Gruppentherapie: BLEED FROM WITHIN - "Zenith"
11.05.2025 | 23:17Wir können alles außer Metalcore!?
POWERMETAL.de sucks. Das könnte man zumindest denken, wenn man auf Metalcore steht. Im April-Soundcheck landen mit CALIBAN und BLEED FROM WITHIN einmal mehr zwei prominente Vertreter des Genres auf den Abstiegsplätzen. Nicht einmal uns' Timo war mit "Zenith" in seinem Hauptreview zufrieden und zieht gar RAMMSTEIN-Parallelen.
Zeit also für Tobi und Stefan R., dem Rest des Soundcheck-Teams zu erklären, warum es bei seiner Einschätzung von "Zenith" falsch liegt. Und wer weiß, vielleicht finden die beiden ja noch Verbündete? Vielleicht können wir es ja doch!?
Nein, der größte Metalcore-Fan war ich noch nie und werde ich auch wohl nie sein. Doch den Werdegang von BLEED FROM WITHIN zu betrachten, war schon sehr interessant. Von Album zu Album schafften es die Schotten, ihren ganz eigenen Sound zu finden, ohne ihre Wurzeln zu verlassen.
Zuletzt haben sie mit "Shrine" ein wirklich tolles Album an den Mann gebracht, welches das aktuelle "Zenith" sogar noch übertreffen kann. Die düstere, dystopische Atmosphäre, die Schwere und Melancholie zwischen den Zeilen, die Brachialität und die Schläge, die uns gleich zu Beginn 'Violent Nature', dann der Titeltrack und auch 'In Place Of Your Halo' in die Magengrube hämmern, sind schon eine Wucht, keine Frage.
Doch in Kombination mit der Vielseitigkeit einer sterbenden Sonne, der fast schon stoischen Eingängigkeit einer unbekannten Bekannten oder dem schönen Klangkosmos der Höllenhoffnung gewinnt "Zenith" von Mal zu Mal immer mehr an Fahrt, Dynamik, aber auch Volumen und Tiefgang, die es mir schwer machen, richtig dicke Haare in der schottischen Extrem-Suppe zu finden. Doch warum suchen, wenn es vielleicht kaum welche gibt? Oder findet ihr welche, liebe Kollegen?
Note: 8,0/10
[Marcel Rapp]
Nein, auf ihrem Zenit waren die Soundcheck-Kollegen wirklich nicht, als sie das neue BLEED FROM WITHIN-Werk "Zenith" bewertet und auf den siebzehnten Rang in unserem April-Soundcheck verbannt haben. Für mich jedenfalls ist nicht nachvollziehbar, wo die Kollegen Reiser, Stehle, Scheurer oder Dahl hier das Haar in der von Marcel gerade beschriebenen Metal-Suppe gefunden haben wollen. Für mich ist "Zenith" nämlich schlicht und ergreifend ein starkes Metalcore-Album, das die Trademarks des Genres perfekt zelebriert und mit einer netten Prise Nu Metal, ein bisschen Industrial und sogar Groove Metal anreichert.
Wo Kollege Reiser die in seiner Hauptrezension genannten RAMMSTEIN-Parallelen im Übersong 'God Complex' hören will, muss er mir obendrein auch noch einmal genauer erläutern. Mit dem stumpfen Provokations-Stakkato-Keyboard-Gestampfe der für mich immer noch unverständlicherweise erfolgreichen Berliner hat die Nummer nämlich überhaupt nichts zu tun, sondern demonstriert eindrucksvoll, wie die Schotten auf dem kompletten Silberling melodische Eingängigkeit, starke Gitarrenleads, wuchtige und höllisch groovende Riffs und große Hooklines gekonnt miteinander vereinen. Und wie die Kollegen PARKWAY DRIVE ('In Place Of Your Halo' macht die Parallele zu den Australiern am deutlichsten) müssen die Jungs dabei nicht einmal auf die inzwischen doch deutlich zu oft genutzten Klargesänge zurückgreifen, um mir Gesangspassagen in die Hirnrinde zu pflanzen, sondern schaffen das auch mit metrisch packenden Shouts und Screams.
Entsprechend müssten die Schotten für mich auch in einem Atemzug mit den ganz großen Größen des Metalcore-Genres genannt werden und haben mit "Zenith" vielleicht jetzt schon ein Album veröffentlicht, das in diesem Sektor in den verbleibenden Kalendermonaten des Jahres schwer zu toppen sein dürfte. Mit noch etwas mehr Abstand wäre ich dann sogar versucht, noch etwas auf meine sowieso schon starken neun Zähler draufzulegen, bleibe aber zur Wahrung der Kontinuität bei der Note aus dem Soundcheck.
Note: 9,0/10
[Tobias Dahs]
Mit 'Violent Nature' geht es los und damit ist dann auch direkt schon die Marschrichtung für die kommenden elf Songs vorgegeben, denn friedlich wird "Zenith" nie. Trotzdem hat man ab Albummitte das Gefühl, dass die Jungs von BLEED FROM WITHIN zumindest ein bisschen gezähmt werden. Denn so stark man nach dem Opener mit 'In Place Of Your Halo', 'Zenith' und 'God Complex' (die RAMMSTEIN-Referenzen finde ich hier auch an den Haaren herbeigezogen) loslegt, so fällt die Platte in der zweiten Hälfte dann doch ab. Die Musik ist weiterhin wunderbar und sauber eingespielt, der Gesang bleibt bis zum Schluss fehlerfrei und ein paar Überraschungen lassen sich hier und da auch raushören, aber das Gefühl, dass mir da was fehlt, werd ich nicht los. Vielleicht liegt es auch einfach daran, dass ich, anders als beispielsweise Marcel, recht viel von dem Kram höre, der gemeinhin dem Metalcore (ich halte immer noch nichts von Genrebezeichnungen) zugeordnet wird. Mir fehlt das Neue, etwas was mich wirklich packt. Zu oft denke ich mir: "Ach, das kennt man schon."
