookgetränkter Ohrendrücker wie 'The Mountain' kommt. Gab es sowas schon? Klar. Kann man es mit CREED, SHINEDOWN oder STONE SOUR vergleichen? Klar. Aber so oft höre ich solche Mucke nicht und wenn FINGER ELEVEN läuft wie gerade eben jetzt beim Schreiben, habe ich keinen Drang abzuschalten und die Alternativen aufzulegen. Weil es einfach passt und mit keinem Lied schlechter wird. In diesem Falle habe ich also Mario- und Frank-Ohren. Und ich kann gut verstehen, warum diese Band, von der ich das erste Mal höre, offenbar erfolgreich ist.

Note: 8,0/10
[Thomas Becker]

Redakteur:
Thomas Becker

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