Natürlich kann ich nicht von BLEED FROM WITHIN erwarten, dass ständig das Rad neu erfunden wird. Und wirklich was zu meckern gibt es ja auch nicht. Aber Sänger Scott Kennedys Stimme sticht weder bei den Screams noch beim Klargesang aus der Masse an großartigen Metalcore-Sängerinnen und -Sängern heraus, so dass mir hier ein Alleinstellungsmerkmal fehlt. Dies kann dann leider auch nicht von den talentierten Musikern an den Instrumenten kompensiert werden und damit steht am Ende ein gutes und sehr sauberes Album, welches aber abgesehen von den ersten Songs leider schnell in meinen Playlisten nach hinten durchgereicht werden wird. Reinhören sollten aber auf jeden Fall alle, die mit der Musik was anfangen können!
Note: 7,5/10
[Chris Schantzen]
Der gute alte Metalcore hat es im Soundcheck mal wieder schwer und auch wenn Tobi und ich immer mal wieder die Fahne hochhalten, wird es noch lange nicht reichen, um selbst eine erstklassige Genre-Veröffentlichung wie "Zenith" in die Top-Reihen zu hieven. Dabei muss man den restlichen Kollegen trotzdem bescheinigen auch im Metalcore feine Qualitätsunterschiede auszumachen und Alben mit dieser Stilistik passend zu ranken. Es ist nämlich ohne Frage so, dass die neue CALIBAN gegen BLEED FROM WITHIN den Kürzeren zieht und das haben durchgehend fast alle Soundchecker bestätigt.
Dabei liegt, mit Ausnahme von 'In Place Of Your Halo', die Stärke der Band nicht in den einzelnen Songs, sondern ganz klar auf Albumdistanz und das schaffen in diesem Genre nur die wenigsten. Ein Song wie 'A Hope In Hell' wirkt für sich genommen zwar ziemlich generisch, durch den Einsatz von gutem Klargesang, strahlt die Nummer nach den ersten vier Vertretern ohne primären Einsatz dieses Stilmittels aber nochmal deutlich stärker.
Überhaupt ist der Abwechslungsreichtum zwischen den einzelnen Tracks der große Pluspunkt der Scheiblette. 'God Complex' ist tatsächlich ein absoluter Brecher (ich glaube, Timo meinte eher EMIGRATE als RAMMSTEIN), überall ploppen, was produktionstechnische Kniffe angeht, so kleine DEVIN TOWNSEND-Reminiszenzen auf, und mit dem eingangs erwähnten 'In Place Of Your Halo' gibt es auch noch ein echtes Ass im Ärmel. Wie es die Jungs dort schaffen die Bagpipe harmonisch in diesen Sound zu integrieren, ist schon Champions League und ich würde der Band wärmstens empfehlen diesen Weg weiter zu bestreiten.
Die Pfade im Metalcore sind brutal ausgelatscht und IMMINENCE hat bewiesen, dass der sinnvolle Einsatz eines solchen Gimmicks (dort Violine) ein Game-Changer sein kann, qualitativ wie kommerziell. Denn aktuell, und da muss ich Tobi doch einmal widersprechen, reicht es auch in diesem Genre noch nicht zu den Jahreshighlights, wenn die Platzhirsche liefern (siehe aktuelle LANDMVRKS).
Note: 8,0/10
[Stefan Rosenthal]
Okay, probieren wir's mal. Aber ich sag's vorweg, zu Metalcore habe ich kaum einen Bezug. Das hört sich zwar oft technisch hochversiert an, dies geht für mich aber meistens in den typischen Brüllorgien und "Alles-auf-einmal"-Produktionen unter, sodass die Musik mich selten bei der Stange hält. Und genau so hört sich 'Violent Nature' dann auch gleich an. Steril tackernde Drums, technische Riffs und diese Schreistimme, die gefühlt bei jeder dieser Bands singt. An was könnt ihr die verschiedenen Sänger denn hier alle unterscheiden? Bei mir gehen in diesem Stil wohl nur Robb Flynn und Phil Anselmo.
Allerdings wird es im Laufe des Hörens besser. Ein paar groovige Passagen erinnern an PANTERA, manchmal wird auch eine Prise luftiger Alterna-Prog eingebaut, teilweise wird es gar orchestral. Abwechslung ist also da. Auch die Sequencer-Samples, die ziemlich oft über den Songs liegen, finde ich recht gut integriert und machen die Musik für nicht ganz so Harte wie mich interessant.
Trotzdem bin ich noch weit entfernt, erweitertes Interesse für BLEED FROM WITHIN zu entwickeln, da bleib ich alter Sack, wenn ich sowas denn brauche, dann doch bei MACHINE HEAD, damit fühle ich mich auf Dauer deutlich wohler. Damit stehe ich dann wohl auf einer Linie mit zwei Dritteln unserer Soundchecker, die BLEED FROM WITHIN auf Basis der Kurzkommentare sehr wohl respektieren, nach Notenabgabe aber schnell vergessen wollen.
Note: 6,0/10
[Thomas Becker]
Fotocredits: Tom Armstrong
- Redakteur:
- Thomas Becker